Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1931



Das Schicksal der lauenburgischen Stiftungen in Schlackenwerth.

Von HELENE HÖHNK.

 

Die letzten Herzöge von Sachsen-Lauenburg waren katholisch und wohnten nicht mehr in ihrem Erbland. Herzog Julius-Heinrich hatte vom Kaiser für die ihm im dreißigjährigen Kriege geleisteten Dienste die Herrschaft Schlackenwerth in Böhmen erhalten.

Julius-Heinrich war der zweite Sohn des Herzogs Franz des Zweiten aus seiner Ehe mit der braunschweigischen Prinzessin Marie, die er nach dem frühen Tode seiner ersten Gemahlin, einer pommerschen Prinzessin, geheiratet hatte. Julius-Heinrich besuchte mit seinen Brüdern die Universität Helmstedt, trat zuerst in schwedische und dann in kaiserliche Kriegsdienste. In Wien vertauschte er auch den lutherischen Glauben mit dem katholischen Bekenntnis, was ihm am kaiserlichen Hofe zu großem Ansehen verhalf. Nach dem Tode seiner kinderlosen Brüder August und Franz-Julius wurde er 1656 regierender Herzog von Lauenburg. Er war dreimal verheiratet, hatte aber nur aus den letzten beiden Ehen Kinder. Seine letzte Gemahlin Anna Magdalena von Lobkowitz brachte ihm

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weitere Besitzungen in Böhmen zu, und da er sich als Katholik in Böhmen wohler fühlte als in dem angestammten nordischen Herzogtum, so erwählte er Schlackenwerth zu seiner Residenz. Er erbaute ein neues prächtiges Schloß und ließ einen Park nach dem Muster von Versailles anlegen.

Nach dem Tode des Herzogs Julius-Heinrich 1665 gründete seine Witwe zu seinem Gedächtnis ein Piaristenkloster, das der Erziehung der Jugend gewidmet war. Seinen großen Ruf in der katholischen Welt aber erhielt das Kloster durch das Muttergottesbild MARIATREU. Als Julius-Heinrich und seine Gemahlin im Jahre 1654 in Lauenburg weilten, besuchten sie im benachbarten Lüneburg das Kloster Ebsdorf, das nach der Reformation in ein adliges Fräuleinstift umgewandelt worden war. Anna Magdalena besichtigte bei dieser Gelegenheit auch die Klosterkirche und gewahrte in der Sakristei das zurückgestellte Muttergottesbild. "Da es sie anzulächeln schien", wie uns die Schwestern erzählten, erbat sie es sich als Geschenk und erhielt es auch durch den Einfluß des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg. Sie brachte das Bild mit nach Schlackenwerth und stellte es in ihrem Zimmer auf als Gegenstand höchster Verehrung. Nach dem Tode ihres Gemahls ließ sie es aber aus "unsäglicher Liebe und Trauer" in die neu erbaute und vom Fürstbischof Grafen Harrach eingeweihte Gruftkapelle der fürstlichen Familie bringen. Von hier kam es 1674 in die neu erbaute Klosterkirche, und die gläubigfromme Verehrung, die dem Gnadenbilde gewidmet wurde, nahm von Jahr zu Jahr zu. "Die Gnade, die von dem Bilde ausginge", sagte uns die fromme Schwester, "wäre allzeit wunderbar gewesen und grenze noch an Wunder".

Als wir fragten, worin diese Wunder beständen, erzählte sie: "Als im Jahre 1691 Fürst Ludwig Wilhelm von Baden, kommandierender General aller kaiserlichen Truppen, die in Ungarn gegen die Türken kämpften, seiner Gemahlin Franziska Sybille Auguste von Sachsen-Lauenburg aus dem Lager nach Schlackenwerth schrieb, daß alle Anstalten zur Schlacht bereits getroffen seien, tat die Fürstin vor dem Gnadenbilde das Gelübde, ihm einen prächtigen Altar zu bauen, wenn die Christen siegen würden und ihr Gemahl am Leben erhalten bliebe. Bald darauf, am 19. August 1691, wurden die Türken bei Salankemen entscheidend geschlagen, die Herzogin erhielt diese Botschaft, während sie an der Tafel saß. Sie stand sofort auf vom Essen und begab sich zu dem Gnadenbilde, dankte Gott für den großen Sieg und das Leben des Gemahls. Am andern Tage traf sie sofort Anstalten zur Aufführung des Altars, der aber erst 1693 vollendet wurde." Und in den Jahren 1854, 1855 und 1856 wendete das  unerschütterliche Vertrauen zur Gnadenmutter "Mariatreu" nicht allein verderblichen Hagelschlag, sondern auch eine Feuersbrunst von dem Kloster ab, obwohl sie fast den ganzen Ort verzehrte. So erzählte die Schwester, während wir etwas ungläubig vor der mit weißem Atlas bekleideten Muttergottes standen.

Den Namen "Mariatreu" erhielt das Bild im Jahre 1726, als der Ordensgeneral der Piaristen der Jugend der Anstalt empfahl, eine Bruderschaft zur getreuen Jungfrau zu stiften, weil das Bild gar zu wundertätig und köstlich wäre. Die Bruderschaft wurde von Rom bestätigt und die Anbetung und Verehrung des Bildes immer größer.

Das Piaristenkloster hat mit einigen Unterbrechungen bis 1896 bestanden, und es sind viele Priester und wissenschaftlich gebildete Männer aus der Anstalt
hervorgegangen, die der Kirche und dem Staat gedient haben. Seit dem Jahre 1897 ist das frühere Piaristengymnasium in ein Töchterpensionat umgewandelt
worden. Die Unternehmerin war Schwester Ambrosia Peters aus Tetschen, die mit Genehmigung und Unterstützung des Weihbischofs Dr. Frind zu Paderborn das Klosterareal von der Stadtgemeinde zurückerwarb und die Anstalt gründete.

Eine der Schwestern, die wir bei unserm Besuch des Klosters antrafen, war mit Schwester Ambrosia nach Schlackenwerth gekommen, um ihr bei der ersten Einrichtung zu helfen. Sie erzählte, in welchem Zustande sie das Kloster übernommen hätten. Besonders verwahrlost wäre die Gruftkapelle gewesen. Deshalb hätte Schwester Ambrosia zunächst Sorge getragen, die Gebeine der frommen Stifter sammeln und beerdigen zu lassen. Sie wären der kostbaren Metallsärge beraubt gewesen und hätten in der Gruft herumgelegen zu grauenvollem Anblick.

Das Piaristenkloster besaß eine wundervolle Bibliothek, die zum größten Teil auch von der Gemahlin des Herzogs Julius-Heinrich gestiftet worden war. Als größten Schatz der Sammlung liebte Anna Magdalena den Pergamentkodex


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mit der Legende der heiligen Hedwig, Herzogin von Schlesien, die zu ihren Ahnfrauen gehörte. Die Bibliothek befand sich im ersten Stock des Klostergebäudes, in dem sich jetzt die Schlafstuben der Zöglinge befinden. Wir sahen den mit schöner Stuckatur verzierten Raum. Die Büchersammlung ist, während die Stadt im Besitze des Klosters war, verkauft worden. Aus dem Erlös wurde eine städtische Wasserleitung angelegt - vom Nützlichkeitsstandpunkt aus gesehen, gewiß nicht zu verachten. Der Kodex der heiligen Hedwig taucht hier und da noch wieder in Antiquariatskatalogen auf und geht von einem Privatbesitz in den andern über.

Das Klostergebäude ist aus der Zeit der Stiftung pietätvoll erhalten geblieben. Es ist ein stattliches eindrucksvolles Gebäude, von schönen Gartenanlagen umgeben. Es liegt am Abhange des Erzgebirges, der, mit Laub- und Nadelwäldern bedeckt, ein herrliches Panorama bietet. Als in der Pfingstzeit 1924 der 250. Jahrestag der Übertragung des Gnadenbildes in die Kirche gefeiert wurde, erlebte das Städtchen Schlackenwerth erhebende Tage. Von weit und breit waren die Gläubigen gekommen, einzeln und in ganzen Wallfahrer- und Pilgerzügen. Die Schwestern erzählten uns davon und sonnten sich noch in dem Glanz der gewesenen Feierlichkeiten. Die Oberschwester sagte in ihrer sanften, frommen Art: "Es lag so viel Sonnenschein auf dem Gnadenbild. Wer ihn gesehen hat, bleibt gesegnet sein Leben lang."

So gesegnet wie das Kloster ist das Schloß nicht gewesen. Es ist mehrfach abgebrannt und wohl stets nur notdürftig hergestellt worden, so daß es keinen einheitlichen Stil aufweist. Es sieht aber immerhin recht stattlich aus. Der Schloßpark ist noch gut erhalten und gewährte im ersten Frühlingsschmuck einen bezaubernden Anblick. Er ist rings von einer Mauer umgeben, und ein Wässerchen, wohl ein Nebenfluß der Eger, fließt an ihm vorüber.

Seine Glanzzeit erlebte Schlackenwerth unter Julius-Franz, dem Sohn und Nachfolger von Julius-Heinrich. Er war sehr prachtliebend und entfaltete namentlich bei fürstlichen Besuchen großen Aufwand. Im Jahre 1671 weilte der Kurfürst Johann von Brandenburg in Schlackenwerth, und 1678 überbrachte ihm Kaiser Leopold persönlich das Diplom zum Titel "Durchlaucht". Julius­Franz bewirtete den Kaiser drei Tage hindurch, zuerst als Reichsfürst, dann als Feldmarschall und zuletzt als böhmischer Vasall.

Julius-Franz betrieb dem Geiste der Zeit entsprechend alchimistische Studien. Ganz besonders aber lockte ihn das Geheimnis des Rubinflusses, zu dessen Lösung sich ein Heer von Abenteurern bei ihm einfand. Eine Sammlung wunderschöner Rubingläser aus Schlackenwerth befindet sich im Prager Nationalmuseum. Sie werden wohl von Julius-Franz herstammen und entweder von den letzten Besitzern veräußert oder nach der Revolution beschlagnahmt sein.

Außer Alchimisten und Rubinglasmachern hielt Julius-Franz sich verschiedene Hofmaler, die nicht allein die "Konterfeite" des Fürsten und seiner Hofgesellschaft anfertigten, sondern auch eine Familiengeschichte des askanischen Stammes mit vielen schönen Miniaturen herstellten. Das auf Pergament künstlerisch ausgestaltete Manuskript soll sehr schön und historisch wertvoll gewesen sein. Es wurde früher im Schloßarchiv aufbewahrt.

Nach Julius-Franz' Tode erbte seine jüngste Tochter Franziska Sybille Auguste die Herrschaft Schlackenwerth. Sie war mit dem kaiserlichen Feldmarschall Grafen Wilhelm von Baden-Baden verheiratet und stiftete, wie schon erzählt worden, den Hochaltar zu dem Gnadenbilde Mariatreu. Die Badener Zeit währte von 1689 bis 1787. In diesem Jahre fiel Schlackenwerth an die Nachkommen der ältesten Tochter von Julius-Franz, die Herzöge von Toskana, die seit 1859 [sic!] in Schlackenwerth residierten. Sie waren, wie mir berichtet wurde, ebenfalls Wohltäter der Stadt und des Klosters, gingen aber trotzdem und obwohl sie längst nicht mehr souverän waren, wie alle zum habsburgischen Hause gehörigen Fürsten, ihres Besitzes verlustig. Sie sollen, wie mir aus Prag geschrieben wurde, das Schloßarchiv mitgenommen haben. Die Bilderhandschrift zur Geschichte des askanischen Hauses dagegen soll schon vor dem Kriege an die Herzöge von Anhalt gekommen sein, die ja auch die nächstberechtigten Erben waren.

Ein Teil der fürstlichen Bilder, die den Bibliotheksraum schmückten, sind von dem Erzherzog Johann Nepomuk, der sich später nach seinem Schlosse bei Gmunden Johann Orth nannte, weggeführt worden. Ich habe auch in Wien nicht erfahren können, wo sein Nachlaß geblieben ist.
 





 

 

 

 

 

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