Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


DAS HERRENGESCHLECHT DER BERLINGS.

Aus der Chronik einer alten lauenburgischen Familie.

Nach Aufzeichnungen von Kreissyndikus Dr. BERLING-Kölleda
von H. FERD. GERHARD.

II.

 

Wie kamen die Berlings nach Lauenburg? Ja, das ist eine ganz romantische Geschichte!

FRANZ CHRISTOPHER v. BERLING war, wie wir sahen, wie wir sahen, mit seinem Bruder Otto bald nach der Hildesheimer Stiftsfehde seines Gutes Emmingen beraubt und des Landes verwiesen worden. Da seine Gemahlin, eine geborene v. Wittorf, bei der Zerstörung des Schlosses den Tod gefunden hatte, so nahm er Kriegsdienste und kämpfte im Bauernkrieg, in Italien und Ungarn. Dort aber empfing er eine schwere Wunde. Doch gerade sie brachte ihm Glück. Die schöne Adelheid v. Schärtling, die Nichte des berühmten Landsknechtsführers Schertlin von Burtenbach, nahm sich seiner an und pflegte ihn. Und als er genesen war, wurde sie sein Weib. Aber das Glück währte nicht lange. Adelheid starb bald nach der Geburt eines Söhnchens, und Franz Christopher, der unter dem Einfluß seiner Gemahlin zum Protestantismus übergetreten war, entzweite sich mit seinem katholischen Bruder Otto, der ihm in Königshofen ein Asyl gegeben hatte. Und da zog der Kriegsmann wieder in die Welt hinaus. Von sechs Knechten und seinem dreijährigen Söhnchen FRANZ JÜRGEN begleitet, reiste er gen Norden, um bei dem Herzog von Lauenburg Dienste zu nehmen, der damals "gegen die Pfaffen rüstete".

Aber der Ritter erreichte nicht sein Ziel. Als er sich anschickte, mit seinen Begleitern bei Hohnstorf über die Elbe zu gehen, wurde er von fünfzig vermummten Reitern überfallen. Fünf von seinen

1926/2 - 35

1926/2 - 36

Leuten waren bald niedergehauen. Franz Christopher aber und sein Knappe Meineke, dieser mit dem Kinde im Arm, warfen sich verwundet in den eiskalten Strom. Der Diener erreichte schwimmend das rettende Ufer. Der Ritter selbst, durch den Blutverlust geschwächt, ward von der Strömung fortgerissen und ertrank.

Da stand nun der treue Knappe mit dem kleinen Knaben, dem bei dem Ueberfall der rechte Arm zerschmettert war, und wußte nicht, was tun. Aber Meineke verzagte nicht. Er wandte sich an die Herzogin im Schloß zu Franzhagen. Der vater- und mutterlose Knabe wurde gut aufgenommen und gewann, als er heranwuchs, das Vertrauen des Herzogs. Da aber sein Oheim Otto sich nicht um ihn kümmerte und der Prozeß gegen die Ritter von Neetze und Utenhove, die man des Ueberfalls bezichtigte, ergebnislos verlief, mußte Franz Jürgen sich mit einer bescheidenen Stellung begnügen: Er wurde Leibjäger des Herzogs und erhielt dafür 1557 als Entgelt die BAUERMEISTERSTELLE IN WITZEEZE und das Amt des Schloßvoigtes zu Frantzhagen. Meineke erhielt einen Hof zu Lauenburg, von wo seine Nachkommen später nach Bröthen übersiedelten. Ein Nachkomme von ihm ist heute Hufner in Kankelau.

Franz Jürgens ältester Sohn FRANZ ERDMANN erbte dann die Stelle und führte eine Tochter des nahen Brockmüllers Reimers heim. Da aber kamen die beiden in lauenburgischen Hofdiensten stehenden Brüder Georg und Gabriel (der Verfasser der Hauptchronik) und legten ihm nahe, dieser nicht standesgemäßen Ehe wegen den Adel abzulegen. Frantz Erdmann jedoch lachte ihnen ins Gesicht und ließ, den Hochmutigen recht zum Trotz, über der Torfahrt seines neuerbaauen Hauses das roh in Eiche gehauene Wappen der Berlings mit der fünfzacktgen Krone darüber anbringen. Vor seinem Tode scheint er aber doch den Adel abgelegt zu haben, denn ein bis vor wenigen Jahren noch in der Witzeezer Kapelle vorhandenes Epitaph von 1596 das ihn mit seiner Gattin, umringt von 4 Söhnen und 4 Töchtern, darstellt, trug die Inschrift:

Ich, Frantz Berling, mit Weib und Kind,
Herr Christ, zu deinem Kreutz mich findt,
Dein bittrer Todt und Wunden roht
Helfen aus Noht, fahren zu Gott.

Und auch eine Urkunde von 1608 bezeichnet ihn schlechtweg als Bauernvoigt Frantz Berling.

Auch verschiedene Glasmalereien, von seinen Kindern gestiftet, führen diese unter bürgerlichem Namen auf, so u. a. Dirich Berling, von dem unten noch zu reden ist. Von seinen, außer 4 Töchtern, hinterlassenen 4 Söhnen erbte der älteste Frantz Christopher Witzeeze; Eggert erwarb die Siebeneichener Bauermeisterei, Ernst Hinrich starb früh, Dirich wurde Soldat. Nach Schäfer und Jonas "Historischer Beweisführung, daß die Berlinge ein altadliges Geschlecht sind", Berlin 1856, baute Frantz Erdmann 1596 das alte Herrenhaus zu einer Kapelle um, die zur Erinnerung an seine im gleichen Jahre verstorbene Mutter Katharina die Kathrinenkapelle hieß. Er starb 1628

1926/2 - 36


1926/2 - 37

an Verletzungen, die er sich bei Abwehr kaiserlicher Marodeure zugezogen hatte.

Denn inzwischen war der furchtbare, der dreißigjährige Krieg ins Land gezogen, der auch Witzeeze nicht verschonte. Wie schon 1628, brach 1636 abermals eine wilde Soldateska dort ein, zündete die Ställe an, tötete die Hausfrau, eine Pastorentochter aus Lütan, und einen Sohn Frantz Christophers und schlug den zweiten zum Krüppel. Die einzige Tochter Evamaria entging ihr durch Zufall; sie heiratete hernach den Schumacher vom Büchener Herrenhof und knüpfte so die ersten Beziehungen zu diesem. Das zum Krüppel geschlagene Knäblein blieb ledig und vererbte 1706 mit seinem Tode das Witzeezer Erbe an seinen Vetter Melchior Christian Berling aus Lauenburg, Dietrich Berlings Enkel.

Dieser DIETRICH (Dirich), Frantz Erdmanns oben genannter Sohn, war eigentlich zum Geistlichen ausersehen gewesen, aber im Jahre 1627 war er mit seinem Freunde Caspar Zobell von der Schule ausgerissen und in das Regiment hochdeutscher Knechte eingetreten, in dem sein Vetter Hans, Gabriel v. Berlings einziger, bald darauf im Duell gefallener Sohn als Hauptmann stand. Nach Gustav Adolfs Ankunft trat er jedoch zu den Schweden über and machte dort sein Glüek. Er wurde schon bald zum Feldhauptmann und dann zum Obristen ernannt. Als solcher aber ward er schwer verwundet. Er mußte den Abschied nehmen und kehrte als Krüppel in sein Heimatland zurück. Doch das Glück begleitete ihn trotzdem. In der Stadt Lauenburg war sein Jugend-, Flucht- und Kriegskamerad Zobell inzwischen Bürgermeister geworden. Franz Matthias heiratete seine Tochter und ward - wohl durch den Einfluß des Stadtoberhauptes - zum Ratsherrn ernannt. Als Zobell ihn aber auch zum zweiten Bürgermeister machen wollte, erhob der Herzog dagegen Einspruch wegen der Gefahr allzu großer Vettermichelei.

Als Dietrich 1678 sein Amt niederlegte, folgte ihm als Ratsherr sein Sohn FRANTZ MATTHIAS. Da der Herzog wohl eine Fortsetzung der Vetternwirtschaft fürchten mochte, verfügte er 1679 die Suspension des Bürgermeisters Seeger vom Amte, da dieser wiederum der Schwager des Frantz Matthias Berling war. Das aber gab einen gewaltigen Sturm in der guten Stadt Lauenburg. Vor allem schürten die beiden alten Veteranen, Dietrich und sein Freund Zobell, den Brand, während gleichzeitig Frantz Matthias und Seeger auf mehr diplomatischem Wege dringende Vorstellungen beim Herzoge. Das Reskript wurde dann auch zurückgezogen, und Seeger und Berling wurden erneut in ihren Aemtern bestätigt. Frantz Matthias starb einige Jahre darauf.

Sein zweiter Sohn KARL MATTHIAS entlief gleich seinem Großvater zu den Soldaten und ist 1715 vor Stralsund gefallen. Der älteste Sohn MELCHIOR CHRISTIAN aber erbte 1706 Witzeeze und wurde damit der 5. Bauervoigt daselbst aus der Familie Berling, ein Amt mit dem fortan die Voigtey über die Dörfer Witzeeze, Pötrau, Schulendorf, Bartelsdorf, Büchen und Fitzen und über das Vorwerk Frantzhagen, sowie das Amt des Reitenden Försters über die Forsten des Amtes Lauenburg verbunden war.

1926/2 - 37


1926/2 - 38 und 39


Tabelle: Stammbaum der Lauenburger Berlings.


1926/2 - 38 und 39


1926/2 - 40

Von diesem Melchior Christian weiß übrigens die Chronik allerlei zu berichten. Er war nicht nur ein tüchtiger Vogt und ein ausgezeichneter Forstmann, wie ihm die Regierung ausdrücklich bescheinigte, sondern auch ein Hüne von Mensch und ein echter Berling an Entschlossenheit und Tatkraft. Als eines Tages zwei streitende Bauern zu ihm kamen und trotz seiner bauermeisterlichen Ermahnungen nicht abließen, sich zu pauken, da nahm er die beiden einfach am Kragen und stieß sie so lange mit den Köpfen zusammen, bis sie winselnd gelobten, miteinander Frieden zu machen.

Melchior Christians Söhne zeigten nicht weniger als der Vater die charakteristischen Eigenschaften der Berlings: die einen Unter-nehmungs- und Abenteuerlust, die andern Energie und Starrköpfigkeit. Der älteste, Johann Matthias, wurde Soldat; von ihm wird später noch zu sprechen sein. Ein zweiter, Christian Friedrich, wurde Ratsherr in Lauenburg. Zwei weitere Söhne gingen, wie bereits erzählt wurde, nach Schweden und Dänemark. FRANZ CHRISTOPHER und HANS JÜRGEN aber blieben Landleute und wurden herzogliche Reitende Förster. Doch pachtete Franz Jürgen 1738 das damalige herzogliche Vorwerk, heutige Dorf Frantzhagen, das er bis 1752 behielt, worauf er die Bauervogtstelle zu Bartelsdorf erwarb. Ihr Name ist bis auf den heutigen Tag bekannt durch einen bedeutsamen Prozeß, den sie mit außergewöhnlicher Tatkraft gegen die Lauenburgische Regierung führten und gewannen.

Es war im Frühjahr 1737, da reichte FRANZ CHRISTOPHER beim Hofgerichte in Ratzeburg eine Klage ein, die die Behörden sehr lange Jahre beschäftigen sollte. Er beschwerte sich, daß ihm das Amt in Lauenburg bei der Uebernahme der Bauermeisterei zugemutet habe, "sich der Erbgerechtigkeit der Bauermeisterschaft halber zu verziehen." Er sollte also auf das Recht verzichten, sein Amt als Bauermeister auf seine Nachkommen zu vererben. Die Hannoversche Regierung wünschte nämlich, nach "modernen" Grundsätzen die Erblichkeit der Bauermeisterwürde allmählich zu beseitigen, und hatte bereits in einigen andern Fällen den Verzicht erzwungen. Bei Franz Christopher Berling traf sie aber auf nicht zu brechenden Widerstand. Soviel sie auch versuchte, wenigstens einige der alten Bestimmungen zu beseitigen. immer wieder war der hartköpfige Berling da, alarmierte die übrigen Bauermeister des Amtes Lauenburg und erhob immer anfs neue Interventionen und „Leuterungen", bis schließlich das Hofgericht am 15. Februar 1747 einen Vergleich bestätigte, durch den das für die Berlings obsiegende Urteil vom 24. August 1746 von beiden Teilen anerkannt wurde.

Zehn Jahre hatte Franz Christopher mit ungebrochener Tatkraft gekämpft. Jetzt aber freute er sich in Dankbarkeit seines Sieges und stiftete zum Andenken daran den noch heute in der Pötrauer Kirche befindlichen silbernen Oblatenteller.

Die Nachkommen dieses gradherzigen Mannes waren nicht so vom Glück begünstigt wie er. Zwei Söhne fielen im siebenjährigen Kriege. Der dritte Sohn, HINRICH JUSTUs, war kränklich. Und da sein einziger Sohn als neunjähriger Knabe starb, fiel Witzeeze

1926/2 - 40


1926/2 - 41

1787 an Hinrich Justus' Schwiegersohn Hans Nicolaus Jenkel. Dessen Nachkommen besitzen das schöne Erbe bis auf den heutigen Tag.

Zeigte Franz Christopher den hartköpfigen Typ der Berlings, so flackerte in seinem älteren Bruder die alte Berlingsche Abenteurer-lust. JOHANN MATTHIAS sollte nach dem Wunsch des Vaters ein Gelehrter werden und besuchte daher die hohe Schule in Hannover. Aber das heiße Blut leidet ihn nicht auf der Schnlbank. Schon als Siebzehnjähriger läßt er sich bei dem roten irregulären Dragonerregiment, den späteren Cambridge-Dragonern, anwerben. Der Vater ist außer sich und läßt sich nicht einmal auf dem Totenbette versöhnen. Johann Matthias aber hat Glück in seiner Laufbahn. Er wird bald Rittmeister, tritt nach Auflösung seines Regiments in holländische Dienste über und kämpft auf Java. Erst als ihm sein Knie zerschossen wird, denkt er an Heimkehr. Als Oberstleutnant kommt er zurück und pachtet Fahrendorf. Noch als 53jähriger heiratet er Johanna Eleonore Schumacher vom Herrenhof in Büchen. Und so erwirbt er für seine Nachkommen dies prächtige Erbe, das mehr als 100 Jahre in seiner Familie bleiben sollte. Sein Sohn FRIEDRICH CHRISTOPH, der als Cornet im amerikanischen Freiheitskriege kämpft und verunglückt, übernimmt den großen Besitz und hat ihn bis zu seinem frühen Tode 1808 verwaltet Er war eine fröhliche, übermütige Natur, von der in der Familie noch jetzt manch' [sic!] toller Streich erzählt wird. So fuhr er eines Tages vierspännig nach Lübeck. Zwei Vorreiter sprengten vorauf. Und als er ans wohlbewachte Stadttor kam, da mußten die Vorreiter blasen und rufen:

Wache, tritt in dein Gewehr.
Der Büchner Berling kommt daher!

Wie die Chronik weiter berichtet, "hat er aber darob gar schwere Straf zahlen müssen."

Das 19. Jahrhundert sah in drei Generationen drei denkbar ungleichartige Naturen anf dem Büchener Herrenhof. Friedrich Christophs Sohn FRIEDRICH PHILIPP HEINRICH ist zunächst wieder ein unsteter Abenteurer. 1803 entläuft er dem Vater, geht nach Frankreich, kämpft als französischer Soldat in Spanien, macht den berühmten Ordonnanzritt von Saragossa mit und ist mit 23 Jahren Kapitän im Bataillon Neuenburg. Krank und überreizt kehrt er aus dem Feld-Zuge zurück, führt eine Gräfin zur Lippe-Sternberg-Schwalenburg heim und glaubt, sich aus drückender Schuldenlast nur durch den Verkauf des Büchener Hofes retten zu können. Kaum aber hat er abgeschlossen, bereut er und macht den Kauf rückgängig. Als ihm ein Söhnchen geschenkt wird, reitet der hünenhafte Mann mit dem Neugeborenen im Arm trotz eisiger Winterkälte nach Gudow, um das Kind bei der Anmelduug als corpus delicti auf den Amtstisch zu legen. Und weiter pocht er auf die „Edelfreiheit" der Berlings, nimmt auch den Adel wieder auf und siegelt statt der bisher gebrauchten 5zackigen seine Briefe mit der siebenzinkigen Freiherrnkrone. Als man seinen Adel aber als napoleonisch verdächtigt, legt er ihn wieder ab, zerschlägt jedoch einem Mißgünstigen, der über ihn spottet, alle Knochen im Leibe. Als ihm schließlich die Schulden über den Kopf wachsen,

1926/2 - 41


1926/2 - 42

geht er als Postmeister nach Schwarzenbek und übergibt den Büchener Hof seinem so ungleichen Sohne Georg Heinrich,

Dieser GEORG HEINRICH lebt noch im Gedächtnis der älteren Lauenburger fort. Er muß ein Mann wie von Eisen gewesen sein. Tatkräftig, kampflustig, unbeugsam. Schon als Einundzwanzigjähriger übernimmt er, trotz allen Abratens, den stark verschuldeten Hof. Fünf Jahre später brennen die schlecht versicherten Gebäude ab, kaum daß man das nackte Leben rettet. Aber unverzagt geht er an den Wiederaufbau. Die Pötrauer Doppelhufe muß er freilich verkaufen; an Stelle des "Schlosses" entstehen bescheidene Gebäude. Aber die Wirtschaft gedeiht. Und sein Amt als Postmeister und Zollinspektor läßt er bei allem Eifer für die Landwirtschaft nicht zu kurz kommen. Mit welch' [sic!] eiserner Energie er auch als Zollverwalter vorging, zeigt das tolle Stückchen von 1843.

Damals, nach Begründung des Zollvereins, blühte an den Grenzen Lauenburgs der Schmuggel, wie nie zuvor. Eine Tages erhält nun Georg Heinrich die Nachricht, daß ein großer Schmugglerzug nachts die Grenze überschreiten werde. Sofort benachrichtigt er die Landreiter-Abteilung. Aber diese erklärt sich außer Stande, gegen den großen wohlbewaffneten Trupp ohne Verstärkung einzugreifen Da wagt es Georg Heinrich auf eigene Faust. Mit seinem Schwager, dem Zollgehilfen Franz Henkel, zieht er in der Nacht aus. Bei Besenthal trifft er auf 40 Schmuggler. Da verbirgt sich Franz im Knick und gibt halblaute militärische Kommandos. Georg Heinrich aber tritt vor, erklärt die Schmuggler für umzingelt und fordert sie auf, ihm zu folgen. Und wahrhaftig, das nicht Erwartete geschieht. die Schmuggler ergeben sich widerstandslos und führen ihre Waren selbst nach Büchen. Die inzwischen verstärkten Landreiter aber kommen gerade noch zur rechten Zeit, um Beute und Gefangene in Sicherheit zu bringen, ehe diese merken, daß zwei tollkühne Männer ihre einzigen Wächter sind.

Das tolle Stückchen machte dem damaligen Landesherrn, König Christian VIII. von Dänemark, außerordentlich viel Vergnügen. Er ließ Berling nach Kopenhagen kommen und verlieh ihm Hofrang und den Titel eines Kammerrats. Franz Jenkel aber erhielt 1000 Kronen zur Belohnung.

Georg Heinrich war jedoch alles andere als ein Hofmann. Er ließ sich ein zweites Mal nicht wieder in Kopenhagen seben. Andrerseits aber hielt er treu zu seinem König-Herzog und wirkte unverdrossen für den eigenartigen Plan, den er sich zur Beilegung aller nordischen Streitfragen ersonnen hatte. Er gedachte, mit Einschluß Dänemarks eine große wirtschaftspolitische Gemeinschaft der deutschen Nordstaaten zu begründen. Vor allem war die Selbständigkeit Lauenburgs für ihn unantastbar. Und als die Ritter- und Landschaft, deren Mitglied er seit 1848 war, dennoch für den Anschluß an Preußen stimmte, da geschah dies in einer Zeit, als Berling - und das war sicher kein Zufall - in Karlsbad war. Georg Heinrich war nun einmal kein Preußenfreund, und einen Freund Bismarcks wollte er sich auch nicht nennen. Als man ihm zumutete, 1882 für Herbert [sic!] Bis-

1926/2 - 42


1926/2 - 43

marcks Reichstagswahl einzutreten, lehnte er trotz aller ehrenvollen Versprechungen ab. Als ihn aber deshalb ein liebedienerischer und gewissenloser Beamter durch eine gemeine Intrige aus dem Amte bringen wollte, da trat ganz Lauenburg für den so schmählich Verdächtigten ein. Er wurde vor Gericht glänzend gerechtfertigt, und die Ritter- und Landschaft überreichte ihm aus diesem Anlaß einen wertvollen goldenen Pokal, seine Anhänger aber einen silbernen Tafelaufsatz mit symbolischen Nachbildungen Büchens und der drei Städte.

Georg Heinrich Berling hat sämtliche Ehrenämter verwaltet, die Lauenburg damals zu vergeben hatte. Er war Mitglied des Kreistages und Kreisausschusses, der Synode und des Synodalausschusses, des Provinziallandtages, des preußischen Abgeordnetenhauses und des Reichstages. Sein Gut hatte er verpachtet. Er selbst lebte, seit die Erbauuug der Bahnen die Verlegung von Zollverwaltung und Post in deren Nähe erforderlich machte, in einem Hause nabe dem Büchener Bahnhof. Seine frische Tatkraft bewahrte er bis zu seinem Tode. Die Verehrung, die man ihm entgegenbrachte, war allgemein. Als er 1896 starb, widmeten ihm selbst die politisch gegnerischen Blätter anerkennende Nachrufe.

Der letzte Berling schließlich, der auf Hof Büchen saß, war seinem Vater ähnlich in der Treue gegen seinen Beruf und der Hingabe, mit der er seine zahlreichen Ehrenämter verwaltete. Auch HEINRICH BERLING hat in all den Lauenburgischen Körperschaften gewirkt, in dem der Kammerrat Sitz und Stimme hatte. Er war außerdem Kreisdeputierter, Mitglied des Provinziallandtages und der Generalsynode. Aber der großen Politik hielt er sich fern. Er war keine Kampfnatur. Er hatte sich schon als Jüngling gebeugt, als der Vater ihm während des Krieges gegen Oesterreich 1866 untersagte, in die preußische Armee einzutreten. Und als er kurz vor dem französischen Kriege doch als Offizier in den aktiver Dienst übertrat, mußte er schon 1872 als Premierleutnant wieder den Abschied nehmen, weil der Vater und der alte Familienbesitz es forderten. Auf Büchen hat er dann 36 Jahre hindurch treu und tatkräftig gewirkt, allen Hilfesuchenden ein freundlicher Berater, bis ihn ein früher Tod nach kurzer Krankheit seinen Angehörigen entriß.

Als Heinrich Berling gestorben war, stand der alte Herrenhof in Büchen verwaist da. Sein Sohn hatte sich einem gelehrten Berufe zugewandt. Es gab niemand mehr in der Familie, der das Erbe der Berlings hätte übernehmen können. So wurde denn der alte Stammhof verkauft, die Hauptsitze der Lauenburger Berlings, Witzeeze und Büchen waren nun in andern Händen.

In Lauenburg lebt von den beiden Hauptzweigen der Berlingschen Familie kein männlicher Sproß mehr. Aber draußen im Reich blüht das alte Geschlecht, und es bewahrt treu das Andenken an seine Vorfahren, und es spinnt gern Fäden hinüber zu den Berlings, die in andern Ländern ihr Glück und ihre Heimat gefunden haben. Unvergessen aber bleibt ihnen ihr liebes Lauenburger Heimatland.
 

* * *


 

 

 

 

 

 

 

 



*