Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


LAUENBURGISCHE HEIMAT Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg - E V
Schriftleitung: Landesarchivar Dr. Hans Ferd. Gerhard in Ratzeburg
Lauenburgischer Heimatverlag
(H. H. C. Freystatzky's Buchdruckerei) in Ratzeburg
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Erscheint vierteljährlich und wird den Mitgliedern des Heimatbundes kostenlos zugesandt. Vereinsbeitrag jährlich 3.00 RM. Beitrittserklärungen sind an Vorsitzenden Dr. H. F. GERHARD in Ratzeburg zu richten

Heft 3 Ratzeburg, Juli 1926 2. Jahrgang

 

1876-1926.

Der 1. Juli bringt uns eine Fünfzigjahrfeier, bringt uns den Tag, an dem vor einem halben Jahrhundert unsre Heimat als Kreis Herzogtum Lauenburg in die preußische Monarchie einverleibt wurde. Verbietet auch die Not der Zeit, diesen Gedenktag festlich zu begehen, so soll doch ein schlichtes Wort der Erinnerung an diesem bedeutsamen Tage nicht fehlen.

Es war am 21. Oktober 1864, noch bevor der Wiener Frieden den dänischen Krieg beendigte, da beschloß die Lauenburgische Ritter- und Landschaft fast einstimmig, „daß sie sich in Anbetracht der Lage des Landes an Preußen anzuschließen wünsche, unter Wahrung des Landes als eines eigenen deutschen Herzogtums und der Landesverfassung." Am 7. November reiste eine Deputation zu Bismarck und erhielt günstigen Bescheid. Auch König Wilhelm erklärte, den Wünschen Lauenburgs willfahren zu wollen.

Doch es mußte noch mancher Tropfen Wasser den Berg hinabfließen, bis der Wunsch der Ritter- und Landschaft zur Wirklichkeit wurde. Die Verhandlungen zwischen Preußen und Oesterreich führten zunächst zum Gasteiner Vertrag, in dem Oesterreich seine Rechte an Lauenburg dem König von Preußen gegen eine Summe von 2 1/2 Millionen dänischer Taler überließ. Dann erst - am 1. September 1865 - ergriff König Wilhelm förmlich von Lauenburg Besitz. Und erst am 26. September fand in der Stadtkirche zu Ratzeburg in Gegenwart des Königs und des zum Minister für Lauenburg ernannten Grafen Bismarck die Erbhuldigung der Ritter- und Landschaft statt. Das Herzogtum Lauenburg war nun erst durch Personalunion mit Preußen verbunden.

Die Landesvertretung und die Organisation der Behörden blieben damals fast unverändert. Aber eine lange Reihe gesetzgeberischer Reformen bewirkte langsam einen immer enger werdenden Zusammenschluß der beiden Länder, bis erst nach etwa zehn Jahren die Verhältnisse für ein Aufgehen Lauenburgs in Preußen reif wurden.

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Es ist außerordentlich interessant, dieses langsame Reifen zu beobachten. Bismarck, der Mann der schnellen Tat, war hier, wo er der Frucht sicher war, der kluge Gärtner, der zu warten versteht. Zwar sandte er schon 1867 den Staatskommissar von Ompteda nach Lauenburg mit dem ausdrücklichen Befehl, die Einverleibung durch Verhandlungen anzubahnen. Als dieser aber 1869 mit leeren Händen zurückkam, ward der große Staatsmann nicht ungeduldig und erklärte, die Einverleibung nicht durch Ausübung eines Drucks erzwingen zu wollen. Er wußte, die oben genannten Reformen würden ihre Wirkung nicht verfehlen.

Und so geschah es denn auch, Besonders auch dadurch, daß Lauenburg in militärischer Beziehung in Preußen aufging, daß die Gesetzgebung des Zollvereins, das Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch und die deutsche Wechselordnung in Lauenburg eingeführt und daß das Post- und Münzwesen im preußischen Sinne geregelt wurden, bahnten sich so enge Beziehungen zwischen den beiden Ländern an, daß in Lauenburg der Wunsch nach vollständiger Einverleibung immer lebendiger wurde. Andrerseits freilich konnten die Gegner Preußens es diesem nicht vergessen, daß man dem kleinen Lauenburg die Abtragung der österreichischen 2 1/2 Millionenschuld aufgebürdet und die Aufhebung der Elbzölle, die dem Herzogtum jährlich 45000 Taler gebracht hatten, ungerechter Weise ohne jede Entschädigung Lauenburgs durchführte. Bismarck - so beklagte man sich - habe nur zu sehr Recht gehabt, wenn er der unverständigen Opposition des preußischen Abgeordnetenhauses das Wort entgegenhielt. "Jeder Schritt zu uns hat von Lauenburg durch eigene Opfer erkauft werden müssen."

Aber die Frucht kam dennoch zur Reife. Die Justizreform beseitigte den alten Behördenorganismus in Lauenburg, indem sie das Hofgericht aufhob und dem Konsistorium, den Aemtern und den Adligen Gütern die Gerichtsbarkeit nahm. Eine neue Steuergesetzgebung glich die Verhältnisse Lauenburgs denen in Preußen an. Vor allem aber kam der Krieg 1870/71 und mit ihm ein tieferes Verständnis für die Größe Preußens und Bismarcks. So wurden denn die Verhandlungen im Frühjahr 1871 mit Energie wieder aufgenommen. Man ging daran - wohl im Hinblick auf beabsichtigte Bismarck-Ehrung -, die Domänenfrage schon vor der Einverleibung zu behandeln und schloß am 1. Juni den bekannten Staatsvertrag von 1871, der den Sachsenwald als freies Eigentum des Königs aus dem Domanium herausnahm, den Rest aber zum freien Eigentum des Herzogtums Lauenburg erklärte. Schon zwei Tage darauf genehmigte König Wilhelm den Vertrag, der zur wichtigsten Grundlage der Lauenburgischen Sonderrechte werden sollte. Und bereits am 24. Juni wurde der Sachsenwald dem Fürsten Bismarck "in Anerkennung seiner Verdienste als eine Dotation zum Eigentum übereignet."

Mit der Regelung der Domänenfrage war der erste und wichtigste Schritt zur Einverleibung Lauenburgs in Preußen getan. Aber bis zum Abschluß des Processes sollten noch fünf weitere Jahre ver-

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gehen. Zunächst traten finanzielle Schwierigkeiten ein. Für das verlorene halbe Einkommen aus dem Domanialbesitz mußte Ersatz geschaffen werden, und die Neuverteilung der Staatsausgaben erforderte eine weitere Erhöhung der Staatssteuern. So wurden denn Gesetze über die Erhebung von Stempel-, Grund- und Gewerbesteuern und über eine Eisenbahnabgabe erlassen. Dann aber wurde lange darüber verhandelt, welche Lasten dem neuzubildenden Landeskommunalverbande als Gegenleistung für die Ueberlassung des Domänenbesitzes aufzulegen seien. Und da kam es endlich zu den Festsetzungen, die in dem Gesetz vom 7. Dezember 1872 niedergelegt sind. Der Landesverband übernahm danach vornehmlich die Tilgung und Verzinsung der Schuld von 1866, ferner die Unterhaltung der Chausseen und der Lauenburgischen Gelehrtenschule, die Pflege des Armenwesens und die Unterstützung und Errichtung von Landes-Anstalten, die der Landesgeschichte sowie der Förderung der Wissenschaft und Kunst im allgemeinen dienen.

Mit diesem neuen für Lauenburgs Sonderrechte bedeutsamen Grundgesetze war der zweite wichtige Schritt zur Einverleibung getan. Der Weg war jetzt frei, zumal inzwischen auch das Polizeiwesen neu geregelt, die Selbstverwaltung der Städte und Landgemeinden eingeführt und der Bauernstand durch die Aufhebung der Meier-, Erbzins- und Erbpachtverhältnisse zum unbeschränkten Herrn über seinen Besitz gemacht worden war. Am 1. Januar 1873 wurden die altlauenburgischen Behörden, Regierung und Aemter, aufgelöst, und ein preußischer Landrat und Landvögte nach preußischem Muster nahmen ihre Stelle ein.

Nun blieb nur noch der letzte Schritt zu tun. Er wurde gegen Ende des Jahres 1874 vorbereitet durch neue Verhandlungen zwischen der Lauenburgischen und Preußischen Regierung, zu denen als Beauftragter der Landesvertretung der Erblandmarschall von Bülow hinzugezogen wurde. Diesem aber wurde eine von der Ritter- und Landschaft gewählte Kommission zur Seite gestellt, die ihn in allen wichtigen Fragen beraten sollte.

Schon nach wenigen Monaten kamen die drei Kommissare zu voller Einigung darüber, daß neben gewissen steuerlichen Bestimmungen der Anschluß an die Provinz Schleswig-Holstein, die Uebernahme sämtlicher Staatsbeamten, die Aufhebung des Lauenburgischen Konsistoriums und die Aufrechterhaltung der bisherigen Verwaltung des Domanialvermögens die Grundlagen des Einverleibungsgesetzes bilden müßten. Aber die Landesvertretung Lauenburgs gab sich noch nicht zufrieden und suchte - teilweise mit Erfolg - von Preußen noch weitere Zugeständnisse zu erreichen. Da aber riet Bismarck in einem vertraulichen Schreiben, den Bogen nicht zu überspannen. Und so wurde denn am 15. März 1876 der Vertrag unter Vorbehalt der Genehmigung der beiderseitigen Regierungen und Landesvertretungen vollzogen.

Den vorletzten Akt des Einverleibungsprozesses bildeten nun die Verhandlungen im preußischen Abgeordnetenhause. Sie aber sind eigentlich ein Satyrspiel, dessen groteske Scenen wir uns heute kaum

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noch vorstellen können. Die damaligen Liberalen, voran der als Gelehrter so hochbedeutende Rudolf Virchow, liefen Sturm gegen die Vorlage. Man nannte Lauenburg eine Wüste, eine ausgequetschte Zitrone, ein Land, dessen Bevölkerung vorwiegend vom Schmuggel lebe, und wollte von der Eingliederung überhaupt nichts wissen. Erst als Bismarck ironisch erklärte, "er habe es sich nicht so schwierig gedacht, dem Preußischen Staat zu vermögen, daß er ein wohlhabendes, wohlstehendes, wohlgelegenes Herzogtum, das man ihm auf dem Präsentierteller anbietet, annehme" - erst da kam man zur Besinnung. Und nun endlich wurde die Vorlage in den Sitzungen vom 2. und 3. Juni in dritter Lesung einstimmig angenommen. Und unter dem 23. Juni 1876 ergingen die gleichlautenden preußischen und lauenburgischen Gesetze, deren § 1 lautet. „Das Herzogtum Lauenburg wird vom 1. Juli 1876 ab in Gemäßheit des Artikels 2 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat mit der preußischen Monarchie für immer vereinigt."

So verlor denn das Herzogtum Lauenburg vor fünfzig Jahren seine Selbständigkeit, es wurde ein schlichter preußischer Kreis. Aber - so dürfen wir mit Stolz sagen - unser Land hat auch in dem neuen Verbande eine Stellung erhalten, die es aus der Zahl der übrigen Kreise weit heraushebt. Es ist zu einem selbständigen Landeskommnnalverband gemacht worden, und ihm sind Rechte gegeben und Pflichten auferlegt wie keinem andern Kreise des Preußischen Staates.

Lauenburg hat, wie es schon jenes Bismarckwort aussprach, für seinen Anschluß an Preußen große Opfer bringen müssen, und es hat auch nachher nicht an Zeiten gefehlt, wo die Hand der preußischen Regierung neue Opfer an alten wohlverbrieften Rechten forderte. Daraus aber sind wieder allerlei Mißverständnisse entstanden, und die Verwaltung, wie die Bevölkerung Lauenburgs haben mehr als einmal Proteste gegen unberechtigte Forderungen Berlins erheben müssen. Heute jedoch wollen wir an diese Vorgänge der letzten Jahre nicht länger denken. Wir wollen uns vielmehr der Freude überlassen, daß unser Land in den wohlgefügten Staatsorganismus Preußens angenommen wurde und dadurch Anteil an den wirtschaftlichen und kulturellen Gütern erhielt, die nur ein Staat von der Größe und Bedeutung Preußens seinen Angehörigen bieten kann. Lauenburg fühlt sich mit den Schwestern Schleswig und Holstein innig verbunden und hält Preußen, dem Lande seiner Wahl, unverbrüchliche Treue. Gerade in diesen Tagen hofft es mit besonderer Zuversicht, daß sich bald auch die letzten Wolken verziehen, die den Bund Preußen-Lauenburg heute noch beschatten.

G.


 


 

 

 

 

 

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