Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1929



Kurze Baugeschichte der Lauenburgischen Gelehrtenschule.

Von Landesbaurat MENZEL-Ratzeburg.

 

Bei dem Abschluß des Gymnasium-Umbaues lohnt es sich, einen Rückblick auf die bauliche Entwicklung des Gymnasiums zu werfen und zu verfolgen, was aus dem Bau, der am 8. Oktober 1849, also vor 80 Jahren, seiner Bestimmung übergeben wurde, in den Jahrzehnten

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Lbg. Gelehrtenschule in Ratzeburg
 

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geworden ist. Auch von der Gelehrtenschule kann man sagen, daß ihre Räume gewachsen sind mit dem Wachsen ihrer Aufgaben.

Der älteste Bauteil, der noch vor einem Jahr äußerlich klar zu erkennen war, stammt aus den Jahren 1848/49. Er war das neue Heim der im Oktober 1845 gegründeten Lauenburgischen Gelehrtenschule, die nach der Schließung der Mecklenburgischen Domschule als Lauenburgische Anstalt ins Leben gerufen wurde. Direktor Waßner beschreibt in seiner "Geschichte der ersten 50 Jahre der Lauenburgischen Gelehrtenschule" die Vorgänge, die dem Bau des Gymnasiums vorangingen. Zuerst wurde versucht, die Räume der alten Domschule zu benutzen, und erst als dieser Wunsch nach langen Verhandlungen an den Landesgrenzen scheiterte, entschloß man sich zu einem Neubau auf Lauenburgischem Boden.

Es war ein schlichter Bau, der am Lüneburger Tor auf der Demolierung entstand. Die Auswahl der Bauplätze auf der Inselstadt war nicht groß, und man mußte sich mit dem schlechten Baugrund und dem hohen Grundwasserstand abfinden. Schlicht und auf das Sparsamste bemessen war auch die Raumeinteilung. Leider steht kein Bauplan des ursprünglichen Gebäudes zur Verfügung, aber wir wissen aus der oben erwähnten Schrift des Direktors Waßner, daß er 5 Klassenräume, 1 Reserve-Klasse, 3 Bibliotheksräume, 1 Physik-Klasse nebst Sammlungsraum, die Wohnung des Pedellen im Erdgeschoß und 2 Wohnräume und einen Karzer im Dachgeschoß enthielt. Die in der Abbildung dargestellten Grundrisse stammen ihrer Raumverwendung nach aus späteren Zeiten, wahrscheinlich nach 1876. Es sind anscheinend schon kleine bauliche Veränderungen vorgenommen, so ist z. B. das Direktorzimmer von einer Klasse abgeteilt, die Bibliothek ist nicht mehr im Gebäude selbst, und die Tertia bereits geteilt in Unter- und Obertertia. Ferner ist eine Vorschulklasse untergebracht. Das Bauwerk als solches ist auf jeden Fall noch wenig verändert. Der Bau, der unter der Leitung des damaligen Bauinspektors Timmermann und des Baukondukteurs Meyer ausgeführt worden ist, hat eine Bausumme von 14 850 Talern erfordert. Der Betrag wurde bis auf 2000 Taler, die die Stadt Ratzeburg zuschoß, von der Königlichen (Dänischen) Kasse zur Verfügung gestellt.

Bis auf geringe Änderungen hat die Schulleitung lange Zeit mit dem alten Gebäude auskommen müssen. Im Jahre 1896 schienen aber die Zustände unhaltbar geworden zu sein. Der Kreis entschloß sich daher zu einer Erweiterung des Schulhauses durch Anbau eines Westflügels. Auch damals suchte man, sich an die Architektur des alten Gebäudes anzupassen. Der Umbau, durch den wohl eine bedeutende Vermehrung der Räume erreicht wurde, - es wurden 2 neue Klassen, 1 Zeichensaal und eine Hausmeisterwohnung geschaffen, vor allem bekam die Bibliothek das ganze Oberstockwerk zugewiesen, - war organisch insofern nicht ganz glücklich gelungen, als eine Verbindung des alten und des neuen Gebäudes durch Durchführung der oberen Flure nicht erreicht wurde. Aus den Erfahrungen heraus, die man an dem alten Bau gemacht hatte - an diesem hatten sich mit der Zeit Senkungen eingestellt -, gründete man den Anbau auf


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Gymnasium in Ratzeburg
Erbaut 1848/49
 

einem tiefliegenden Schwellenrost. Dieser Umbau hat einschließlich Versetzung des Stallgebäudes 28 819,23 RM gekostet. Aber bereits nach 10 Jahren erwies er sich als ungenügend. Vor allen Dingen zeigte sich, daß der Zeichensaal zu kurz gekommen war. Im Jahre 1908 wurde deshalb das flache Dach entfernt und ein Mansardenstockwerk aufgesetzt, in dem nun der Zeichensaal untergebracht wurde. Dies Mansardenstockwerk veränderte das äußere Bild wenig günstig, und es ist leider auch bei dem letzten Umbau nicht gelungen, es verschwinden zu lassen.

Die Anbauten von 1896 und 1908 hatten eine große Raumvermehrung geschaffen. Jedoch zeigte sich mit der zunehmenden Schülerzahl, besonders nach dem vermehrten Andrang zu den höheren Schulen nach dem Kriege, daß die Klassenräume schon für das Gymnasium allein nicht mehr genügten, ganz abgesehen von den Raumbedürfnissen der Deutschen Oberschule. Die meisten Räume reichten nur für eine Schülerzahl von 20 bis 25 aus. Größere Räume für 30 und mehr Schüler fehlten ganz. Vor allem aber fehlten gänzlich


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Gymnasium in Ratzeburg
Erbaut 1848/49
 

geeignete Räume für die realen Fächer, die in dem Zeitalter der Technik auch auf dem humanistischen Gymnasium immer mehr Raum gewinnen. Als notwendig erwies sich die Schaffung eines Raumes für den Projektionsapparat. Ferner mußten die auswärtigen Schüler und Schülerinnen, die mit Rad, Autobus und Eisenbahn von ihrem
Wohnort täglich zur Schule kommen, geeignete Räume haben zum Aufenthalt in der Zeit von ihrer Ankunft bis zum Schulbeginn. Die Aula war für die Schülerzahl, vor allem für größere Feiern zu klein. Schließlich waren Heizung, Lüftung und Treppenanlage längst nicht mehr zeitgemäß und bedurften dringend einer Verbesserung.

Nach den von der Bauverwaltung im Einvernehmen mit der Schulleitung aufgestellten Entwürfen wurden die Kosten auf 160 000 bezw. 185 000 RM. für ein weitergehendes Projekt festgestellt. Der Kreistag bewilligte 160 000 RM. für den Umbau, beschloß aber zur Lösung der in seiner Eigenart schwierigen Aufgabe, einen Wettbewerb zu veranstalten, zu dem die Architekten Arp-Basedow, Ratzeburg, Bohnhoff-Hamburg und Theede-Kiel aufgefordert wurden. Das Preis-
 

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(Nach dem Erweiterungsbau 1928/29)
 

gericht entschied sich einstimmig für den Entwurf des Architekten Bohnhoff, dem auch die Ausführung der Arbeiten übertragen wurde.

Es ist dem Architekten gelungen, unter möglichster Anpassung an den alten Bau, mit den ausgesetzten Mitteln schön und schlicht das ganze Gebäude umzugestalten. Äußerlich fällt die Veränderung nicht besonders ins Auge, aber die ehemaligen Schüler werden ihre alte Schule im Innern sehr verändert finden und vergeblich nach ihren alten Klassen suchen. Die Abbildungen geben einen Überblick über

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(Nach dem Erweiterungsbau 1928/29)


die Raumverteilung des Obergeschosses. Zunächst wurde Raum gewonnen durch beiderseitige Verlängerung des alten Hauptgebäudes um je 9,13 m, wodurch die Gesamtfläche um rund 263 qm vermehrt wurde. Die Bibliothek wurde nach der Nordseite des Erdgeschosses verlegt und der alte Bibliotheksraum in 3 Klassenräume geteilt. Hierdurch wurden an Stelle der 2 dunklen Zimmer im Erdgeschoß 3 helle Räume an der Westseite gewonnen. Die organische Verbindung des neuen mit dem alten Gebäude durch die durchgehenden Flure, im

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besonderen die Verbreiterung der Haupttreppe, die Erweiterung der Aula durch Einbau eines Podiumraumes und ihre Verbindung mit dem Musikzimmer, ferner der Einbau einer Zentralheizung sowie von Wasserklosetts, die Herstellung eines Duschraumes in Verbindung mit der Turnhalle und schließlich die Beschaffung von großen Räumen für
den Physik-, Chemie- und Biologie-Unterricht, dies alles sind Ändegen [sic!], die den ganzen Schulbetrieb von der räumlichen Enge befreien.

Gleichzeitig mit dem Umbau wurde auch die Erneuerung der Fußböden in einer großen Reihe der alten Klassenzimmer, der Aula und der Flure ausgeführt. Hier hat man nach den modernen Anforderungen der Hygiene die alten Holzfußböden mit Linoleum auf Gipsestrich bezw. Steinholz belegt. Ebenso sind in den neuen Räumen durchweg Linoleumbelege auf Gipsestrich zur Ausführung gekommen, Schließlich hat man die alten eisernen Fenster auf der Südseite, soweit sie noch vorhanden waren, durch hölzerne Fenster ersetzt und die Rundbogen bis auf den Mittelbau des alten Gebäudes entfernt. Die Außen- und Innenanstriche des ganzen Gebäudes wurden erneuert.

Erschwerend für die ganzen Bauarbeiten war die Forderung der Aufrechterhaltung des Schulbetriebes. Durch wiederholte Verlegung der Unterrichtsräume hat die Schulleitung an der schnellen Durchführung der Arbeiten mitgeholfen. Die großen Umbau- und Durchbruchsarbeiten im Treppenhause und in der Aula erforderten jedoch eine Zusammenlegung der Sommer- und Herbstferien.

Wenn auch noch mancher Wunsch unerfüllt bleiben mußte, so muß doch das, was bei den baulichen Umgestaltungen der Gelehrtenschule geleistet wurde, als Tat angesehen werden, die in der Zeit der wirtschaftlichen Not auch Zeugnis von dem Lebenswillen des deutschen Volkes ablegt und beweist, daß das Lauenburger Land den ihm gestellten Aufgaben gewachsen ist.


 


 

 

 

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