Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1928


[Miszelle]

Aus alter und neuer Zeit


 

Landleben in Lauenburg vor 80 Jahren. Wenn man mit ganz alten Leuten spricht, die auf dem Lande wohnen oder ländlichen Verhältnissen entstammen, muß man unwillkürlich Vergleiche zwischen einst und jetzt ziehen. Wie viel hat sich inzwischen verändert, wie viel einfacher haben die Leute in alten Zeiten auf dem Lande gelebt! In der Regel wurde von früh bis spät gearbeitet. Vergnügungen gab es wenig im Laufe des Jahres. Wenn aber einmal gefeiert wurde, so freute man sich lange vorher darauf und genoß die Festlichkeit in vollen Zügen.

Die Wohnstube im derzeitigen niedersächsischen Bauernhause diente sowohl der Herrschaft, wie auch dem Gesinde zum gemeinsamen Aufenthalt und zum Einnehmen der Mahlzeiten. Dieser Raum war mit hölzernen Bänken, Brettstühlen, großen Tischen, einem Milchschrank und einer Standuhr ausgestattet. Die Wände waren gekalkt, der weißgescheuerte Holzfußboden wurde mit hellem Sand bestreut. Gardinen gab es da nicht, die Fenster hatten nur Rouleaus. Die Vollbauern besaßen schon eine beste Stube, deren Wände farbig gestrichen waren. Die ganz schlichten Möbel waren meistens vom Dorftischler angefertigt. Man sah in dieser Stube ein Sofa und Stühle, die mit Roßhaarstoff bezogen waren, einen Tisch, eine Schatulle und einen großen Koffer. Teppiche kannte man nicht und ebenfalls auch hier keine Gardinen. Die Fenster der besten Stube hatten nur Stoffrouleaus mit farbigen Landschaftsbildern. Zum Schlafen wurden vielfach noch Alkoven benutzt. In der Küche war überall ein offener deutscher Herd und das Wasser holte man mit an Ketten befestigten Eimern aus offenen Brunnen. Als Beleuchtung dienten Öllampen und selbstgegossene Talglichte; auch die sogenannten Tranküsel, wie die Bäcker sie später noch lange benutzt haben, konnte man in den Küchen, auf den Dielen und in den Kammern sehen.

Der Bauer weckte seine Leute morgens selbst. Nachdem 2 Stunden lang gearbeitet worden war, gab es Grützsuppe und Brot. Dann wurde im Laufe des Vormittags gefrühstückt, wobei Brot, Schinken, Wurst und Speck gegessen wurde; dazu tranken die Männer Kornschnaps und die Frauen und Mädchen den beliebten Zichorienkaffee. Um 12 Uhr wurde zu mittag gegessen. Es kamen Grützsuppe oder dicke Milch auf den Tisch, dann meistens Kartoffeln uud Speck, zum Schlusse gab es Brot, um, wie man sagte, "den Magen zu schließen". Es wurde gleich nach dem Mittagessen weitergearbeitet, eine Mittagspause kannte man nicht. Zum Vesperbrot trank man Zichorienkaffee.
Abends gab es wieder Grützsuppe oder dicke Milch und dazu Bratkartoffeln. An einem bestimmten Tage in jeder Woche wurden zu mittag Pfannkuchen gebacken und man aß sich an diesen satt. An Brot wurde fast nur Roggengrobbrot gegessen. Feinbrot, Kuchenbrot mit Rosinen und Korinthen sowie Topfkuchen spendierte man nur zu Festzeiten. Weihnachten aß man zur Erhöhung der Festfreude mittags Brotpudding, plattdeutsch "Grote Klüt" genannt, der, von einem Leinentuch zusammengehalten, in einem großen Kessel gekocht wurde. Jeder hatte an Tischgeräten einen Holzlöffel, eine Gabel und ein Messer. Alle fuhren mit ihrem Löffel in die Suppe, welche in einer großen Schüssel auf dem Tisch stand, und löffelten sie so aus. Die Bratkartoffeln kamen in der Pfanne aus den Tisch und jeder aß direkt aus der Pfanne mit seiner Gabel.
Nach dem Essen wischten die Hausgenossen ihre Eßgeräte mit dem Tischtuch ab und legten sie in eine Tischschublade oder man steckte Löffel, Gabel und Messer in einen Riemen, der am Fensterbrett befestigt war. Besonders abgewaschen wurden diese Eßgeräte nicht. Kein Wunder, wenn bei solchen Gewohnheiten die Tuberkulose auf dem Lande erschreckend häufig in Erscheinung trat. Von hygienischer Lebensweise wußte man vor 80 Jahren fast nichts auf dem Lande, man ließ daher aus Unwissenheit die einfachsten gesundheitlichen Regeln außer acht. In dieser Beziehung ist es inzwischen erfreulicherweise bedeutend besser geworden.

Es wurde schon damals am heiligen Abend ein Tannenbaum angezündet. Die Knechte erhielten einen Taler als Geschenk uud die Mädchen wurden mit Stoff zu einem Kleid oder mit sonst nützlichen Sachen beschenkt.

1928/4 - 144

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Es war Sitte, daß an jedem Sonntag jemand aus dem Hause am Gottesdienst in der Kirche teilnahm. Die Herrschaften wechselten mit den Dienstboten regelmäßig ab.

Zu Fastnacht sammelten die Knechte bei den Besitzern im Dorfe Eier, Schinken, Speck, Butter und Brot. Es kam auch vor, daß die Dienstboten die Hühnernester selbst nachsuchten Die Lebensmittel wurden dann bei den Katenleuten zubereitet und gemeinsam bei dem 2 Tage dauernden Tanzvergnügen verzehrt. Ferner wurde Pfingsten und nach der Ernte getanzt.

Inzwischen ist eine andere Zeit gekommen. Man drischt das Getreide nicht mehr mit dem Dreschflegel. Maschinen der verschiedensten Art erleichtern heutzutage die Arbeiten in der Landwirtschaft. Mit dem schnellen Verkehr durch die Eisenbahn und die Kraftwagen kam auch ein anderer Zug in die Landwirtschaft hinein. Die Wege sind verbessert, es ist jetzt nicht mehr so schwierig, vom Lande in die Stadt zu kommen. Dadurch sind, wie es nicht anders sein kann, die Ansprüche der Landbevölkerung gewachsen. Nur in ganz seltenen Fällen wird heute noch auf dem Lande gesponnen und gewebt. In jedem größeren Dorfe ist Gelegenheit, die zum Leben nötigen Gegenstände zu kaufen, so daß die Selbstherstellung von vielem durch die Landbewohner nach und nach außer Gebrauch gekommen ist.

K. V.

 

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