Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Zum Münzenfund von Sarnekow.

Von BR. DORFMANN, Altona.
 

Der auf S. 146 ff. dieser Zeitschrift von Herrn Dr. Gerhard veröffentlichte Fund von Sarnekow enthält zwei heimatfremde Witten, die mir zur näheren numismatischen Auswertung zugänglich gemacht wurden. Beide Münzen verdienen, abgesehen von ihrer großen Seltenheit, eine gesonderte Behandlung, einmal, weil es sich um zwar in der Fachliteratur bekannte. aber an entlegenr Stelle und teilweise ungenau edierte Gepräge handelt, weiter, weil die daran anzukünpfenden allgemeinen Bemerkungen für einen nicht ausschließlich numismatisch eingestellten Leserkreis von Interesse sein dürften.
 

1. EDO WYMBKEN, 1355-1410.
Häuptling in den ostfriesischen Landschaften Rüstringen, Oestringen und Wangerland.
Vs. Löwe linkshin (vom Beschauer)
+ MONETA : FREDONIS : W  *)
Rs. Kreuz mit Mittelrosette, in den Winkeln FRDO
+ CAPITANI IN WANGA
Durchmesser 19 mm, Gewicht: 1,065 g. Feingehalt nach der Strichprobe etwa 750/1000 (12lötig).





(Abbildung 1.) **)

[Die Wiedergabequalität der Abbildungen im Originaltext ist gering.
Deshalb wird hier und im Verlaufe des Artikels keine Vergrößerung angeboten.]

 

Den Gedanken, Briefmarken einzuführen, hatte Dr. Ahlmann schon früh; er unterrichtete sich über alles hierauf bezügliche 1849 auf einer Studienreise durch Deutschland

Zur Bestimmung wurden benutzt: Dr. Tergast, die Münzen Ostfrieslands, 1. Teil (Emden 1883), und Dr. Merzdorf, die Münzen und Medaillen Jeverlands (Oldenburg
1862). Beide Werke enthalten nur eine z. T. abweichende Beschreibung, während eine Abbildung in der REVUE DE LA NUMISMATIQUE BELGE, Serie II, T. III. S. 244 - Tafel XII 1 - erfolgt ist. Tergast teilt Edo Wymbken, und zwar unter Bezugnahme auf Merzdorf einen "Dickgroschen" von "11 mm" Durchmesser mit einem nach der Beschreibung unserem Fundstück gleichenden Münzbild zu, allerdings nicht ohne Bedenken, da der auf beiden Seiten erscheinende Name FREDO zunächst nicht auf Edo paßt; fehlerhafte Inschriften auf Witten sind Ausnahmen. Da jedoch ein Häuptling FREDO in keiner der großen Familien Frieslands erscheint, schließt Tergast sich der Annahme Merzdorfs an, daß Fredonis zu erklären sei als FRESONIS EDONIS, also Edos des Friesen. Allenfalls kann nach Merzdorf das FR auch eine Abkürzung für "frye"— NOBILIS (Edelmann) sein. eine Annahme, der gegenüber beide Autoren zwar der ersteren Auflösung den Vorzug geben, die aber m. E. wegen der aus den übrigen friesischen Witten bemerkenswerten Titulaturen wie: CAPITALIS, MILES, DOMICELLUS, DOMINUS, PRAEPOSITUS nicht von der Hand zu weisen ist (NOBILIS selber ist allerdings nicht nachweisbar). Mag dies dahingestellt bleiben, die Zuteilung an Edo Wymbken wird gleichwohl als gesichert gelten.

Nieine auf Grund einer schnell vorzunehmenden Bestimmung des Stückes geäußerte Vermutung, es handele sich um ein unediertes Stück (s. Fußnote S. 149), läßt sich nach näherer Prüfung nicht aufrechterhalten und führt zu der Feststellung, daß der oben erwähnte Typ mit unserem Fundstück identisch ist. Der Fehler liegt darin, daß der von Tergast genannte Durchmesser von 11 mm
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*) Die Wiedergabe der richtigen Buchstabenform (gotische Majuskeln) ist aus drucktechnischen Gründen nicht möglich.
**) Die Aufnahmen der Münzen sind von Herrn Photographenmeister Hannig-Ratzeburg hergestellt worden.


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unrichtig aus Merzdorf übernommen ist, der diesen als "Größe 11" bezeichnet. Dies sind aber nicht mm, sondern Gradeinteilungen nach dem Appel'schen Münzmesser, der in der Zeit vor allgemeiner Einführung des Dezimalsystems zur Größenbestimmung von Münzen diente. Diese "Größe 11" entspricht aber einem Durchmesser von 19 mm, den unser Fundstück auch hat. Zunächst lag übrigens kein Anlaß vor, die Größenangabe Tergasts zu bezweifeln, da, abgesehen von dem für einen Witten viel zu geringen Durchmesser und der ungewöhnlichen Bezeichnung "Dickgroschen", die Annahme nahe lag, es handele sich um eine Nachahmung der westfälischen Dickpfennige von etwa diesem Durchmesser, wie sie in Emden unter Bischof Ludwig II. von Münster (1310-1357) von dessen friesischem Propsten Luert Abdena tatsächlich geprägt sind (Tergast, S. 33)

Als Ergebnis ist hieraus festzustellen, daß unser Fundstück zwar literarisch bekannt ist, aber bisher - da das Stück nicht einmal Tergast im Original vorgelegen hat und Merzdorf nur in einem Stück in einer belgischen Privatsammlung bekannt war - anscheinend nur in eben diesem Stück vorhanden war. Unser Fund hätte damit ein zweites Stück der Nachwelt überliefert.

Der Erläuterung bedarf noch die Umschrift der Münze. Die naheliegende Ergänzung für das W der Vorderseite ist die in den Familiennamen Wymbken, nicht ausgeschlossen jedoch die in WANGARIA;, die Angabe der Landschaft auf beiden Seiten ist bei friesischen Witten nicht ungewöhnlich (Dr. Jesse, der Wendische Münzverein, Nr. 469 ff.) Zweifelhaft kann sein die Deutung des Wortes CAPITANI der Rückseite. Die auf Münzen fast ausschließlich vorkommende Form für Häuptling ist CAPITALIS; in Urkunden und auf einzelnen Münzen des 15. Jahrhunderts wird daneben CAPITANEUS gebraucht. Da der Titel auf den friesischen Münzen meist im Genitiv erscheint (abhängig von MONETA), wäre also CAPITANEI zu erwarten. Wenn nun auch Stempelfehler auf Witten eine Ausnahme bilden und für das fehlende E noch Platz am Schlusse der Umschrift gewesen wäre, so möchte ich doch eine einfache, auf sonstigen Mittelaltermünzen häufige Auslassung von Buchstaben (wie auf der Vorderseite) als das nächstliegende annehmen, zumal hierdurch die Umschrift der Rückseite als Fortsetzung der Vorderseite sich ergibt (Münze Edo’s des Friesens, des Häuptlings in Wangerland). Eine andere Möglichkeit wäre die der Ergänzung in CAPITANIUM (Häuptlingsherrschaft oder -bezirk), die darauf gestützt werden könnte, daß gerade mit Bezug auf Edo in einer von Tergast (S. 35) zitterten Urkunde die Wendung vorkommt: TUNC ELEGERUNT JUDICES EDO WYMBKEN IN CAPITANIUM
(1359, Wahl zum Häuptling von Oestringen und Wangerland, bisher nur in Rüstringen).

Unter Häuptling ist in dem damaligen, eine Art freien Volksstaates bildenden Friesland eine meist von den Volksrichtern (CONSULES, JUCICES) gewählte, gelegentlich auch aus eigener Machtvollkommenheit eine Führerstellung einnehmende Persönlichkeit zu verstehen, deren Machtbereich zwar einen Landdistrikt umfassen konnte, oft aber wesentlich kleiner war und regelmäßig in dem eigenen Grundbesitz seinen Kern hatte. Die ursprünglich vom Kaiser zu verleihende Münzberechtigung dieser ostfriesischen Häuptlinge ist ebenso zweifelhafler Natur wie die mancher anderer geistlicher und weltlicher Münzherren des Mittelalters; sie dürfte auf Herkommen gestützt worden sein, da bereits unter den billungischen Landesherzögen in Jever im 11. Jahrhundert gemünzt worden ist, allenfalls galt sie als Ausfluß der Territorialhoheit. Erst 1454 wird dem Häuptling Ulrich Cirksena anläßlich seiner Ernennung zum Grafen von Ostfriesland das Münzrecht vom Kaiser Friedrich ausdrücklich verliehen. Die Ohnmacht des deutschen Kaisertums und besonders dessen Interessenlosigkeit an den norddeutschen Verhältnissen lassen das Fehlen einer scharfen Aufsicht über die Ausübung des Münzrechts erklärlich erscheinen.

Der Typ unserer Münzen entspricht mit Rücksicht auf die Kreuzform der Rückseite (Vierpaß auf dem Schnittpunkt der Balken) den in den Städten des Wendischen Münzvereins vor 1379 üblichen Witten, womit nicht gesagt ist, daß dieser Witten - da die ostfriesischen Münzherren sich niemals den hansischen Münzrezessen formell angeschlossen haben - auch vor diesem Zeitpunkt geprägt sein muß; er kann auch einige Jahre später entstanden sein, ehe die sog. Sternwitten (seit 1379 bezw. 1381, s. Fundbeschreibung S. 148) im Verkehr außerhalb des Gebietes des Wendischen Münzvereins allgemein bekannt waren.
 

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Das alte Gepräge beizubehalten, erschien sogar vorteilhafter, da die neuen Sternwitten ein etwas geringeres Gewicht und Feingehalt hatten (Jesse S. 89). Das Gewicht des Fundstückes bleibt mit 1,065 g hinter dem Sollgewicht der hansischen Witten vor 1379 von 1,328 g zurück, der Feingehalt, ermittelt nach der allerdings unvollkommenen Strichprobe auf 750/1000 bezw. 12 Lot, entspricht ungefähr dem vorgeschriebenen Feingehalt jener Witten von 12 1/3 bis 12 3/4 Lot. Strichproben können bei Witten schon deswegen einen zu hohen Feingehalt ergeben, weil die Schrötlinge, wie die Urkunden belegen, regelmäßig einem Siedeprozeß mit Weinsteinsäure unterworfen wurden, durch den der Kupfergehalt der Oberfläche entfernt wurde, so daß diese einen höheren Silbergehalt als der Kern aufweist. Ein Einschmelzen zur genauen Ermittlung des Feingehalts, das z. B. bei Hohlpfennigen unbedenklich geschehen kann und mitunter das einzige Mittel zur zeitlichen Festlegung inschriftloser Münzen ist, kommt bei der Seltenheit dieser Münze nicht in Frage. Zu bemerken ist, daß Merzdorf als Metall des Stückes "Billon" angibt, also einen geringeren Feingehalt als bei Witten üblich andeutet.

Auf den letzten Punkt der numismatischen Auswertung des Stückes, die Anlehnung des Münzbildes an ein hansisches Vorbild, soll im Zusammenhang mit der Beschreibung des zweiten Fundstückes eingegangen werden.
 


2. GOTTFRIED III., 1361-1395,
Herr von Heinsberg (Herzogtum Jülich, linksrheinisch),
Graf von Looz und Chity

Vs. Doppelköpfiger Adler
(Rosette) MONETA (Rosette) HENSBER

Rs. Kreuz mit Mittelrosette, darin Punkt
(Helm) DOMINUS ... [drei Punkte übereinander] GODARDS

Durchmesser: 19 mm, Gewicht: 0,932 g. Feingehalt nach der Strichprobe etwa 500-600/1000 (8-9lötig).




(Abbildung 2.)
 

Auch der Typ dieses Witten ist in der Literatur bekannt (Jesse Nr. 459), offenbar aber nur in wenigen Stücken vorgekommen, da er in der 1913 erschienenen Arbeit über die Heinsberger Münzen von J. Menadier: Die Münzen der Jülicher Dynastengeschlechter (Zeitschrift für Numismatik Bd. 30) nicht enthalten ist (Nr. 56 hat eine erheblich abweichende Umschrift). Die Lesung der Umschrift bietet keine Schwierigkeiten. Der Name GODARDUS kommt auch auf anderen Münzen Gottfrieds in der Form GODERTE neben dem üblichen GODEFRIDUS vor. Die Bedeutung der Münze liegt für uns auf einem anderen Gebiete, hierzu bedarf es eines kurzen Eingehens auf die Münzverhältnisse im Mittelalter.

Das Münzrecht bildete in jener Zeit grundsätzlich eine wichtige Einnahmeguelle des Münzherrn, ebenso wie Steuern, Zölle und dergl. (s. auch S. 146 der Fundbeschreibuug). Die moderne Auffassung über die Münzhoheit weicht hiervon insofern ab, als bei Goldprägungen der Nennwert dem inneren Wert bis auf die geringfügigen Prägekosten entspricht, soweit aber Noten ausgegeben werden, diese mit Rücksicht auf die bei der Notenbank liegende Deckung als vollwertige, internationale Zahlungsmittel angesehen werden. Die Ausprägung der Scheidemünzen (Silber, Kupfer und Metallmischungen) bringt nur eine vorläufige Einnahme, insoweit der Ausgabewert den Herstellungspreis (Metall und Prägekosten) übersteigt. Da die Menge der ausgegebenen Scheidemünzen aber in allen Staaten, die ein kreditwürdiges Münzsystem aufrecht erhalten, gesetzlich beschränkt ist (z. B. im Deutschen Reich auf 20 RM. je Kopf der Bevölke-


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rung, bleibt diese Einnahme eine nur auf die Jahre der Ausprägung beschränkte und letzten Endes scheinbare, da die Einlösepflicht des Staates gegen Noten bestehen bleibt (gegen Gold findet im Deutschen Reiche eine Einlösung bis aus weiteres aus naheliegenden Gründen nicht statt). Von einem ständigen Münzgewinn in erheblicher Höhe wird also heute aus volkswirtschaftlichen Gründen abgesehen. Anders im Mittelalter. Wenn nun auch die Erzielung eines mäßigen Münzgewinnes unter Berücksichtigung der mittelalterlichen Verhältnisse nicht zu verurteilen sein wird, so wurde doch tatsächlich das Münzrecht, besonders im späten Mittelalter, von vielen, wenn nicht der Mehrzahl der Münzherren - das böse Beispiel der Nachbarn zwang zur Nachahmung, da sonst das eigene bessere Geld selbst in den Schmelztiegel gewandert wäre - ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen wie Verarmung der Bevölkerung, Kredituntergrabung, Rechtsunsicherheit bei Geldgeschäften von längerer Dauer, in unzulässiger Weise ausgebeutet, und zwar um so ausgiebiger, je größer infolge außerordentlicher Ausgaben durch Krieg, Schuldentilgung und dergl. der Geldbedarf der Münzherren war. Reichsgesetzliche Verbote hatten bei dem geringen Nachdruck, den die Kaiser ihrem Willen geben konnten oder wollten - in den Stammlanden der Kaiser wurden ja die gleichen Finanzkünste betrieben -, wenig oder keinen Erfolg. Auf die verschiedenen hierbei eingeschlagenen Wege kann hier nicht näher eingegangen werden, z. B. jährliche Ausgabe einer neuen Münze unter "Verrufung" der bisherigen, minderwertige Ausprägung des neuen Geldes, zwangsweise Einwechslung der alten Pfennige gegen eine geringere Anzahl neuer Pfennige und dergl. Was uns angeht, ist das sogen. Verfahren des "Beischlages", also die Nachahmung beliebter und als guthaltig bekannter Gepräge unter einem gleichen oder sehr ähnlichen Münzbild in der Absicht, diesem Gelde ein möglichst weites Umlaufsgebiet und dem Münzherrn damit einen größeren Nutzen zu sichern. Diese Voraussetzungen trafen nun auf die Witten der norddeutschen Hansestädte zu, die aus handelspolitischen Gründen auf Vollwertigkeit ihres Geldes bedacht waren, in mehr oder minder großem Gegensatz zu ihren fürstlichen Nachbarn, deren ständige Geldnot eben zu den erwähnten Maßnahmen führte. Außer im Ostseegebiet waren die hansischen Witten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Westfalen und im Rheinland ein sehr beliebtes und den englischen Sterlingen ursprünglich gleichwertiges Zahlungsmittel, wie Funde von Witten - teils ohne, teils mit Gegenstempeln der westfälischen Städte als Zeichen der Nachprüfung der Vollwertigkeit - neben dem einheimischen Gelde, ferner Urkunden und Valvationen belegen· Ein weiterer Beweis ist der, daß manche Münzherren dieses Gebiets, z. B. die Grafen von Oldenburg, Hoya, Berg, Sayn, Limburg, die Herren von Diepholz, Heinsberg und von Randerath sowie mit gewisser Einschränkung auch die ostfriesischen Häuptlinge, Wittentypen von Lübeck, Lüneburg und Hamburg selbst nachprägten, wobei sie das damals in einer Zeit, als Lesen und Schreiben den weitesten Kreisen unbekannt war, wichtige Münzbild genau nachahmten und lediglich in der Umschrift die Heimat des Stückes angaben, wohl um für alle Fälle bei Beschwerden ein allerdings fadenscheiniges Rechtfertigungsmittel zu haben. Welche Vorbilder nun unseren beiden Witten gedient haben, ist unschwer zu erkennen, wenn man die gleichzeitig im Funde vertretenen Witten von Lüneburg (Abb. 3) und Lübeck (Abb. 4) mit

 



(
Abbildung 3.)




(Abbildung 4.)


ihnen vergleicht. Der Doppeladler ist keineswegs das Wappentier der Herren von Heinsberg, es ist der kaiserliche Doppeladler, den Lübeck als CIVITAS IMPERIALIS führte. Der Löwe mit einer um den Hals gelegten umgekehrten Krone gilt freilich als Wappen der Häuptlinge von Rüstringerland bezw. der Herrschaft Jever; aber abgesehen davon, daß die Krone weder auf unserem

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Fundstück erkennbar ist, noch dies auf anderen der Kleinheit wegen sein dürfte, erscheint die Ähnlichkeit mit dem weithin bekannten Lüneburger Löwen so auffällig, daß sie Edo bei der Wahl eines für ein weiteres Umlaufsgebiet geeigneten Münzbildes mindestens sehr gelegen kam. Zu beachten ist weiter die Raumfüllung der Kreuzwinkel mit Buchstaben, die bei oberflächlicher Betrachtung von den vier kleinen Löwen des Lüneburger Stückes kaum zu unterscheiden sind, besonders aber der Umstand, daß Edos Nachfolger Sibet Papinga (1410-1433) auf seinen Witten den ab 1403 geprägten Lüneburger Wittentyp (beiderseits Löwe) trefflich nachgeahmt hat (Tergast S. 154). Wir können also unbedenklich annehmen. daß die beiden Stücke zusammen als gleichwertig mit ihren Vorbildern in Zahlung gegeben werden sollten und gegeben worden sind. Da der Anteil der Eindringlinge an dem gesamten Geldumlauf aber nur ein geringer gewesen ist - unser Fund bestätigt dies -, kann der den Städten Lüneburg und Lübeck zugefügte Schaden nur unerheblich gewesen sein, und, soweit ich sehe, sind Verbote gerade dieser Beischläge in den Städten des Wendischen Münzvereins oder gar Anklagen bei dem Reiche nicht erfolgt; ihnen wäre auch, trotz des grundsätzlichen Verbots der Beischläge, wenig Erfolg beschieden gewesen.

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Zu prüfen bleibt noch, ob beide Münznachahmungen als ausgesprochen betrügerische anzusehen sind (soweit dies nicht schon aus der Tatsache des Beischlages selbst hervorgeht). Hierbei sind entscheidend die oben festgestellten Feingehalts- und Gewichtsangaben. Der bereits erwähnte Gewichtsunterschied zwischen dem friesischen Witten und dem Sollgewicht der hansischen Witten vor 1379, das diese selbst aber auch nicht immer erreichen und das schon 1381 bezw. 1387 auf 1,26 g verringert wird, ist kein Beweis für eine betrügerische Absicht, soweit aus einem Stück überhaupt Schlüsse gezogen werden können. Der Unterschied kann sehr wohl aus der sogenannten AL-MARCO Prägung zu erklären sein, bei der es mit Rücksicht auf das damalige unvollkommene technische Verfahren bei der Ausstückelung der Schrötlinge genügte, wenn eine bestimmte Anzahl Münzen die aus einer Mark Silber (Gewicht etwa 233 g) herzustellende Menge ergab, mochten auch einzelne Stücke über oder unter dem durchschnittlichen Gewicht bleiben. Das Gewicht des Heinsberger Witten mit 0,982 g deutet dagegen auf eine absichtlich zu leichte Ausprägung hin, deren Gewinn durch den schlechten Feingehalt von nur 8-9 Lot gegenüber mehr als 12 Lot der hansischen Witten noch vermehrt wurde. Wir haben es also hier mit einem ausgesprochen betrügerischen Beischlag zu tun, bestimmt für den Umlauf in Westfalen und im Rheinland, während für das erstere Stück Jesses Feststellung (a. a. O. S. 98), die friesischen Witten seien in freier Anlehnung an den hansischen Wittentyp geprägt, bestätigt wird. Dies entspricht der Erfahrung, daß, je weiter der beischlagende Münzherr von der Heimat des Vorbildes entfernt war, er umso unbekümmerter den Münzhammer schwingen ließ.

 



(
Abbildung 5.)

[Die Wiedergabequalität der Abbildung im Originaltext ist gering.
Deshalb wird keine Vergrößerung angeboten, statt dessen:]



 

Nun noch einige Nachträge zu anderen Münzen des Fundes. Rostocker Dreilinge (Abb 5: Vs. * MONETA : ROSTOCKES, Rs. * CIVITAS : MAGNOPOL (ENSIS), beiderseits Greif linkshin im Schild) sind in einer Anzahl von 8 Stück bisher in einem Funde nicht aufgetreten, obgleich der förmliche Anschluß der Stadt an den Rezeß von 1392 (abgedruckt: Jesse, Quellenbuch zur Münz- und Geldgeschichte des Mittelalters Nr. 308), und zwar auf die Dauer von 6 Jahren ein häufigeres Erscheinen dieser sehr seltenen Münze erwarten
 

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ließe. Nach Dr. O. Oertzen, Die Mecklenburgischen Münzen des Großherzogl. Münzkabinetts (II. Teil, die Wittenpfennige S. 89) ist der Dreiling im Schweriner Kabinett derzeit (1902) nicht vertreten und nur in dem Wittenfunde von Ruhwinkel in einem Stück enthalten gewesen; zwei im Katalog Schellhaas verzeichnete Varianten deuten darauf hin, daß gelegentlich weitere Stücke, deren Verbleib nicht bekannt ist, aufgetaucht sind. Die offenbar sehr spärliche Ausprägung der Dreilinge in Rostock (Sechslinge sind überhaupt nicht bekannt) wird durch die Lüneburger Valvationstabelle um 1440 (Jesse, Quellenbuch Nr. 365) bestätigt, der unter den hauptsächlichsten hansischen Münzen seit 1379 auch Dreilinge von Lübeck, Lüneburg, Hamburg und Wismar, nicht aber solche von Rostock, angehängt sind. Wir müssen bei dem Versagen der urkundlichen Quellen hinsichtlich des tatsächlichen Umfanges der Ausprägungen in jener Zeit einen wegen genügenden Vorrats älterer Münzen aus Silbermangel (den der Rezeß bereits in Betracht zieht) oder sonstigen Gründen nur einmaligen Schlag dieser Dreilinge annehmen, weniger, wie in der Fundbeschreibuug (S. 149) vermutet wird, eine Zurückhaltung in der Annahme dieser Münzsorte wegen Minderwertigkeit. Durch den Anschluß an den Rezeß von 1392 war Rostock zur Innehaltung des vorgeschriebenen Schrotes und Kornes verpflichtet. Abweichungen waren unter Strafe gestellt und kommen auch sonst unter den an Rezessen beteiligten Städten in erheblichem Maße und in betrügerischer Absicht kaum vor. Kleinere Unterschiede im Gewicht und Feingehalt, die wohl meist durch das unvollkommene technische Verfahren bedingt waren, werden zwar gelegentlich bei Probierungen festgestellt, können aber den Wert der Geldstücke im Kleinverkehr nicht beeinflußt haben.

 




(
Abbildung 6.)
 

Eine gewisse Vorsicht war dagegen dem holsteinischen Gelde gegenüber angebracht, das nur in den beiden Flensburger Dreilingen (Abb. 6: Vs. * MONETA HOLSACIE, Rs. * CIVITAS FLENSBURGEN, beiderseits Löwenschild) vertreten ist, obgleich Wittenprägungen auch in Flensburg, Kiel, Itzehoe, Rendsburg, Oldesloe und dem 1398 in einer Sturmflut untergegangenen Neustadt a. Elbe erfolgt sind. Wenn auch die Flensburger Dreilinge äußerlich in Anlehnung an den Typ des Rezesses von 1392 (beiderseits Stadtwappen) geprägt sind, so war doch wegen des Nichtanschlusses Flensburgs eine Gewähr für den Feingehalt nicht gegeben, und es konnte die durch Urkunden und Münzen bezeugte Minderwertigkeit der zeitlich etwas früheren Witten im Verkehr wohl mit Recht auf die Dreilinge, die übrigens von den anderen holsteinischen Städten nicht geprägt sind, übertragen werden. Bemerkt sei noch, daß die Umschrift der Dreilinge ebenso wie die der Witten die Zugehörigkeit zu der schauenburgischen Grafschaft Holstein betont, während an sich eher ein Hinweis auf das als dänisches Lehen geltende Herzogtum Schleswig zu erwarten wäre. Die Zusammengehörigkeit Schleswigs und Holsteins war aber in jener Zeit so selbstverständlich, daß sie ohne Einwendungen der dänischen Krone auch in den Münzaufschriften zum Ausdruck gebracht wurde.
 

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Zu dem gesamten Fundinhalt sei bemerkt:
Mit der Einführung der Sechslinge und Dreilinge als Vereinsmünze durch den Rezeß von 1392 war ausnahmsweise die Anordnung verbunden, das bisherige Geld, also hauptsächlich Witten, bis zu einem bestimmten Termin (24. Juni 1392) gegen die neuen Münzen einzuwechseln. Dies war keineswegs eine dem obenerwähnten "Verrufen" gleichzuachtende Maßnahme, da sich die Städte des Wendischen Münzvereins von den auf diese Weise leicht zu erzielenden Münzgewinnen grundsätzlich fernhielten. Näher liegt die Annahme,
 

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daß die Ersetzung der 4 Pfennigstücke durch solche von 3 und 6 Pfennigen eine endgültig beschlossene Sache sein sollte (tatsächlich sind allerdings noch 1398, 1403 und 1410 Witten nach leichterem Fuß geschlagen). Wie dem auch sein mag, unser Fund zeigt, daß die Witten doch noch einen starken Teil des Geldumlaufs nach 1392 ausmachten, während das Verhältnis der als eine Art Scheidemünze geltenden Hohlpfennige zu dem "groben Geld" hier nicht in Betracht kommt.

Als auffällig ist in der Fundbeschreibung mit Recht bezeichnet das Auftreten von nur 5 hamburgischen Sechslingen neben 89 lübischen. Der Rezeß sah vor, daß jede der beteiligten 5 Städte für 1000 Mark Sechslinge und Dreilinge "zu gleichen Teilen" prägen sollte. Hiermit steht nun die Fundzahl der Sechslinge, die von Lüneburg, Wismar und Rostock überhaupt fehlen, in starkem Widerspruch. Bei den Zufälligkeiten, von denen aber jede Fundszusammensetzung abhängig ist, wird hieraus noch nicht der Schluß zu ziehen sein, daß entgegen der genannten Vorschrift Sechslinge und Dreilinge nicht zu gleichen Teilen geprägt sind. Da der Rezeß einen Feingehalt von 12 Lot für beide Münzsorten vorsah, lag an sich kein Anlaß vor, die Dreilinge in größerer Zahl als jene auszuprägen, zumal die Prägekosten hierbei größer waren. Aber das häufig im Laufe der Münzgeschichte zu erkennende Bestreben, des Vorteils wegen doch lieber mehr kleine als große Münzen auszuprägen, dem auch die damaligen Rezesse mehrfach entgegentreten, muß hierbei eine Rolle gespielt haben. Die Vermutung wird bestärkt durch das spärliche Vorkommen der hamburgischen Sechslinge in den Sammlungen und im Handel, durch die ausgesprochene Seltenheit der Lüneburger und Wismarer sowie das gänzliche Fehlen der Rostocker Sechslinge. In der oben erwähnten Valvationstabelle wird der Feingehalt der fraglichen 4 Dreilingssorten auf 11 1/3 Lot angegeben. Vielleicht stammt ein Teil der Dreilinge und Sechslinge des Fundes aus der Zeit vor 1392, während deren Hamburg und Lübeck bereits 12lötige Dreilinge ohne rezeßmäßige Vereinbarung geprägt haben, daneben aber, wenigstens Lübeck, auch 14lötige Sechslinge. Daß man diese bessere Münzsorte spärlicher ausprägte, zumal die lieben Nachbarn es nicht taten, wäre dann verständlich. Jedenfalls würde unser Fund, der ja ausnahmsweise in seinem ganzen Umfange zur Bearbeitung vorliegt, für eine künftige Entscheidung in dieser Frage, die nur auf Grund einer größeren Anzahl von Funden möglich ist, einen wichtigen Beitrag liefern.

Festzustellen bleibt noch das vollständige Fehlen von Goldmünzen in unserem Funde, die seit 1340 in Lübeck als Dukaten nach florentiner Vorbild, wenn auch nicht regelmäßig, geprägt sind. Die auf S. 151 der Fundbeschreibung angedeutete Herkunft des Schatzes kann hierfür wohl den Grund bilden. Der 1906 gehobene, einige Jahrzehnte jüngere, aber ähnlich wie der vorliegende zusammengesetzte Fund von Elmenhorst b. Schwarzenbek enthielt neben rheinischen Goldmünzen eine Anzahl Lübecker und Lüneburger Dukaten bezw. Goldgulden.

Wir sehen, daß unser Fund Beiträge zu mancherlei Fragen bringt, deren restlose Klärung noch nicht möglich ist, und wie sich mit Hilfe der Münzen ein Einblick in die Geschichte und das Wirtschaftsleben früherer Zeiten tun läßt. Manches ist hierbei ausführlicher dargestellt, als es in einer numismatischen Zeitschrift nötig wäre. Wenn vorliegende Zeilen diesen oder jenen Leser, der bisher in der Beschäftigung mit Münzen eine Absonderheit oder ein Anhäufen "toter Schätze" erblickt hat - sie sind vielmehr beredte, lebendige Zeugen der Vergangenheit unserer Heimat, und was den materiellen Wert anbelangt, so wird dieser häufig weit überschätzt -, veranlassen würde, sein Urteil nachzuprüfen und gar sich selbst mit der Münzkunde eines ihm zusagenden Gebietes (es gibt deren viele) zu befassen, wäre ein Nebenzweck dieses Aufsatzes erreicht; auf die in jedem der lauenburgischen Heimatmuseen ruhenden Münzreihen sei hierbei Bezug genommen.
 


 


 

 

 

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