Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Aus der Franzosenzeit.

Am 14. Oktober 1806 waren die Preußen bei Jena vernichtend geschlagen. Das Blüchersche Korps flüchtete durch Mecklenburg auf Lübeck zu. Die Franzosen unter Bernadotte, Soult und Murat folgten auf dem Fuße. Der Weg führte durch das Herzogtum Lauenburg, das damals den entsetzlichsten Plünderungen ausgesetzt war. Auch nach der Kapitulation von Lübeck nahm die Besetzung des Landes kein Ende. Was Lauenburg damals gelitten hat, geht so recht deutlich aus drei nicht adressierten Berichten hervor, die der damalige Landsyndikus Gottschalk, ein ausgezeichneter und tapfrer Mann, vermutlich an den lauenburgischen Landrat v. Schrader, Besitzer des adligen Gutes Kulpin und Landdrost zu Harburg, gesandt hat.

Der erste Bericht, nicht datiert und nicht unterschrieben, ist von dem kranken Landsyndikus wahrscheinlich am 12. Aovember 1806 diktiert worden. Er lautet:
 

Ew. Hochwohlgeboren

werden meine vorläufigen Nachrichten über das Unglück, welches die hiesige Provinz in den letzten 10 Tagen betroffen hat, erhalten haben. Noch bin ich nicht im Stande, einen nur einigermaßen ausführlichen Bericht über die sich drängenden unglücklichen Begebenheiten abzustatten, um so weniger, da die bis herigen Anstrengungen meine Gesundheit so angegriffen haben, daß ich genötiget bin, im Bette zu sein. Die ganze preußische und französische Armee, und zwar letztere unter Marschall Soult, ist hier durchmarschiert, ein großer Teil davon ist zurückgekehrt; 16 000 Mann preußische und 1100 Mann schwedische Gefangene sind durchtransportiert, und die Truppen-Märsche hin und her dauern noch immer fort, nachdem das Bernadottesche Corps eingerückt ist, so daß von einer Dislokation noch gar keine Rede sein kann.

Alle Lebensmittel, alle Fourage ist aufgezehrt, und es ist nicht mal ein Lieferant zu bekommen, der letztere allzuschaffen sich getraute. Das 5. Husaren-Regiment liegt zwischen hier und Boizenburg, das 5. Jäger-Regiment zu Pferde hier und im Fürstentum Ratzeburg, das 94. Infanterie-Regiment im Amte Schwarzenbek usw., so daß das ganze Land auf eine schreckliche Art überlastet ist.

Der Fürst Bernadotte kam gestern hier durch und nahm in dem Hause des Landdrosten Hake ein Frühstück ein. Die Regierung, ich und der Magistrat bekomplimentierten ihn, er versicherte, daß er alles zur Erleichterung des Landes tun wolle, was in seinen Kräften stehe, und bediente sich des Ausdrucks, daß es undankbar von ihm sein würde, wenn er es nicht täte, da man ihm soviel Vertrauen bewiesen und er nirgends eine rechtschaffenere Landes-Administration gefunden habe wie im Hannoverschen. Dabei äußerte er den Wunsch, daß man die Untertanen trösten und sie auffordern möge, daß sie seinen Soldaten freundlich und artig begegneten. Mir befahl er, dafür zu sorgen, daß die Krieges-Lasten über das ganze Land gleichmäßig verteilt würden. Einen schriftlichen Befehl gleichen Inhalts und nach Lauenburg an die Stände addressiert überreichte mir kurz nachher eine Ordonnanz. Der Regierung verbot der Fürst alle Kommunikation mit Hannover, besonders Geld-Riemessen. Alle Domanial-Einnahme soll in eine Hauptkasse nach Ratzeburg fließen. Die Heerstraße nach Lauenburg soll sogleich repariert und der dritte Teil der erforderlichen Kosten aus der Domanialkasse bar bezahlt werden. Die landschaftliche Kasse soll zur Disposition der Landschaft behuf Bestreitung der Kriegeskosten bleiben. — — Alle meine Mühe, einen von den Herren der Ritterschaft zu bewegen, hierher zu kommen, ist vergebens. Niemand unterstützt mich, und die Regierung tut nicht die aller nötigsten Schritte, ohne daß ich dazu Veranlassung gebe.

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FLIEGENBERG, den 16. Decbr. 1807.

Alleruntertänigster Bericht betreffend der französischen Einquartierung zu Culpin.

Ew. Hochwohlgeboren Gnaden berichte alleruntertänigst in Hinsicht dieser in tiefster Ehrfurcht.

Die Einquartierung befindet sich nun leider noch immer daselbst, ohne daß man vernimmt, wenn solche abgehen wird. Ich habe mich nun dieserhalb

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noch nicht wieder nach Culpin begeben können, worüber ich auch kürzlich mit dem Herrn Landsyndikus Gottschalk gesprochen habe, welcher mir denn solches auch widerraten hat, und bin ich denn auch von allem sehr gut unterrichtet, so daß ich mit Gewißheit weiß, daß, wenn ich mich daselbst vor der Einquartierung jetzt sehen ließe, ich nur gemißhandelt und Prügel genug erhalten würde, da solche noch beständig sehr auf mich aufgebracht sind.

Der Holzvogt Petri besorgt nun noch immerfort die Beköstigung vor solche, wobei nun solcher sich sehr gut und standhaft benimmt, wovon er noch vor einigen Tagen den Beweis gegeben, indem der Herr Obrist wieder von dem teuern Wein, das Anker zu 60 Sch., begehrt hat, wovon denn 1/2 Anker hat angeschafft werden müssen, da der Herr Obrist die Hälfte mit 5 Thlr. bezahlt hat, welche von Mamsell Lochet vorgeschossen sind und dies besonders auffallend ist. Die Mißhelligkeit, welche von Anfang her mit dem Wein geherrscht hat, glaube ich schwerlich, daß solange diese Einquartierung besteht, je beseitigt werden wird und fürchte ich nun dieserhalb noch sehr schlimme Folgen und böse Vorfälle.

Der Holzvogt Petri ist nun bis jetzt mit solchen noch ziemlich durch gekommen, da der Herr Obrist und Adjutant-Major ihm sehr zu leiden haben; allein ob dies auf der Länge von Bestand sein wird, muß die Zeit lehren, da ich solche in diesem Betrag zu gut kenne.

Es würde mich nun äußerst lieb sein, wenn Ew. Hochwohlgeboren Gnaden gnädigst geruhen jemand anders zur Administration der Beköstigung zu ernennen und mich dann gänzlich davon dispensieren würden; wie denn auch der Holzvogt Petri gern davon befreit zu werden wünscht; alsdann würde ich mit der Zeit auch wohl mich wieder nach Culpin begeben können, um die Dienstgeschäfte wieder gehörig daselbst zu betreiben, weil von hieraus solches sehr beschwerlich ist.

Die Beköstigungsberechnung pro Septbr., October und November d. J. habe ich bis jetzt dem Herrn Landsyndikus Gottschalk noch nicht zugestellt, da ich noch Ew. Hochwohlgeboren Gnaden gnädigste Bestimmung in Ansehung des Holzes, Wild und Gartengewächs entgegensehe und brauch nur solches blos eingetragen zu werden.

Die baren Beköstigungskosten sind aber leider sehr hoch, da solche vom 10. Septbr. bis inclus. 31. Oktober 566 Thlr. 30 Sch. 3 Pf. betragen, worunter denn das vorrätig gewesene Getränke, Kaffee, Zucker und Gewürz mit berechnet ist, und die vom Monat November betragen allein 346 Thlr. 31 Sch., also zusammen eine Summe von 913 Thlr. 13 Sch. 3 Pf., wovon ich nun schon einen Extract dem Herrn Landsyndikus vorgezeigt habe und, wenn es erfordert wird, die Richtigkeit eidlich bezeugen werde.

Diese großen Kosten sind nun besonders mit durch den vielen fremden Officiers und den einquartierten Gemeinen verursacht, da leider selten ein Tag ohne Fremde vergeht; dann essen die Leute beständig die schönsten Braten, worüber ich mich mehr als zuviel geäußert habe, allein ohne Erfolg, und wodurch denn natürlich die Gemeinen sehr auf mich aufgebracht sind.

In Ansehung des Beitritts von Culpin zu der Einquartierungs-Societät des Amtes Ratzeburg, so haben der Herr Baron von Hammerstein den Schreiber Hering bevollmächtigt gehabt dieserhalb in Person mit dem Amte Ratzeburg zu unterhandeln, welchen ich dann in dieser Hinsicht einen Extrakt der baren Einquartierungskosten vom Hofe Culpin, ingleichen der vom Hofe und den Untertanen zu zahlende Kriegessteuer eingeliefert habe.

Dieser hat mir nun gesagt, daß von Seiten des Amtes Ratzeburg ein Verzeichnis aller herrschaftlichen Gebäude zu Culpin und dann die Morgenzahl der Ländereien von den Untertanen zu Culpin verlangt sei, wobei solcher mir aufgetragen solches dem Amte Ratzeburg einzureichen. Allein ich habe damit noch Anstand genommen und Ew. Hochwohlgeboren Gnaden hohen Resolution in dieser Hinsicht erst entgegensehen wollen, um wenn auch Nachteile vor dem Gute Culpin daraus entstehen könnten und letzteres ist mir auch nicht möglich, weil dazu das Vermessungsregister erforderlich ist, wenn sollte solches genau angegeben werden.

Die Culpiner Hufner und Kätner sind nun geneigt der Societät mit beizutreten, und zwar unter der Voraussetzung und wörtlichen Erklärung: daß sie jetzt kein Geld dazu hergeben könnten, indem sie schon zu lange Einquartierung

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gehabt hätten, und wenn sie also hierauf Vergütung erhielten, sie wenn keine Einquartierung zu Culpin vorhanden sei solche wieder leisten wollten; allein die Göldenitzer haben einstimmig erklärt, daß sie der Societät nicht beitreten würden.

Aber die Einrichtung der Societät wird viel jetzt hin und wider gesprochen und ist wohl die eigentliche Beschaffenheit nicht recht bekannt, wie denn auch viele Amtsdörfer sich darunter nicht haben begeben wollen, und mehrere, welche darunter vorhanden, wollen nicht länger mehr darunter bleiben, wie es denn auch allgemein heißt, daß die Societät jetzt schon beträchtliche Schulden haben soll und würde wohl eine nähere Auskunft über die Sache vor den Culpiner nötig sein, damit solche durch Beitritt keinen Schaden nehmen.

In Ansuchung der Anfahrt des Holzes vor der Einquartierung zu Culpin von Göldenitz, habe ich wie schon gemeldet Ew. Hochwohlgeboren Gnaden hohen Resolution Herrn Pächter Meyer bekannt gemacht, welcher mir denn darauf mündlich die Antwort erteilt hat, daß er sich so dazu noch nicht verstehen könne und sich erst darüber weiter müsse belehren lassen, wovon ich denn auch sofort den Herrn Landsyndikus Gottschalk benachrichtigt habe, welcher denn auch schon in dieser Hinsicht an Herrn Meyer geschrieben hat.

Herr Meyer hat nun bis jetzt noch kein Holz von Göldenitz nach Culpin angefahren, und da nun schon einen gänzlichen Mangel an Brennholz zu Culpin eingetreten ist, so habe ich schon von hier aus einige olmigte Buchen im großen hellen Holze zu Culpin anweisen müssen, damit erst die Brennholzbedürfnisse haben bestritten werden können, da sonst auf dem Hofe Stacketten und Planken würden aufgebrand sein.

E. F. WEHRS.

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LAUENBURG, den 27. Jan. 1808.

Ew. Hochwohlboren

mir erteilte Nachricht, daß Culpin noch nicht befreit wird, geht mir sehr nahe. Nach der Versicherung des General Gerard vermutete ich es so gewiß. Ich weiß aus 6 monatlicher Erfahrung, was ein Regimentschef kostet, obgleich der, welchen ich im Hause habe, nicht das gebraucht, was der zu Culpin verlangt, aber Dejeuné und außerdem täglich 2 Mahlzeiten, wobei fast täglich Gäste sind, Illumination und 4 Zimmer zu heizen, kostet auch nicht wenig. Hierzu kommt noch, daß alle Abende bei dem Obersten 12 und mehr Officiere sind, die wenigstens Tee haben müssen. Ich habe 55 Faden Deputathotz, womit ich nicht auskomme, ob ich gleich noch für 150 Rthlr. Kohlen und Torf zugekauft, doch was helfen Klagen!

Sehr leid tut es mir, daß die Theilung der Lucie ausgesetzt werden soll. Wird der Antrag, den ich dieserhalb getan, angenommen, so wird die Sache doch noch fortgehen können. Sobald ich Antwort erhalten, teile ich sie mit.

Zur Placierung des Herrn Schwiegersohnes wünsche ich von ganzem Herzen Glück.

Der Befehl, Hameln zu demolieren, läßt viele auf einen nahen Frieden hoffen. Ich glaube nicht daran, denn - schlimm für uns Hannoveraner - England scheint noch nicht sehr gebeugt zu sein.

Der Magistrat sowie das Amt zu Lauenburg haben gegen das Einquart.=Regulativ eine ähnliche Vorstellung - aber doch nicht so heftige - als das Amt Schwarzenbek eingegeben. Ich hoffe man werde sich auf Modificationen einlassen und so wird alles gut gehen, wo nicht, so wird es bunt. Schon fangen die Bauern an davon zu sprechen, daß der Adel und die Pächter nicht wie in andern Provinzen Kriegerfuhren leistet. Nur das Gut Preten hat welche getan.

                                    Ich empfehle mich gehorsamst

Chr. DEERING.


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