Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Der Groschen gilt doch allemal besser, da er geschlagen ist.

Von U. v. Rundstedt.
 

Nach der Einäscherung Ratzeburgs durch das dänische Bombardement aßen zahlreiche Bürger das bittere Brot der Fremde. Viele blieben ganz weg, aber andere trieb doch nach Jahren das Heimweh zurück an die Brandstelle ihres Hauses. So bekam Anfang 1701 der Ratsherr Classen durch die Torwache ein Schreiben, pflichtmäßig vom Wachthabenden erbrochen, wie der Vermerk zeigte: "Durchgelesen. Simon Glanz in Lüneburg. under d. M. Meville." Dieser Major hatte damals eine Kompanie des Regiments de Luc (vormals Boisdavid), das seit der Besitzergreifung 1689 in Ratzeburg stand. Die Anschrift lautete: "Dieses prifel zu bestellen an den Herrn Frantz Classen Rathsherrn zu Ratzen purg." Rechtschreibung und Mundart kennzeichnen den Absender als Süddeutschen, wohl Böhmen. Er mag von dort durch die askanischen Herzöge in die Stadt gelangt sein. Es hieße dem Inhalt viel von seiner Treuherzigkeit nehmen, wollte man an seiner krausen Satzbildung und Rechtschreibung wesentliches ändern. Ich meine, die Mühe des Durchstudierens lohnt sich. Also bitte!

In sonders hoch geehrter Herr Und Purger Meister ich kan nicht unter lasen zu schreiben an Meinen liben Herrn Und höch ge neigte libe Oprigkeit ich kan nicht unter lasen an die libe herrn zu schreiben Und zu piten Waser Masen als ich da Mal bin rausgegangen als ist sie bewußt das die libe Oprigkeit befohlen hat, das man sich sol auf 5 Monadt vor alle Mandier (veralimentieren) als habe ich da Mal Wol versehen, als habe ich Meine Frau Wollen hinaus bringen Und habe sie hinaus gebracht, als ich sie hinaus gebracht Nachher grinow (nach Groß-Grönau) so hat sich der feindt da sehen lasen, so ist Mir pange worden da vor, doch aber habe ich wollen wieder hin (d. h. nach Ratzeburg) zu Waser, so hat mich Mein Mintz Meister warnigen lassen, das ich sollte nicht hinein gehen, das ich keinen schaden bekom sol fix mich vieleicht wol zu Wissen sein. Da mal hat er mir doch die Strampelmann’s tirn (Dirne) dar gesand das sie mir solte sagen das ich nicht solte dar bleiben Und hat mich geschucht aber sie hat Mich nicht gefunden, Als aber ich mit meiner Frau bin Nacher libeg (Lübeck) gekommen, als das dor aufge macht ist worden, so hat Mir partel der bote am tor pegegen so hat er Mir angefahren Wo hat dich der teufel gehabtl das Man dich nicht gefunden, so hab ich zu ant Wort geben Worum? so hat er mir zu ant Wort geben Unser Herr Wagener Wil mich gerne sprechen Und ich sol Nicht eher aus liebeg

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gehen bis das er Mich gesprochen hat, als bin ich und meine schelige Frau da hin gewesen aber War Nicht zu Hause. Nach dem bin ich gleich wieder vor bey gegan so hat Mich seine Frau Wieder gerufen so habe ich midt ihr gesprochen, so hat sie Mir zu ant Wort geben ich sol Nicht eher weggehen der Herr wil Mich sprechen. Nach dem ist er zu Hause gekom so hat er Mich gefragt Wo meine Frau und Kint were so habe ich zu ant Wort geben ich habe sie zur Nacher grino Nach ihren Vater gepracht, so hat er Mir zu ant Wort geben das ist Mir lieb, so habe ich zu ant Wort geben Ich wil Wieder hin, so hat er Mir gesagt ich fol so lange in seinem Hause bleyben bis das er von Lager (v. dänischen Lager) wieder kommen thudt, so bin ich dar geblieben Und Wie er Wieder kompt so hat er Mir gesagt Nun fol ich nur nacher grino gehen und sol dar bleiben Nun kon ich nicht wieder dar hin kommen als sich so verhalten hat, als dan haben die Feinde dar rum gestanden so bin ich dar hin ge ganen und habe Wollen sehen was vor folg (Kriegsvolk) dar ist, so haben sie Mich dar Megenom (mitgenommen) Und haben mich Nach dem Haubt Kwadtier gepracht Und haben Mich gefragt Was die Herrn liene bar (Lüneburger) macht so habe ich zur ant Wort geben sie arbeht, Wieder fragen sie, Was sie gedenk, so habe ich zu ant Wort geben, was sie puten (buten - draußen) getengen das getengen sie auch so haben sie Mich gefragt Wie fiel Stuck (Geschütze) sie haben so habe ich zu ant Wort geben sie haben Mihr stuck als da (Tage) im Jahr, so haben sie Mich dar behalten als wan mich der hertzog hete hinaus gesandt als ein Kuntschafer, ich aber gab zu ant Wort der Herr hat Niemandt von Neten er forcht sich nicht. Dar auf meine Frauen zu piten lasen das sie solle nach liebeg zu Meinem alten Herrn gehen Und Solte Mir ein klein zeugnis geben, das ich mit solen dingen nicht Umb gehen thue, so hat er Mir ein Zeugnis gesandt so haben sie Mich wieder los gelassen, als ich aber los war, so ist einer von des hertzogs leuten die weg ge laufen waren die sagten sie sollen Mich nicht Weg lasen pis das ich Midt vor ratzborg war sondern ich Möchte bey roten Haussen Über gehen Und in die Stadt gehen und Möchte alles sagen wies war, so habe ich müssen dar bleiben bis sienaben (Sonnabend) dar Nach bin ich Nach Hauße gegan sieder bin ich Nich Mihr dar gewesen Und wan sie mir nicht glauben wollen so fragen sie Nur Meister Jo Han Struch sein Frau Und seine Mutter und alle grinoer, sie werden Nicht anders sagen das ich immer bin dar gewesen als habe ich an Meine libe Oprigkeit zu biten wan ich die gnade haben konte das ich wieder könte Wonen dar, Und Mein brodt haben. ich vorhof ich Werde vor diesem Mich vor halten haben das Meine libe obrig Wirdt nicht zu klagen haben, in allen ansgeben, SONDER DER GROSZEN GILDT DOCH ALS MAL DOCH BESSER DAR ER GESCHLAGEN IST, ich wollte das Mein Hansigen dar stünde Und wan das es miglich Wehre so hab ich zu meine lie oprigkeit Mein flehen und piten Umb gotes Willen, weil ich doch das Meinige als Verlassen habe Und Nichtes dar Von bekommen habe wieder von, so habe ich lust Nach wieder dar hin, ich habe zu piten an den Herrn Klassen Und an alle die Herren sie wollten Mir Midt einen demiten (demütigen) Wordt beystehen Möchte umb gotes Willen, ich befehle sie den lieben got alle Midt einander. Anno 1701 den 24. fepruari.

Meister Christian Neumann Kleinschmied itzunder in Ren (Rhena). Ich habe zu piten an den Herrn er möchte Mir doch ein bar ant Wordt schreiben Was die liebe oprigkeit Wirdt ant Worten.

Schon ain 12. März gab der Rat ein befürwortendes Gesuch an die Regierung ein, in dem er sich für Neumann verbürgte, "der sich als ein guter Bürger jederzeit verhalten. Weil aber damals über sein gehabtes Unglück der Gefangenschaft und Verliehrung alles des seinigen das gerücht hier entstanden, daß er im dänischen Lager als ein hiesigen Zustandes Verräther damals gewesen, solches aber sich ganz falsch befunden, so haben E. E. wir dessen Vorhaben hierdurch gehorsamst kund machen wollen, nicht zweifelnd E. E. werden umso mehr demselben alles Schutzes wider solche Verleumdungen genießen und ihn alle Gnade zu seinem Zwecke zu gelangen wiederfahren lassen".

Letzteres tat denn auch die Exzellenz, und das Geschlecht Neumann scheint wieder Wurzeln in Ratzeburg geschlagen zu haben; wenigstens findet sich in der Liste der Hausbesitzer von 1736 der Name.
 


 


 

 

 

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