Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1931


 


Einführung der Reformation im Lande Hadeln unter Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg.

Von KONRAD HAASE.

Über das kirchliche Leben im Mittelalter erfahren wir in den wortkargen Quellen unserer Heimat nur wenig. Indes erzählt uns eine alte Juratenrechnung, die in der Registratur zu Altenbruch aufbewahrt wird, daß am Michaelistage 1526 auf Befehl des Herzogs Magnus Herr Andreas Garding, Kirchherr zu Altenbruch, die erste evangelische Predigt mit großem Beifalle gehalten hat, worauf die deutsche Messe eingeführt, auch das Sakrament unter beiderlei Gestalt den Kommunikanten gegeben wurde. Diesem löblichen Beginnen in Alten-

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bruch folgten bald die übrigen Kirchspiele des Landes Hadeln, "und hat sich seit der Zeit das ganze Land beständig zur evangelisch-lutherischen Religion bekannt, auch darüber nachher viele herrliche Privilegien von der landesherrlichen Obrigkeit nach und nach empfangen. Damit alles ordentlich zugehen möchte, waren vorher schon, am Tage Mariä Heimsuchung. zwei Visitatores gesetzet, welche jährlich Kirchen-Visitation halten, und auf der Kirchen-Diener Lehre und Leben ein wachsames Auge haben sollen, weshalb sie auch später zu Beisitzern des Consistorii des Landes Hadeln erhoben worden sind." Im selbigen Jahre erhielt Hadeln auch von dem Herzog Magnus eine neue Kirchenordnung. Das Original dieser Kirchenordnung ist aber leider abhanden gekommen.

Die katholische Kirche hatte außer der Besetzung der Pfarrstellen auch für Pflege des Gemeinschaftsgefühls, der Barmherzigkeit und froher Geselligkeit Einrichtungen getroffen, die nach Einführung der Reformation zum Teil eingeschlafen zu sein scheinen. Eine ungedruckte Handschrift, das Landbuch des Landes Hadeln im Staatsarchiv in Hannover, enthält ausführliche Register über die Einkünfte der verschiedenen Gilden und Bruderschaften in den Hadeler Kirchspielen. Die ursprüngliche Aufgabe dieser Gilden war, kirchlichen und wohltätigen Zwecken zu dienen. So zogen sie mit ihren Bannern geschlossen in den Prozessionen an den hohen kirchlichen Festen mit, gaben den Gottesdiensten ein gewisses Gepränge, sorgten für Beleuchtung und Schmuck der Altäre, geleiteten ihre verstorbenen Mitglieder zu Grabe und fanden sich nach allen diesen Gelegenheiten gesellig zu Speise und Trank zusammen. Nebenbei dienten die Gilden der gegenseitigen Hilfeleistung, liehen Kapitalien aus, wie die vielen Renten im Verzeichnis beweisen, und gaben Vorschüsse in schweren
Zeiten.

Im Jahre 1529 ließ Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg durch seinen Bruder, den Erzbischof Johann von Hildesheim, der aus seinem Stifte vertrieben war, die sämtlichen Kirchen visitieren und besonders die Kirchengeschworenen über die Einkünfte der Kirchen Rechnung ablegen, da nach der unruhigen Zeit der Glaubenserneuerung und Einführung des neuen Kirchenregiments, das der Landesfürst sich anmaßte, manches verschleudert oder verschleiert zu werden drohte. Bei dieser Gelegenheit rechnete der Bischof auch mit den Vorstehern und Geschworenen der Gilden ab, deren Zahl in den einzelnen Kirchspielen ganz ansehnlich ist. Es werden genannt die Kalandsbruderschaft in Otterndorf, benannt nach ihren Zusammenkünften am Anfang des Monats, den Kalenden. Sie bezog Renten aus allen Kirchspielen und sogar aus Altenwalde und Groden. Dann folgen vier Gilden in Altenbruch, nämlich Mariä Rosenkranz, des heiligen Geistes, des heiligen Kreuzes und der elenden Brüderschaft u. a. m. Diese Gilden gaben ihre ganzen Einkünfte, Kapitalien und Renten in den Gotteskasten der Kirche. Ob sie sich später aufgelöst haben, wird nicht berichtet.

Im Jahre 1529 am 17. Juni ließ der Erzbischof, Bruder des Herzogs Magnus, durch Lüder Schacken, Otto von Münnickhausen, Vogt zu Ratzeburg, und Meister Friemann den zehnten Pfennig vom Lande Hadeln fordern, und die Landschaft hat hierauf, nach getroffenem Vergleiche, von jedem Morgen Landes vier Schillinge gegeben.

Am Donnerstag nach Antoni 1530 ließ Herzog Magnus durch seinen Rat Ludolph Schaken und den Sekretarius Nicolaus Lüttkens bei der gesamten Landschaft anhalten, ihm auf DREI Jahre alle Einkünfte von den Kirchengilden, Brüderschaften und Kalandengütern zum Neubau des abgebrannten Schlosses zu Otterndorf zukommen zu lassen. Die Landschaft bewilligte hieraus dem Herzog solche Gelder auf EIN Jahr, mit der Bedingung, daß solche in zwei Terminen bezahlt würden.

Es ist nicht bekannt, ob auch für diese Hadeler Gilden die Klage stimmt, daß ihre Zusammenkünfte auf üppige Schmausereien, "große Gastbott, darauf sie bisweilen zu etlichen hundert Mark verzehren", (Finder, I Die Vierlande S. 30) hinausliefen.

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Ein helles Licht auf die eigenartigen Verhältnisse jener Übergangszeit wirft folgender aus Otterndorf vom 3. September 1530 datierter Brief der Kirchherren und Vikare im Lande Hadeln an den Herzog Magnus von Lauenburg.


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"Durchluchtige hochgeborne furst unde herre. Juwen furstliken gnaden sind unser innige bede tho dem alweldigen gade neffenst unßernn gehorßamen underdanigen und gantzwilligen densten alletydt mit hogestem vlite thovorn bereyth. Gnedige furste und here, alß J. f. g. unns gnediglikenn hebben furholden lathen, wo durch den werdigen unnd erbarn Ludolphum Klenken Archidiacon unnd Doemhern tho Bremen an J. f. g. gelangt, dat wy neine approbationes testamentorum nehmen. Ock tho unßes gnedigen hern des Ertzbischoffs tho Bremen hohen Senten 1) nicht entkamen. Dar tho unßer thom deile den gulden vor absentien gelt nicht entrichtet. Dergeliken ock de abzentias synodales schuldich gebleven und alßo allenthalven ungehorsamlik befunden schollen warden, hebben wy neffenst wydernn underricht nha der lenghe angehoret, unns ock darup underredet unnd willen J. f. g. henwedder in aller demoth und underdanicheit angetoget 2) hebben, dat wy unns jegen hochgedachten unsern gnedigen hern van Bremen unnd hern Ludolff Klenken der oberorthenn stucke halven nie anderß dan alße de gehorsamen und guthwilligen geholden. Dergliken syn wy ock henfurder tho doende genegt in alle den jennen dar tho wy na cristliker ordeninge vorpflichtet syn, und so hoch sick unser vermogen gestrecket, der trostlikenn hogeninge und thoversicht, dat wy ock hirentbaven mit billicheit nicht mogen beswerth werden. Wy willen ock gar demodich in aller underdanicheit un upt vlitigeste gebeden hebbem J. f. g. willen unß aver duth unßer gelikmetiges und cristlik erbedenn wider nicht besweren lathen, ßondern unßer gnedige herre syen und bliwen, wy wy uns des und aller guden tho J. f. g. gentzliken vertrosten. Dat willen wy in sampt und beßondern alße de gehorßamen underdanichen unßers hochsten vormogens alle tydt willich und gernn vordenen.

Geschreven ieich Otterndorf Sonnavends nha Epidi abbatis.
Anna domini 1530.

J.f.g.
underdenige und gehorßame Capellan und kerckherrn
und VICARIEN im Lande tho Hadelenn."

Zur Erklärung des vorstehenden Briefes noch einige Bemerkungen!

Mit der Einführung der neuen Lehre war das Band mit dem Erzbischof von Bremen und den Geistlichen von Hadeln durchaus nicht gelöst. So wunderbar das auch auf den ersten Blick erscheinen mag. Besonders aber war dem Archidiakonen Ludolph Klenke daran gelegen, seine Gerechtigkeit und seine Einkünfte im Lande Hadeln sich zu erhalten. Es kam endlich im Jahre 1530 zwischen dem Herzog Magnus und dem Dompopsten in Mahrdorf. kurz daraus auch mit dem Erzbischof zu einer persönlichen Zusammenkunft in Otterndorf und zum Friedensschlusse. Der Herzog versprach alle Ansprüche, die er an Hadeln habe, zu befriedigen. Am 2. September mahnt der Erzbischof von Bremervörde aus, die Rente, die dem Propsten in Hadeln noch zustehe, möchte doch von den Hadelern bezahlt werden. Hierauf erließen die evangelischen Kirchherren des Landes Hadeln von Otterndorf aus am 3. September 1530 jene feierliche Gehorsamserklärung an den Herzog Magnus, der sie dem Propsten übermittelt. Auf des letzteren Klagen, daß sie keine Approbation der Testamente nehmen, nicht zu den Synoden des Erzbischofs kommen und für Abwesenheit keinen Gulden zahlen, erwidern sie, daß sie nie den Gehorsam gegen den Erzbischof und Ludolf Klenke aufgegeben haben noch aufgeben wollen, wie sie nach christlicher Ordnung verpflichtet sein, in der Zuversicht, daß sie darüber hinaus nicht verpflichtet werden. Darum bitten sie auch den Herzog, dem sie Gehorsam geloben.

Der Herzog war eifrig bemüht, dem Propsten zu seinen Renten zu verhelfen. Zur Erhaltung des Friedens scheint der Herzog jenes Huldigungsschreiben gewünscht zu haben. Die Geistlichen haben sich mit der Bedingung dazu herbeigelassen, daß sie in der Lehre unbeschränkt bleiben.

Wunderbar genug muß uns dies Abhängigkeitsverhältnis von dem katholischen Dompropsten erscheinen. In Wirklichkeit haben sich die Geistlichen garnicht darum gekümmert. Immerhin läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß der Erzbischof wie der Archidiakon endlich ihre kirchlichen Hoheitsrechte aufgegeben haben, sich aber mit aller Zähigkeit ihre Einkünfte zu sichern suchten.
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1) Synoden   2) antogen anzeigen.


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Ein Beweis für die persönliche Zuneigung des Herzogs Magnus zur neuen Lehre ist ein Brief an Dr. Luther vom 16. Mai 1523, in dem er diesen um einen guten evangelischen Prediger für die Pfarre in LAUENBURG bat. *) Andererseits aber wird wieder betont, daß der Herzog aus Rücksicht auf die Abhängigkeit vom Kaiser die Reformation in seinem eigenen Lande nicht habe durchführen können.

Auch das wichtige geistliche Amt des ARCHIDIAKONEN VON HADELN bedarf einer kurzen Erörterung. Dieses Amt wurde gewöhnlich einem Domherrn der Bremer Kirche übertragen, nicht selten auch wohl dem Dompropst, weshalb der Archidiakon auch Propst genannt wurde. Er besaß gewöhnlich das Besetzungsrecht der Pfarren und Vikarien. Ferner hatte er die Geistlichen in ihr Amt einzuführen, Altäre und kirchliche Gerätschaften einzuweihen und jährlich Visitationen vorzunehmen. Auf den Synoden (Senden) hatte er die geistliche Gerichtsbarkeit zu handhaben, die Diener der Kirche auf ihren Wandel zu prüfen, Rügen und Strafen zu verhängen, auch Verbrechen, die von diesen Untergebenen oder von Laien auf kirchlichem Grund und Boden begangen waren, zu richten. Die Einkünfte dieser Gerichtsbarkeit waren durchaus nicht gering, da Abwesenheit der Geistlichen bei den Synoden mit einem Gulden gebüßt wurde. Die Synoden fanden zweimal im Jahre, im Frühling und im Herbst, statt. Daneben bekam der Archidiakon manche Einkünfte und Renten. Der Dompropst Ludolf Klencke berechnet sie für Hadeln im Jahre 1528 auf 200 Mark jährlich. Zugleich hatte er sich die Pfarre in Altenbruch vorbehalten, ohne aber den Dienst des Kirchherrn selber dort zu versehen, sondern hatte einen Vikar Johann Brandes dort eingesetzt· Dies war eine Unsitte, die gerade für die eintraglichen Pfarren vielfach geübt wurde. Je kritischer die Laienwelt in der Reformationszeit gegen die bestehenden Mißbräuche wurde. um so energischer forderte sie auch den PERSÖNLICHEN Dienst der Kirchherrn an ihren Kirchen. Ganz besonders traf das für die selbstbewußten MARSCHbewohner zu. Die Verquickung der beiden Ämter des Archidiakonen von Hadeln und des Kirchherrn von Altenbruch in der Person des Dompropsten Ludolf Klencke hat die falsche Ansicht hervorgerufen, als ob in Altenbruch früher eine Propstei bestanden habe.

Eine starke Konkurrenz in diesen Hoheitsrechten machte damals Herzog Magnus dem Archidiakonen. Der Chronist legt ausführlich die Selbstüberschätzung und den Eigenwillen des Herzogs dar, erwähnt auch, daß der Herzog bei eintretenden Vakanzen ohne Rücksicht auf die geistliche Behörde den Kandidaten nicht nur präsentierte, sondern auch in den wirklichen Besitz der Pfründe setzte, dafür aber auch strikten Gehorsam von ihm verlangte.

Bei dieser Ausdehnung der absoluten Fürstengewalt mußte Herzog Magnus mit der hochgesteigerten Feindseligkeit der Bremer Kirche rechnen. Aber immer geht der Herzog mit großer Vorsicht zu Werke. Noch im Jahre 1527 galt die Anstellung eines evangelischen Predigers ohne ausdrückliche Genehmigung des Herzogs für ein Wagnis. 1528 wurde Herzog Magnus sogar von dem Domkapitel und dem Erzbischof bei dem Fürsten Heinrich von Mecklenburg und seinem Oheim, Heinrich dem jüngeren von Braunschweig-Lüneburg, verklagt, worauf Magnus mit heftigen Beschwerden gegen den Erzbischof anwortete.

Hier brechen leider die Quellen ab und lassen den Ausgang des Streites ungewiß.

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*) Nach neueren Forschungen ist der Brief erst 1524 geschrieben Ob die Lauenburger Pfarre in Betracht kam, ist unsicher. (Schriftl.)

 


 

 

 

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