Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1925


Der Seckenhof.

Die wechselvolle Geschichte des Amtshauses in St. Georgsberg.

Von Dr. H. FERD. GERHARD.

Im dritten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts ging es bunt im Lauenburger Lande zu. Obwohl sich Herzog August ängstlich bemühte, sich unter den kämpfenden Parteien des dreißigjährigen Krieges neutral zu halten, brachen immer wieder Truppen der Union oder des Kaisers in das Land ein, ohne daß auch nur der Versuch gemacht werden konnte, sie zurückzuschlagen. Im Oktober 1625 bezog der Graf von Mansfeld mit 10 000 Mann in Lauenburg Winterquartiere, und als er endlich abgezogen und in der Schlacht bei Dessau 1626 geschlagen war, kehrten viele von seinen Soldaten truppweise oder einzeln in unser Land zurück, wo sie im Winter so gute Tage genossen hatten, und mußten erst mit Hilfe des Lübschen Ratsherrn von Wickede vertrieben werden. Im Jahre 1627 kamen dann die kaiserlichen Generäle Tilly und Wallenstein und hausten übel im Land. Und als gar des Herzogs eigener Bruder Franz Karl im Namen des Schwedenkönigs Gustav Adolf vorübergehend von Ratzeburg Besitz ergriffen hatte, da zog der kaiserliche General Pappenheim vor die Stadt, nahm sie ein und setzte sich für mehrere Jahre darin fest. Immer aber wurden Bürger und Bauern mit Kriegssteuern, Requisitionen und Einquartierungslasten bedrückt.

Am schlimmsten aber trieb es das Gesindel, das den Heeren plündernd und raubend nachfolgte: versprengte Abteilungen, Deserteure und allerhand Schnapphähne. Selbst das Raubritterwesen lebte damals gelegentlich wieder auf. So überfiel noch im Jahre 1631 ein Edelmann Kuno von Hofmann, ein Schwiegersohn des Herrn von Kalben zu Mory, auf öffentlicher Landstraße einen Wagenzug und

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plünderte ihn vollständig aus. Der adlige Straßenräuber mußte die Tat allerdings mit dem Tode auf dem Schaffotte büßen.

Der Landesherr selbst war gegen all diese Räubereien ziemlich machtlos. Seine Maßregeln gegen die "Landläufer, herrenlosen und gartenden Knechte, sowie die Planetenleser und dergleichen Gesindlein" hatten nicht viel Wirkung, weil der Wechsel des Kriegsglücks immer andere Heerhaufen ins Land führte. So war es das Klügste, durch Vorbeugungsmaßregeln wenigstens die Städte gegen das Gesindel zu schützen.

Ratzeburg war durch seine Lage in dieser Beziehung besonders begünstigt. Immerhin konnten, wie der Ueberfall Franz Karls zeigte, kühne Abenteurer bei Nacht oder Nebel auch hier Erfolge erringen. Und so wurde in diesen Kriegesläuften die alte Bestimmung Herzog Franz' II. besonders streng durchgeführt, die besagte: "Da auch jemand, wann die Brücken geschlossen, es wäre bey Tag oder Nacht, hinüber begehrte, soll doch niemanden die Brücke eröffnet werden, Es wäre dann Sache, daß Unsere Räthe und ansehnliche Diener oder Raths Persohnen, die nothwendig aus und ein müssen, hinein oder heraus wollen."

Diese strenge Absperrung der Stadt, besonders zur Nachtzeit, hatte für die reisenden Kaufleute und Handwerker natürlich allerlei Beschwernisse im Gefolge. Wenn sie sich nur ein wenig verspätet hatten, so mußten sie sich bei den Bauern der Umgegend ein Quartier zu verschaffen suchen oder gar, wenn dieses - was in den unsicheren Zeiten gewiß oft geschah - aus allerlei Bedenken versagt wurde, im Freien übernachten.

Diesem Uebelstande suchte Herzog August durch die Errichtung einer Herberge in St. Georgsberg abzuhelfen. Die Gelegenheit dazu war günstig. Der fürstlichen Hofkammer, wie wir sie heute nennen würden, gehörte ein Grundstück, das seit langem "wüst" lag und der SECKENHOF hieß. Es war vermutlich ein Anwesen, dessen Gebäude in einem früheren Kriege zerstört waren und das infolgedessen von seinem Besitzer verlassen und dadurch der Hofkammer anheimgefallen war. Dieser Seckenhof, der hinter der St. Georgsberger Kirche lag, war für die geplante Herberge sehr passend. Das Beste aber war, daß sich auch ein geeigneter und unternehmender Mann fand, der bereit war, dort auf eigene Kosten ein Gasthaus zu errichten.

Eine alte Urkunde vom Jahre 1629 erzählt von dem Unternehmen ausführlich. Ihr Anfang lautet:

"Von Gottes Gnaden Wir Augustus, Hertzog zu Sachsen Engern undt Westphalen, hiermit vor Unß, Unsere Erben undt nachkommen, thuen kundt und bekennen, Alß bey diesen vorgewesenen Kriegs Wesen, wier offtermahl erfahren, daß der Reißende Man, wie auch Unsere eigene Untertanen, so sie sich etwaß verspättet undt Unsere Veste nicht haet mögen gefahrs halber wieder eröffenet werden, Keinen ohrt haben finden können, da sie benachtigen undt vor ihre bahre Zahlung essen oder trinken haben könten, undt deswegen hochnötig ist angesehen worden, daß ein hauß vor diese Unsere Vestung, in welchen der Wandersmann oder Unterthanen einkehreten, undt benach-

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tigten, gesetzet undt aufferbawet würde, haben wier durch unsere Beamte Unserm Leibknecht Hanß Adam Heuseler, diesen Vorschlag thun lassen, so verne er gemeinet, ein hauß auf seine eigene Unkoestung auf die hinter Sct. Georgen Kirchen belegene Stelle der Seckenhoeff genandt aufzuerbawen, wir den Ohrt sambt Beumen, garthen undt pletzen, auß gnaden wegen seiner getreuen undt viele Järigen Dienste, ihm und den seinigen, verehren undt Schenken wolten."

Wir erfahren aus der alten Urkunde ferner, daß der Herzog Augustus seinem getreuen Leibknecht nicht nur den Platz hinter der St. Georgsberger Kirche, den Seckenhof schenkt, sondern ihm auch das Privilegium zum Herbergsbetrieb, Bierausschank und zur "Hoekerei" zuwendet, "auf daß mehr gedachter Unser Leibknecht undt dessen Erben seiner Unß erwiesener Unterthänigen getrewen Dienste genießen, undt der gegebenen freyheit fehig werden möge; Alles trewlich ohne gefehrde."

Der gnädige Landesherr aber tat noch mehr. Schon nach zwei Jahren überließ er dem Heuseler, da er keine Grasnutzung für seine Kühe hatte, eine Stelle im Vorwerksholze, dem Hesterkamp, mit der Erlaubnis, sie abzuholzen und sie in Weideland zu verwandeln.

So entstand also auf dem Platze, auf dem heute das Landratsamt steht, zunächst eine HERBERGE, und sie hat vermutlich volle 63 Jahre bestanden. Aber schon Hans Adam Heuseler gab dem Hause einen andern Charakter. Der tüchtige und vertrauenswürdige Mann wurde nämlich zum Amtmann erhoben und erledigte als solcher zweifellos einen großen Teil seiner Amtsgeschäfte nicht drunten im Ratzeburger Schloß, wo er sicher, ebenso wie seine Nachfolger, ein Amtszimmer besaß, sondern droben in seiner Herberge, wo seine Anwesenheit kaum entbehrt werden konnte. Und so geschah es wohl, daß sich für den Seckenhof die Bezeichnung AMTSHAUS einbürgerte.

Aber die Enkel hielten nicht, was die Väter versprochen. Hans Adam Heuseler glaubte, mit dem Privilegium seinen Nachkommen eine sichere und ausreichende Einnahmequelle geschaffen zu haben. Und in der Tat rüttelten auch die beiden Nachfolger des Herzogs August nicht an den Privilegien, sondern bestätigten sie zu wiederholten Malen, wie der kaiserliche Notar Johannes Premsell noch 1680 mit Unterschrift und Siegel ausdrücklich festlegt. Aber ob die Zeiten ungünstiger geworden, ob Unglück über die Familie gekommen oder die Nachfahren leichtsinniger dahinlebten als die Väter: im Jahre 1688 mußte Otto Andreas Heuseler eine Hypothek von 400 Talern auf sein Haus aufnehmen. Und da er die 20 Taler jährlicher Zinsen nicht bezahlen konnte, wurde es am 22. Februar 1692 öffentlich meistbietend versteigert. Und weil kein anderes Gebot gemacht wurde, erstanden es die Hypothekengläubiger selbst, die Kirchenjuraten von St. Georg. Und so wurde das Amtshaus, die ursprüngliche Herberge, zum "KIRCHENHAUS".

Aber die Herren Kirchenältesten, die das Haus im Jahre 1692 scheinbar noch als Wohnung des Amtmanns vermietet hatten, sollten nicht viel Freude an ihrem Besitz haben. Kaum fünfviertel Jahre vergingen, da überzog der Dänenkönig das Herzogtum mit Krieg. Der neue Lauenburger Herr, Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-

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Lüneburg, hatte in falschem Ehrgeiz aus dem Städtlein Ratzeburg eine stolze Festung gemacht, und das war dem dänischen Nachbar ein Dorn im Auge. So zog alsbald eine starke dänische Truppenmacht herbei. Man fuhr auf den hohen Seeufern Batterien auf und schoß das Städtlein in drei Tagen vollkommen zusammen. Die Batterie aber, die auf der Höhe von St. Georgsberg aufgestellt wurde, fand keinen besseren Platz als den, auf dem der alte Seckenhof gestanden hatte. Und so wurde die alte Herberge, die man auch Amts- oder Kirchenhaus genannt hatte, heruntergerissen, und quer durch den Garten wurden Verschanzungen angelegt.
 



Der Seckenhof (das frühere Amtshaus) zu St. Georgsberg.

Als aber die Dänen abgezogen waren, da scheinen die Herren Kirchenjuraten von St. Georgsberg in gar arger Bedrängnis gewesen zu sein. Vermutlich war bei dem Bombardement wohl auch das Pfarrhaus und gar die Kirche beschädigt worden. Jedenfalls sah sich die fürstliche Regierung genötigt, der Kirche 156 Taler und 20 Schillinge vorzustrecken.

Das war damals eine harte Last, und man war wohl kaum im Stande, sie abzuwälzen. Andererseits aber erkannte wohl die Regierung die Verpflichtung an, die Gemeinde für den Verlust des "Kirchenhauses" zu entschädigen. Jedenfalls kam es zu einer Einigung. Die Regierung erstattete der Kirche den früher an Otto Andreas Heuseler gezahlten Betrag von 450 Reichstalern zurück, natürlich abzüglich der vorgestreckten Summe, und erhielt dafür den alten Seckenhof mit allen Pertinentien. 1)
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1) Zu dem Kirchenhause gehörten damals, wie die Akten ergeben:
1. Die Hauß Stedte nebst den Garten, worinnen die Dänen eine Schanze angeleget undt Dannenhero sehr verdorben.
2. Ein Garten gegen der Hauß Stedte über.
3. Eine kleine Koppel, worin des Fischers Wohnung stehet.
4. Ein klein Stückgen Acker, in der Grundt ohne weidt (unweit) des Burgvoigts vormahligen Haußes belegen.
5. Eine Koppell zur Linken Handt am Lübschen Wege, welche mit Wucher Blumen sehr verwachßen.
6. Ein kleiner hengigter Berg, unten am See, worin der Kalckstein (?) lieget.

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Und nun konnte das Grundstück, das so viele Wandlungen erlebt hatte, wieder den Zwecken dienstbar gemacht werden, denen es schon unter Hans Adam Heuseler nebenbei gedient hatte. Serenissimus Herzog Georg Wilhelm genehmigte am 2. März 1695 den Plan seiner Regierung, daß auf der alten Stätte ein neues AMTSHAUS errichtet würde. Das Gebäude, wenn auch sonst mit größter Sparsamkeit erbaut, erhielt eine stattliche Größe. Es war 72 Fuß lang und 40 Fuß breit. Es hatte 2 Stockwerke und, wenn die Berechnung stimmt, etwa 20 Räume. Die Haustür wurde mit einem "Frantzen Spieß" - einem Frontispice - versehen.

Von diesem Amtshaus, das bis in unsere Tage gestanden hat, hat sich bisher keine gute Abbildung gefunden. Die nebenstehende Wiedergabe einer recht mangelhaften Steinzeichnung gibt uns nur einen ungenügenden Eindruck. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei, ein besseres Bild des alten Gebäudes ausfindig zu machen. Alte Leute, die das Haus noch gesehen haben, schildern es als einen unschönen Fachwerkbau, der nicht verdiente, der Nachwelt erhalten zu bleiben. Nun, in diesem häßlichen alten Hause ist immerhin 165 Jahre lang ein reges Leben gewesen. Tüchtige Amtsleute, deren Namen bis auf den heutigen Tag von gutem Klange sind, haben darin gewohnt und gewaltet. Erst im Jahre 1862 wurde es niedergelegt und mußte dem Neubau des heutigen Landratsamtes weichen.

So schließt die wechselvolle Geschichte des alten Seckenhofs.
 

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