Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1929



Die Söhne Franz II.

Von U. VON RUNDSTEDT.

3. Franz-Albrecht.

III. Unter Kursachsen.    Bei Wallensteins Abfall.   Gefangenschaft.
 

Die Wagschale des Krieges schwankte wieder hin und her. Dem arg zerzausten kaiserlichen Heer nach Böhmen zu folgen, hielten die Sieger nicht für ratsam. Der protestantische Bund schloß sich zwar unter dem schwedischen Kanzler Oxenstierna enger zusammen, aber Sachsen hielt sich abseits und ließ die Fühlung mit der Gegenseite
nicht verloren gehen. Umso mißtrauischer wurden die Schweden, als

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nun Franz-Albrecht dem GENERALLEUTNANT ARNIM ALS FELDMARSCHALL beigegeben wurde.*) Am 4. Dezember wurde Franz-Albrechts Bestallung vollzogen. Es entsprach dem Herkommen, daß er auch noch je ein Regiment zu Roß und zu Fuß warb und als Oberst innehatte. Nachdem diese Werbung eingeleitet war, reiste der Herzog am 12. Dezember zum Heere ab, das inzwischen nach Schlesien zurückgekehrt war. Er holte es am 19. Dezember bei Grottkau ein. Neben den Sachsen unter Arnim gehörte dazu ein schwedisches Korps, das Oberst v. Dünewald, und ein Brandenburgisches; das Oberst v. Burgsdorf befehligte. Die Einigkeit war zwischen Schweden und Sachsen nicht groß, während Arnim als geborener Märker sich mit Burgsdorf gut stand.

Noch im Winter wurden die Operationen fortgesetzt. Nach einigen Reitergefechten, die Franz-Albrecht leitete, wurde BRIEG eingeschlossen und am 16. Januar 1633 genommen. Am 8. Februar hatte STREHLEN gleiches Schicksal. Die kaiserlichen Truppen waren meist in Polen geworben und von geringem Gefechtswert; man nannte sie "Polacken" oder "Kosacken". Mit Dünewald war es zu scharfen Auseinandersetzungen gekommen. Über seine Trunksucht und Habgier klagten die Verbündeten bei Orenstierna. Der antwortete unwirsch, die Soldaten söffen und stählen alle, Dünewald wäre sonst brauchbar. Er schickte aber den Grafen Thurn als Oberbefehlshaber hin, um Arnim und Franz-Albrecht auf die Finger zu sehen. Mit ersterem kam es auch gleich zum Zerwürfnis, da er Thurn nicht vergessen konnte, daß er in Böhmen ihn des Verrats beschuldigt hatte. Franz-Albrecht aber vertrug sich sehr gut mit dem alten treuherzigen Haudegen, der zu Oxenstiernas geringem Vergnügen berichtete, Franz-Albrecht habe in dem Streit mit Arnim Thurns Partei genommen. Sein Unmut machte sich bei einem Besuch in Berlin am 9. und 10. Februar Luft, wo er mit den brandenburgischen Räten die Lage besprach. Arnim, sagte der Kanzler, wolle er die schwedische Armee in Schlesien anvertrauen, aber nicht Franz-Albrecht. "Ist ganz eine Creatur des Herzogs von Friedland!" Er hätte Franz-Albrecht schon selbst gesagt, man könne ihm nicht trauen.

In Dresden wurde gewissenhaft von Nicolai aller Klatsch über den Herzog gesammelt. Es war da die richtige "Etappe". Verabschiedete und beurlaubte Obersten, Hofschranzen, böhmische Flüchtlinge und allerhand Agenten kramten ihre Wissenschaft aus, an der schließlich nicht viel Wahres zu sein pflegte. Im April war Arnim selbst in Dresden, da es in Schlesien still war. Franz-Albrecht folgte ihm, um dem Kurfürsten den üblen Zustand der sächsischen Armee vorzustellen, wobei er scharf mit ihm aneinander geriet. Der Herzog hatte sich auch einen kleinen Stab gebildet. Außer dem schon erwähnten Rittmeister v. Henning, der ein katholischer Lothringer war.
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*) Damals war die Reihenfolge der Dienstgrade anders als jetzt. Der höchste war der "General". Bis Wallenstein sich diesen Titel vom Kaiser ausbedang, waren es immer die Kriegsherren selbst gewesen, die ihn führten. Blieben sie zu Hause, so hieß der Feldherr "Generalleutnant". Ihm unterstand der Feldmarschall, der die Reiterei befehligte, den Nachschub ordnete und die Lagerplätze wählte, sowie für jede Waffe ein Generalwachtmeister oder Generalmajor; die Artillerie betreute der Generalfeldzeugmeister.

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diente ihm als Hofmeister der Franzose de Sirot, jener Offizier seines Fußregiments, der ihm das Onyxgefäß aus der Mantuaner Beute geschenkt hatte. "Aufwärter" war ein Bayer, Esaias Gumpelsheimer, früher in schwedischen Diensten, Kanzler ein Dr. Kaiser aus Meißen. Letzterer bekam von Franz-Albrechts politischem und militärischem
Briefwechsel nichts zu sehen. Sein Amt war "Frauenzimmer"- und Höflichkeitsbriefe zu schreiben. Sein Barvermögen hatte der Herzog in Regensburg untergebracht gehabt. Kurfürst Max von Bayern wollte es beschlagnahmen, als Franz-Albrechts Übertritt bekannt wurde. Wallenstein indes gab Julius-Heinrich rechtzeitig einen Wink, worauf der es nach Böhmen in Sicherheit bringen konnte. Die Verwahrung übernahm eine Dame, mit der Franz-Albrecht ein Verhältnis hatte und "die er auch geheiratet hätte, wenn ihr Mann tot gewesen wäre". *) All dies brachte der eifrige Nicolai heraus. Auch in Dresden hatte Franz-Albrecht eine Anzahl Wertsachen untergebracht.

Von allen Heeren des 30jährigen Krieges war das sächsische am wenigsten wert. Nicht, daß die Kriegsartikel des sittlichen Schwungs und der Strenge entbehrt hätten, aber, da der Soldat nicht bekam, was ihm zustand, leistete er auch nicht, was von ihm verlangt wurde. Es ehrt den Feldmarschall, daß er sich durch die Strenge, mit der er auf Manneszucht und Schonung der Einwohner hielt, unbeliebt machte. Die Schlesier standen als Protestanten auf Seiten ihrer Glaubensgenossen, hatten aber unter den Schweden viel zu leiden. Als nun auch noch Wallenstein im Frühsommer sein Heer über die Sudeten führte, war bald Mangel überall. Die Leute starben oder verliefen sich. Es scheint verwunderlich, daß so kleine Heere ein Land in wenig Wochen kahl fraßen. Das hängt, abgesehen von dem vielen, was bei Raub und Plünderung verderbt wurde, mit der damaligen Wirtschaftsweise zusammen. Kartoffeln waren noch ebenso unbekannt wie Futtergewächse. Die Körnerernte war gering, weil die Fläche wegen der Dreifelderwirtschaft zu einem Drittel unbebaut blieb und auch die Düngung nicht die Kraft der heutigen hatte. Das Vieh, im Sommer auf Weidegang angewiesen, wurde im Winter in schlechten Ställen bei knappester Heufütterung durchgehungert. Dementsprechend waren Milch- und Buttererträge. An Gemüsen hatte man Rüben
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*) Mit dieser Dame ist wohl die Herzogin Anna-Sophie von Braunschweig gemeint. Sie lebte meist am Hof ihres Bruders in Berlin oder bei ihrer Schwester, Gustav-Adolfs Gemahlin. Franz-Albrechts häufige Besuche in Berlin sowie der rege Briefwechsel, auf den man aus wiederholten Bemerkungen in seinem Schreiben an Wallenstein schließen darf, würden schon die Dauer seiner Neigung bezeugen, wenn es nicht genügend jener Brief täte, den er nach seiner Gefangennahme dem Bruder Franz-Karl aus Pilsen (3. 3. 1634) schrieb. Nachdem er da zuerst förmlich-steif "Seine Liebden freundbrüderlich gebeten" hat, sich seiner Leute und seiner Wertsachen anzunehmen, bricht zum Schluß einmal sein Gefühl durch: "Ich bitte, befiehl mich A.S., ich sterbe ihr Diener, es gehe wie Gott will. Darf nichts mehr schreiben, patientia!" Die federgewandte Herzogin schrieb auch häufig an Wallenstein, den sie am Berliner Hof 1628 kennen gelernt hatte und der ihre Besitzungen in seinen mächtigen Schutz nahm. Nach ihres Mannes Tode lebte sie meist auf ihrem Witwensitz Schloß Schöningen in Braunschweig, wo sie später auch den Besuch Franz-Albrechts und seiner jungen Frau empfing.

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und eingestampften Kohl. Die Stelle des Kaffees vertrat die Suppe von Braunbier. Um ihren Ernteüberschuß los zu werden, mußten die Landleute weite Strecken auf schlechten Wegen fahren, also bei kleinen, leichten Fahrzeugen viele Pferde verwenden. So ging ein großer Teil des Ladegewichts zur Fütterung der Gespanne drauf. Brände waren sehr häufig und bei den Holzbauten und fehlenden Löschgeräten verheerend. So waren es nur besonders fruchtbare Gegenden mit guten Wasserverbindungen, die erhebliche Überschüsse abgeben konnten; immer vorausgesetzt, daß nicht durch zu starke Pferderequisitionen die Saat behindert war.

Wider Erwarten machte Wallenstem sich den elenden Zustand des verbündeten Heeres nicht zunutze, um es in einer Schlacht zu vernichten. Im Gegenteil, als Arnim ihm dreist entgegenrückte und die Schlachtordnungen sich bei ZOBTEN schon formiert hatten, erschien Terzky als Parlamentär, um eine Waffenruhe zwecks Friedensunterhandlungen abzuschließen. Franz-Albrecht lag derweilen fieberkrank in Brieg und "brauchte was". Am 10. Juni erst kam er ins Lager bei Zobten und ritt sofort zu Wallenstein nach Heidersdorf. Nachdem der erste Termin abgelaufen war, verlängerte er ihn bis zum 26. und nochmals bis zum 30. Juni. Arnim, der inzwischen Wallensteins Anträge den beiden Kurfürsten mündlich vorgetragen hatte, brachte keinen befriedigenden Bescheid zurück, und die Feindseligkeiten gingen wieder an. Wallenstein rückte gegen SCHWEIDNITZ, wurde aber von seinem Schüler Franz-Albrecht, der seine Kenntnis des Geländes trefflich ausnutzte, so zugerichtet - 6. Juli , daß er nach Böhmen zurückging.

Die Verbündeten blieben bei Schweidnitz stehen. Hier wurde im Heer ein "Pasquill" (Schmähschrift) verbreitet, die Franz-Albrecht des Mordes an Gustav-Adolf bezichtigte. Dies war nicht der einzige Versuch, den unbequemen Mann los zu werden. In Dresden hatte sich herumgesprochen, Arnim habe Franz-Albrecht beim Kurfürsten angeklagt, er plane, das Heer dem Kurfürsten zu entfremden, und verhandle darüber mit Herzog Bernhard von Weimar. Die Sache stellte sich als Klatsch heraus, der auf einem Oberst v. Kalkstein hängen blieb. Franz-Albrecht wies es als reine Gehässigkeit kurz ab. Auch sonst hatte er Verdruß. Der Geschäftsgang im Stabe war schlecht geordnet. Am 17. Juni schon hatte Franz-Albrecht in einem Brief nach Dresden geklagt: "Alles liegt mir auf dem Halse; habe keinen Menschen, so mir das geringste helfen thut". Ferner machte sich der schwedische Kriegskommissar Kempendorf mißliebig. Sein Amt war Beschaffung von Geld, Lebensmitteln und Ausrüstung, also etwa dem heutigen Intendanten entsprechend. Franz-Albrecht hatte ihn "einen Hurensohn gescholten und bedrohet, mit brigeln schmieren zu lassen". Thurn, der sonst diese "Schätzesammler" auch nicht liebte, mußte sich des Beamten annehmen.

Am 16. August knüpfte Wallenstein wieder an. Man einigte sich auf einen abermaligen Waffenstillstand. Die UNTERHANDLUNGEN wurden durch einen blutigen Zwischenfall gestört. Herzog Ulrich von Holstein, Sohn des Dänenkönigs und Führer der sächsischen

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Reiterei, wurde nach einer Besprechung mit Piccolomini durch einen Kroaten erschossen. Am 23. begann trotzdem der Stillstand. Während Arnim abermals nach Dresden und Berlin reiste, dauerten die gegenseitigen Besuche zwischen beiden Hauptquartieren an. Wallensteins Leitmotiv war: "Sind wir nicht Erzlappen, daß wir einander die Köpfe zerschmeißen um anderer willen, da wir doch gewünschten Frieden, indem wir die Armeen in unserer Macht haben, machen könnten?" Es sollten also die vereinigten Truppen beider Parteien von Wallenstein gegen die "Reichsfeinde" geführt werden. Darunter verstand man Spanier und Bayern. Als aber nun Arnim von seiner Fahrt, die ihn auch zu Oxenstierna nach Frankfurt a. M. geführt hatte, zurückkam, war Wallensteins Stimmung schon wieder umgeschlagen. Man meinte, ein Astrologe habe ihm für den November einen Sieg geweissagt. Er verlangte nun plötzlich von dem Kurfürsten, er sollte auch gegen Schweden gehen. Franz-Albrecht, dem Arnim die Verhandlungen übertragen hatte, konnte seinen Zorn über diese Unbeständigkeit nicht zurückhalten. Er war eben nichts weniger als "geschmeidig". Das wäre der Abrede nicht gemäß rief er. "Einem Cavalier gebührt, sein Wort zu halten, viel mehr einem Fürsten." Wallenstein erwiderte: "Ein Fürst ist ein Cavalier, ein alter Cavalier so gut wie ein junger, und ein junger Fürst so gut wie ein alter. Wie gefällt Euch dies?" Franz-Albrecht trumpfte noch mehr auf: "Wenn's nicht anders gemeint ist, so sei es! Wer weiß, wen's zuerst gereut. So wollen wir einander tapfer auf den Dienst warten!" Wallenstein wurde noch ärgerlicher, Franz-Albrecht noch heftiger, und in hellem Unfrieden schieden sie. Der Herzog schrieb in seinem Kalender unterm 26. September: "Hat sich auch die Friedenstraktation ganz zerschlagen, und wir sind aufgebrochen." *)

Am 30. September erreichte man Liegnitz, am gleichen Tage lief der Waffenstillstand ab. Wallenstein säumte nun nicht mehr. Durch scheinbaren Marsch nach Sachsen lockte er Arnim mit dem Hauptteil der Sachsen und Brandenburger dorthin, kehrte schnell um und warf sich auf die Schweden. Bei STEINAU A. ODER umzingelt, mußten Thurn und Dünewald sich am 11. Oktober ergeben. Derweilen waren die Sachsen bis in die Gegend von Görlitz gekommen, wo am 4. Oktober Franz-Albrecht eine Kroatenabteilung zerstreute. Darauf reiste er nach Berlin, nahm dort an einer Jagd bei Köpenick am 13. Oktober teil und kehrte nach sechstägigem Aufenthalt zum Heere zurück, das sich bei DRESDEN gelagert hatte. Nicolai behauptete, Zweck seiner Reise sei gewesen, sein Dresdener Depot in Berlin unterzubringen, da er sich in französische Bestallung zu begeben beabsichtige.
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*) Franz-Albrechts Friedenssehnsucht, die durchaus nicht pazifistischer Einstellung entsprang, bricht immer wieder in seinen Briefen an die kaiserlichen Generale durch. "Wollte Gott, dieser Krieg hätte ein Ende und ginge in Frankreich oder Italien!" Oder: "Ich möchte von hertzen gern befördern helfen, daß einmal in unserm Vatterlande deutscher Nation ein aufrichtiger, beständiger Frieden möchte gemacht werden. Habe auch meinem Herrn nichts anderes geraten und werde mich glücklich schätzen, wenn ich ein Mehreres dabei tun könnte. Wollte Gott, es wäre hier Frieden und ginge der Krieg in ein anderes Land, nur nicht in Deutschland."

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Letzteres hatte Franz-Albrecht im Frühjahr schon erwogen" und er hatte mit dem französischen Gesandten in Dresden, du Hamel, Fühlung genommen. Er hatte sich damals erboten, auch die Truppen mitzubringen, wobei der Gesandte nichts fand, da es besser sei, als wenn sie ruiniert würden oder dem Feind zugute kämen. Richelieu hatte dem Herzog eine "Pension" anbieten lassen. Darunter verstand man regelmäßige Zahlungen, die reiche Staaten an einflußreiche Staats-, Kriegs- oder Hofleute anderer Mächte leisteten, damit diese ihre Zwecke förderten. Es war ungewöhnlich, daß Franz-Albrecht ablehnte.

Die Niederlage bei Steinau stimmte die Schweden nicht freundlicher gegen Arnim und den Herzog. Letzterer war von Wallenstein, der wohl annahm, daß die Kurfürsten nun leichter zu gewinnen sein würden, zu neuen VERHANDLUNGEN NACH GERSDORF BEI KROSSEN GERUFEN (21. Oktober). Bei dieser Gelegenheit hatte Franz-Albrecht in seiner unbekümmerten Art zu General Sparre, einem alten Bekannten, den Wallenstein schon öfter zu Verhandlungen gebraucht hatte, geäußert, Sparre wäre ein Schelm und Kujon, wenn er den gefangenen Dünewald eher frei lasse, als bis er allen Raub aus Schlesien herausgäbe. Das war nicht sehr bundesbrüderlich gesprochen, aber erklärlich. Der alte Trunkenbold hatte bei einem Gelage, als Franz-Albrecht die Blutflecken auf seinem Koller von Gustav-Adolfs Tod her gezeigt, ihm gedroht, wenn er sie nicht auswaschen ließe, würde er ihm was anderes zeigen.*)

Von Wallenstein reiste Franz-Albrecht nach Berlin, dann nach Dresden. Er hatte an Arnim schon vor der Besprechung in Gersdorf geschrieben, daß er sich keinen Erfolg davon verspräche. Die Kaiserlichen hatten gegen die Sachsen nur untergeordnete Kräfte stehen lassen, in der Hauptsache versucht, bis an die schwedische Operationsbasis, Mecklenburg und Pommern, vorzudringen. Das wäre ihnen auch geglückt, nachdem Frankfurt a. O. und Landsberg erobert waren, wenn nicht die Wegnahme von Regensburg am 15. November durch Bernhard von Weimar Wallenstein genötigt hätte, nach Böhmen zurückzugehen. Die Sachsen verließen am 11. November die Gegend von Dresden und rückten in die Mark zum Schutz Berlins. Der Versuch, Frankfurt a. O. noch vor Jahresschluß wiederzunehmen, mußte aus "erheblichen Ursachen" aufgegeben werden.

Am 21. Dezember besah der Kurfürst von Brandenburg DIE "ARMADA" BEI RÜDERSDORF unweit Berlin. Sie war in elendestem Zustande. Am 28. Dezember schreibt Franz-Albrecht darüber an den Feldzeugmeister v. Schwalbach nach Dresden: "Sonsten vernehme ich von Herzen ungern, daß Ihr kurfürstl. Gnaden so lang­

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*) In einem Brief an Arnim hatte der Herzog geschrieben (April 1633): "Was Ihre Excellenz der brandweinsauffer Duwald sich unterstehen, Haben sie hierbei zu ersehen. Bitte, Ihre Excellenz wollen doch genugsam Folmacht mitbringen, dem bieste das einzustellen." - Nach der Steinauer Niederlage berichtet er Arnim unterm 19. Oktober darüber. Nachschrift: "Wie hundsfützig und schelmisch der Düwell handelt, ist unaussprechlich." - Franz-Albrecht empfand den Schlag von Steinau aufs schmerzlichste und klagt dem Freunde aus Wallensteins Hauptquartier, "wie gloriora die Offiziere sein und sich einbilden, ganz Meister zu sein".

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sam wegen der Gelder umgehen, die Regimenter zu stärken. Es ist eine große Strafe vor Gott, mit sehenden Augen blind zu sein. Unser Volk lässet man zu Boden gehen, wirbet keinen Mann, und den Feind lässet man werben, was er will. Wallenstein hat schon vor 6 Wochen jeder Kompagnie 1000 Taler Rekrutengelder gegeben. Hier genügten 500, aber man will nicht. So hat man in 2 Monden kein Volk mehr. Thut man nichts dazu, so gehe ich davon. Nicht ich alleine werde nicht bleiben, sondern kein ehrlicher Mann kann bleiben. Falls der Kurfürst nichts für den Krieg tun will, soll er doch um Gotteswillen den Frieden nicht ausschlagen, er sei so schlecht, wie er wolle." In einer Nachschrift erwähnt er die Nachricht, daß Wallenstein seinen Bruder Franz-Julius als Unterhändler an die Kurfürsten schicken wolle. "Ich sehe es sehr gerne, ich aber will nichts damit zu tun haben, denn bei den Freunden werde ich für einen Verräter deswegen gehalten. Ich will nach Frankreich und Italien reisen, denn ich kann ohne Volk keinen Krieg führen." Tatsächlich knüpfte der Herzog mit dem französischen Gesandten abermals Verhandlungen wegen Eintritts in seines Königs Dienst an. Schon bald nach der Steinauer Niederlage hatte er in Dresden dem Kurfürsten bei der Tafel zugerufen: "Ihr Herrn Kurfürsten müßt anders Krieg führen oder Frieden machen, sonst kommt Ihr von Land und Leuten!"

Leider fehlen seine Schreibkalender von 1634-38. Sie sind wohl zum Teil bei seiner Gefangennahme verloren gegangen.

Wallenstein, der in Pilsen sein Hauptquartier genommen hatte, merkte, wie am Wiener Hof seine Stellung untergraben wurde. Erst suchte er sich dadurch zu halten, daß er seinen höheren Offizieren einen Revers abforderte, daß sie zu ihm stehen würden. Bald aber sah er ein, daß er weiter gehen mußte und ließ durch seinen Schwager Terzky neue Verhandlungen mit den Kurfürsten anknüpfen, zu denen gleichzeitig Herzog Franz-Julius von Lauenburg vom Kaiser geschickt wurde. Wallensteins Vorschläge, die Franz-Albrecht in einem Briefe an Arnim vom 14. Januar 1634 dahin zusammenfaßt: "der Kaiser und Kurfürst (von Bayern) sollen weg", waren den Kurfürsten angenehmer, als die kaiserlichen und sie fertigten Franz-Julius mit höflichen Redensarten ab, um erst mit Wallenstein ins Reine zu kommen. Franz-Albrecht mußte als Gesandter nach Pilsen. Unterwegs gab ihm sein Bruder Julius-Heinrich in Schlackenwerth eine Abschrift des Pilsener Reverses, der an den Kurfürsten geschickt wurde. Am 23. Januar war er wieder in Dresden mit Wallensteins Bitte, Arnim nach Pilsen zu senden. Der aber sträubte sich mit dem Vorgeben. daß Wallenstein Ehrenrühriges über ihn behauptet hätte, was den Schweden neuen Anlaß gegeben, Arnim anzuschwärzen. Wallenstein schonte eben, wenn er schlechter Laune war, in seinen Äußerungen niemanden. Er nahm auch, als Franz-Albrecht bei seiner Rückkehr nach Pilsen am 1. Februar ihn bat, eine Arnim zufriedenstellende Erklärung abzugeben, keinen Anstand, dies zu tun. Das italienische
Fieber stellte sich grade jetzt wieder bei Franz-Albrecht ein und er mußte nach ganz kurzer Besprechung sich zu Bett legen. Wallensteins Vertraute Terzky und Kinoky besuchten ihn öfter und mahnten,

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daß Arnims Reise beschleunigt würde. Letzterer ließ sich aber Zeit. Inzwischen berieten die Generale Piccolomini und Aldringer, denen Wallenstein fest vertraute, wie man Franz-Albrecht und Arnim ermorden könne. Es ist eigentlich unbegreiflich, wie Wallenstein sich seines Heeres so unbedingt sicher glauben konnte. Die Treue zum Kaiser war für diese internationale Gesellschaft natürlich nur ein Aushängeschild. Tatsächlich war es wohl so, daß Wallenstein seine Anziehungskraft in dem Augenblick einbüßte, als ruchbar wurde, daß er den Frieden erstrebte, da doch alle diese Abenteurer vom Kriege Erfüllung ihrer Gier nach Reichtum und Macht erhofften. Es ist auch bezeichnend, daß die Anhänger Wallensteins, die mit ihm fielen, vorwiegend Norddeutsche sind, während die Gegenspieler die welsche Clique stellt, die Piccolomini, Gallas, Aldringer, Deodate u. a. Schillers Illo ist der Märker v. Ihlow, sein Landsmann der schon genannte General Sparr; Schaffgotsch ist Schlesier; die anderen sind Böhmen.

Soviel merkte Wallenstein aber doch schon, daß er der Hilfe seiner Feinde, der Schweden und Sachsen, bedurfte. Erstere sollte Franz-Albrecht ihm bei Bernhard von Weimar erwirken, zu dem er nach Regensburg reiste (19. Februar). Nun erntete aber der Friedländer den Lohn seiner bisherigen Unzuverlässigkeit. Bernhard, im Gedanken an Steinau, lehnte entschieden ab, "auch nur einen Hund satteln zu lassen". Selbst als Ihlow einen Brief nachschickte, der den Abfall der meisten Truppen von Wallenstein und dessen Reise nach Eger meldete, blieb Bernhard mißtrauisch und zog nur sein Heer zusammen, um sich ans alle Fälle vorzusehen. Franz-Albrecht der wohl nicht ungern sah, daß der Druck auf Wallenstcin. diesmal bei der Stange zu bleiben, durch die Ereignisse verstärkt wurde, fuhr am 25. Februar nach Eger ab, um dort den endlich reisefertigen
Arnim abzuwarten. Guten Mutes unterhielt er sich noch unterwegs am Hof des Landgrafen von Leuchtenberg in Pfreimt, wo er schon öfters gewesen, mit dem "Frauenzimmer", als schon die Blutnacht in Eger allen Plänen ein Ende gemacht hatte. Er hatte Ihlow gebeten, ihm einen Trompeter entgegenzuschicken, doch war der Brief
den Kaiserlichen in die Hände gefallen. Man lauerte ihm aus allen Paßstraßen auf. Als er schon unweit Eger war, traf ihn ein Reitertrupp am 28. Februar unter dem Leutnant Moser. Der stellte sich wallensteinisch und unterhielt sich kameradschaftlich mit Franz-Albrecht, bis er ihn dicht vor den Toren Egers aufklärte und gefangen nahm. Er wurde zum Oberst Butler, einem Irländer, gebracht, der mit echt britischem Takt, während Franz-Albrecht als Gast an seiner Tafel saß, den Moser beauftragte, dem Kaiser zu melden, daß "der Vogel" gefangen sei, und sich ihn wohl anzusehen. Die Gefangenen wurden nach Pilsen geführt, wo Franz-Albrechts Haft nicht allzu streng war. Der neue Generalleutnant, Graf Gallas, benutzte sogar die allabendliche Betrunkenheit bei den Gelogen lin denen er selbst mehr leistete, als in der Heerführung), um aus dem Herzog Geheimnisse herauszulocken. Der Erfolg war nicht nennenswert: Klagen über Bernhard von Weimars Ungläubigkeit. Man hatte in Wien das Verfahren gegen Wallenstein nach dem Muster des chinesischen Straf-

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Prozesses aufgezogen, der mit der Urteilsvollstreckung beginnt und mit dem Nachweis von Schuld und Unschuld schließt. Nun mußte doch der Welt gezeigt werden, wie schwarz der Verrat des Ermordeten gewesen sei, um die Tat zu rechtfertigen. Schriftliches von Bedeutung hatte man bei keinem der Opfer gefunden. Als verdächtig wurden vor Gericht gezogen: Herzog Julius-Heinrich, die Generale v. Sparr. v. Scherffenberg, Graf Schaffgotsch, Oberst Mohr v. Wald u. a. Franz-Albrecht, den man als Gesandten völkerrechtswidrig festgenommen hatte, konnte man nicht gut aburteilen. Er wurde nach Wiener-Neustadt in die "Fürstenkustodie" gebracht. (Die hatte vor 70 Jahren Herzog Johann-Friedrich von Sachsen eingeweiht und erst im Sarge verlassen. 1625 hatten die Herzoge Wilhelm von Weimar und Friedrich von Altenburg, nach dem Fall Magdeburgs 1631 der Administrator Christian-Wilhelm dort gesessen.) Sein Gefolge blieb in Wien, Henning und Gumpelsheimer im Rathaus, Kaiser "beim Regimentsprofossen allhier" in Gewahrsam. Ihre Aussagen konnten Franz-Albrecht nicht belasten. Im Bestreben, ihren Herrn rein zu waschen, brachten sie sogar recht kindliche Behauptungen vor; so Kaiser, nach dem die Reise zu dem Weimarer den Zweck gehabt hätte, gegen Beschuldigungen der Schweden wegen Ermordung ihres Königs sich zu rechtfertigen. Der Herzog selbst wurde am 26. April verhört. Er hatte durchaus kein Schuldgefühl, vielmehr war ihm schwerstes Unrecht geschehen durch seine Gefangennahme. Bis zu seinem Tode hat er nicht versäumt, alljährlich an dem betreffenden Tage in seinem Notizkalender zu vermerken: "heut' ist es X Jahre, daß man mich kegen Hand und Siegel gefangen genommen hat." Auch Wallensteins gedenkt er am Todestage stets.

Aus seinen Antworten auf die 73 Fragen der Untersuchungskommission ist wenig zu entnehmen. Natürlich stellte er alles in für ihn möglichst günstigem Lichte dar. Von Wallensteins Plänen behauptete er nur zu wissen, daß sie einen Frieden erstrebt hätten. Der Friedländer habe ihm nichts anvertrauen wollen, weil, wie Terzky ihm erzählt, er fürchtete, Franz-Albrecht möchte es "an das Frauenzimmer nach Wien oder Prag" schreiben. Man ließ ihn dann ruhig in Haft, ungeachtet mehrfacher Fürsprache seitens seines Bruders Julius-Franz, des Kurfürsten von Sachsen u. a. Erst, als durch den Prager Frieden 1635 sich die politischen Verhältnisse im Reich grundstürzend verändert hatten, wurde er im Herbst in Freiheit gesetzt.

 













 


 

 

 

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