Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Neuer Kirchenbau. *)

EIN WORT ZUR EINWEIHUNG DER WOHLTORFER KIRCHE.

Von CARL G. BENSEL-Hamburg.

"Jedes neue kulturelle Beginnen symbolisiert sich zuerst im Raum. Und bisher zeigt die Geschichte, das; die Auseinandersetzung mit dem Raumproblem sich vornehmlich im Kultbau manifestiert.

Unsere Hoffnungen würden zu weit gespannt sein, wollten wir in dem heute vorhandenen Material, das uns die Baukünstler aus den letzten zwei Jahrzehnten bieten, schon Ideen und Entwürfe in Vollendung des Geistes der neu sich gestaltenden Auffassung und ihres Ausdrucks erkennen.

Die Wandlungen des Wesens kirchlichen Kultes, besonders der Liturgie, bedingen die sich fortwährend entwickelnde Raumform des Kultbaues. So wird es verständlich, daß innerhalb christlicher Kunst der katholische Kirchenbau aus frühester Form einen sich dauernd und fortlaufend verändernden Ausdruck fand, und daß die aus der katholischen Kirche geborenen andersartigen Bekenntnisse des Protestantismus zu wieder anders gearteter Raumform drängten. So ewig auch die alten Grundgedanken der Kirchenbaukunst sind, in allen Bekenntnissen spüren wir den schöpferischen Willen lebendig, aus neuer Art des Erkennens und Fühlens der unveränderlichen

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*) Am Sonntag, 30. März, wnrdc die neuerbantc Kirche in Wohltorf feierlich eingeweiht. Ein schlichtcr und doch stolzer Bau, hoch über der Straße Wohltorf-Aumühle gelegen. Das Äußere erscheint nur als die einfach gegliederte Hülle des wunderooll harmonisch gestalteten Innenraums. Dieser aber führt geraden Wegs auf den lichtüberfluteten Altar mit dem darüber hängenden, das Ganze beherrschenden Kruzifix zu. "Kommt her zu mir alle, die Ihr mühselig und beladen seid!" spricht dort der friedvolle Gekreuzigte, dessen Hände sich öffnen, als wolle er die zu ihm Kommenden empfangen.
Wir freuen uns, in dem vorliegenden Aufsatz die Gedanken wiedergeben zu können, die den Schöpfer des Baues, Herrn Regierungsbaumeister C. G. Bensel, bei seiner Arbeit beseelten.

Die Schriftleitung.

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christlichen Wahrheit immer wieder künstlerisch neu zu gestalten. Wir spüren heute die Wandlungen unserer Zeit, neues Wollen und Müssen zu neuem Sinn und neuer Form."

Wenn ich diese Eingangsworte meines Aufsatzes "Neuer Kirchenbau" ("Der Kreis" November 1927) anwende auf ein neu vollendetes Werk, die Kirche zu Wohltorf, so stelle ich bewußt auch in diesem Kultbau die Raumform als das Wesentliche voran.

Im inneren Raum, der auch die äußere Form bedingt, wird der Gedanke lebendig, an Stelle des in dem letzten Jahrhundert allein im Vordergrund stehenden Predigtwortes eine vielseitige Wortverkündung, eine Leben gewinnende Liturgie, und die Sakramente als Wortverkünder zu setzen. Und da im evangelischen Bekenntnis nur Hinweise auf die göttliche Wirklichkeit gegeben werden, da im Sakrament nur Symbol erkannt wird, da die Wortverkündung sammelt und aufschließt zu dem Zentralgedanken der Gnade, so geht uns die Symbolkraft des evangelischen Gottesdienstes auf - und hell erscheint uns ein Symbol, das Zeichen des Kreuzes, im Mittelpunkt des Kultraumes stehend. Um dies Symbol sammeln sich der Abendmahltisch, der Platz für liturgische Lesung und Predigt und der Platz für das Taufsakrament.

Das waren die Gedanken, die den Langraum und Kultraum zu einer Einheit gestalteten und das Symbolum, das große Kreuz, als raumbeherrschend erstehen ließen.

Einfachheit und dennoch Größe des Innenraums unterstützten den Hauptgedanken. Die Lichtführung durch Seitenfenster des Altarraums und durch ein Kreuzfenster der dem Kultranm gegenüber liegenden Eingangsseite kann heute nach Vollendung als wirksam zum gleichen Ziel erkannt werden. Das Langschiff, nur mit tiefliegenden runden
Lesefenstern versehen, bleibt mit seinen einfachen geschlossenen, fensterlosen Wänden der Ruhe und Stille gebende und Sammlung zum Kultraum ermöglichende Raumgcstaltungsfaktor. Eine Dynamik zum Zentralpunkt, dem Symbolum, wird stark fühlbar.

Aus dem Zusammenklingen des Raums und des schwebenden Symbolums wird erst das letzte Erlebnis des sakralen Raums. Hier konnte eine Einheit nur aus dem gleichen Wollen von Architekten und Bildhauer, die sich voll gleicher gegenseitiger Resonanz verstanden, entstehen.

Daß die äußere Form den einfachen Langbau mit Altarranm in gleich einfacher Gestaltung zeigen mußte, ist selbstverständlich. Mit dieser einfachsten Grundform wäre auf dem Hügel, dieser bevorzugten landschaftlichen Lage, genug geschehen. Aber Glocken verlangen einen höheren Bau oder gar Turm noch hinzu. Eingangsbau mit seitlichem
Glockenturm legen sich vor den Langbau. Bewußt wurde der Turm seitwärts gestellt, um eine Symetrie [sic!] auf dieser von Natur gegebenen bewegten Hügellage zu vermeiden.

Die ästhetische Formgebung des gesamten Äußern hält sich an das heutige Kunstwollen der neuzeitigen Architektur, klare einfache


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Die neue Wohltorfer Kirche.
Mit gütiger Genehmigung des Verlages aus
"Die Baugilde", Organ des BDA. (Heft 23/1929).
 

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Raumformen als das zuerst Gegebene. Reichere Betonungen sind nur an 2 Stellen zu finden, die Kreuzgruppe, dem Tal und der weiten Ebene zugewendet, und der plastisch umrahmte Eingang.

Als wertvolle künstlerische Mitarbeiter seien vor allem der Bildhauer W. v. Ruckteschell, Dachau b. München, als Schöpfer des Symbolums und der Altarleuchter und der Glasmaler Christel Kuball, Hamburg, als Schöpfer der Glasfenster genannt.

 




Der Altarraum der Wohltorfer Kirche.
Phot.: Gebrüder Dransfeld-Lamburg.

 


 


 

 

 

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