Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1931


Der dänische Einfall ins Herzogtum Lauenburg 1693.

Von U. v. Rundstedt.

(Schluß.)
 

Riecken ergänzt diesen Bericht dahin, daß die Besatzung das Zeughaus - zwischen Stadtkirche und Stadtkaserne gelegen - freiwillig abgebrochen habe, um durch das Feuer auf dieses nicht die Kirche zu gefährden. Das Zeughaus war nur Fachwerk, aus dem Material des Brauhauses vom ehemaligen Schloß gebaut. Am Dom sind 7 mit Blei gedeckte Fächer hell herunter gebrannt. Man trug Wasser in Hüten herbei. Ans Ufer konnten die Leute wegen der Pallisaden nicht kommen und Brunnen waren auf dem Domhof nur spärlich. Hauptmann Strauß, ein Ingenieur, leitete die Löscharbeit. Die Verluste gibt Riecken mit 2 Leutnants 8 Soldaten tot, 2 Unteroffizieren 47 Gemeinen verwundet an, gegen Mardefelt, der nur von "über 30 Blessierten und Toten in allem" weiß, "worunter der Leutnant Holst von Hauptmann v. Fersen und der Leutnant v. Stromberg von Hauptmann v. Wrangel, welcher erste in wenig Stunden gestorben, der andere aber in 5 Tagen. Hernach item 1 Leutnant von Hannover und 1 Fähnrich von uns blessiert, so wieder genesen. Selbigen Tages sind auch in unserem Hafen die 3 größten Schiffe in Grund geschossen und 2 durchbohrt worden." Es waren das alte "Lustschiff" der Askanier, mit kleinen Kanonen bestückt, und Lübecker mit M aterial beladene Fahrzeuge. Georg-Wilhelm ließ später durch einen Taucher Kupfer und Blei aus ihnen heraufholen. Den Lederanzug des Tauchers bezahlte der Herzog nebst der Kupferglocke; dazu bekam dieser, Johann Kolberg, 50 Taler im ganzen und 1 Taler Tagelohn. Der Hafen war südlich der langen Brücke.

Grote berichtet, daß etwa 2000 Schüsse und 1000 Bomben von den Dänen abgefeuert sind. Die Baracken seien erst abends in Brand geraten. Die Werke haben keinen Schaden genommen.

Die Angreifer verbreiteten, in Ratzeburg seien alle Bollwerke vernichtet; einschließlich der Bürger 300 Tote, wogegen die Dänen nur 12 Mann verloren haben wollten. Die Besatzung habe um freien Abzug gegen Hinterlassung der Geschütze gebeten; das sei abge-


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schlagen. Die dänischen Schiffe lägen zum Sturm parat. Vermehren konnte seit dem 19. keine Nachricht mehr nach Ratzeburg bringen oder von da erhalten. Ein Forstbeamter, der Schütze Christian, hatte sich bis dahin noch durchgeschlichen. Einen Boten hatte der Lübecker dänische Agent "vollgesoffen" und ihm Briefe des St. Georgsberger Amtmannes Winter abgenommen. Letzterer wurde daraufhin verhaftet und mit dem Galgen bedroht, schließlich aber nach Lübeck abgeschoben. Lübische Fischer wollten selbst für 100 Taler nicht die Fahrt wagen. "Den 22. August hat man von beiden Seiten wieder stark kanoniert und der Feind bombardiert. Den 23. August hat der Feind im Kanonieren und Bombardieren ziemlich nachgelassen. Inzwischen ist auf Intercession der Geistlichkeit und Bürger vom Herrn Generalleutnant resolviert, 2 Prediger, nämlich einen vom Thumb und einen aus der Stadt, heraus zu lassen, welche den General von den Dänen ersuchen könnten, daß sie den Thumb und Stadtkirche verschonten und die Weiber aus der Stadt lassen möchten. Selbige nun, nachdem sie hinaus kommen, haben zur Antwort erhalten, daß die Verschonung des Thumbs nicht, wohl aber der Stadtkirche beliebet werden könnte und sollten die Weiber und Kinder durchaus nicht herausgelassen werden. Übrigens sollten wir in 24 Stunden nicht arbeiten und schießen, so wollen sie desgleichen auch nicht tun. Wie nun die Prediger nachmittags um 2 Uhr mit dieser Antwort zurückgekommen, haben die Feinde kurz darauf einen Tambour hereingeschickt und vernehmen lassen, ob wir diesen 24 ständigen Stillstand halten und nicht arbeiten wollten, so wollten sie dergleichen tun, worauf vom Herrn Generalleutnant die Antwort erfolgt, daß morgen deswegen die Resolution erteilt werden sollte, so auch geschehen, und ist von beiden Seiten mit Schießen und Arbeiten eingehalten worden.

Den 24. August des Morgens ist ein Tambour vom Herrn Generalleutnant an den Generalmajor de Cormaillon mit einem versiegelten Schreiben abgefertigt, bestehend in der gestern versprochenen Resolution, daß ein Jeder die Werke und Arbeiten, so er gemacht, zur Perfektion bringen möchte, würde man aber weitere neue Werke sehen, so wollte man dergleichen tun. Worauf der Stillstand von beiden Seiden placediert und inzwischen nicht geschossen worden."
(Mardefelt.)

Von Riecken hören wir, daß am 23. August die Regierung aus dem Dom in eins der Gewölbe der Stadtbefestigung zog, der "Heilige Geist" erst jetzt abbrannte und die Soldaten in den Kirchen und Häusern plünderten. Grote bestätigt letzteres. Die geistliche Abordnung hatte ihm einen Brief des Oberst v. Bülow mitgebracht, der Dom könne nicht geschont werden, weil Lebensmittel darin lägen. Am 24. hatten die Soldaten die Keller ausgeraubt und die Stadtkirche aufgeschlagen und geplündert, auch den Gotteskasten. Die dort untergebrachten Akten der Regierung hatten sie herumgeworfen. Boisdavid schritt trotz Grotes Ersuchen nicht ein, begnügte sich, "anzudeuten, sich des Mausens zu enthalten", was natürlich nichts half. Nachts wurden heimlich Schweine geschlachtet und Tags öffentlich gekocht. Der Hamburger Kaufmann Claßen, dem die Verproviantie­
 

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rung übertragen war, hatte durch diese Plünderungen einen Schaden von 2000 Talern.

Im ganzen war mit Annahme des Waffenstillstandes der erste Versuch, sich Ratzeburgs zu bemächtigen, gescheitert. Ganz unnötigerweise schlug gerade an diesem Tage Vermehren Alarm: Der König werde am 24. im Lager eintreffen und dann der Sturm stattfinden. "Entsatz, Entsatz ist der Festung Ratzeburg höchst nötig, denn die Länge die Last tragen tut!" Die Lübecker ließen die Wakenitz frei laufen, so daß das Wasser schon stark gefallen sei. Auch stellten sie den Dänen Schiffe. Das erstere war nicht zutreffend. An Entsatz konnte Georg-Wilhelm nicht denken. Er fürchtete selbst dänische Übergangsversuche über die Elbe, wobei die Haltung der Schwerinschen Festung Dömitz und des Güstrowschen Boizenburg wichtig war. Es gelang, beide neutral zu halten. -

"Den 23. 8. hat man aufm St. Jürgens Berg ein ganz neu angefangenes Werk aufgeworfen gesehen und haben die Dänen alle ihre Werke wieder reparieret, man hat aber den ganzen Tag nichts Feindliches vorgenommen, sondern gegen Abend ist ein dänischer Tambour zu uns geschickt worden mit einem Schreiben von Herrn Geheimrat Bünsow an Herrn Gramann des Inhalts: daß, auf beschehenes Ansuchen, des Herzogs von Mecklenburg und Bünsows Möbel wohl heraus passiert werden könnten, wenn wir dieselben folgen lassen wollten. Worauf geantwortet worden, daß die Erlassung vorerwähnter Möbel ohne Ihrer Durchlaucht unsers allergnädigsten Herrn Consens und erpresse Ordre nicht geschehen könnte und wenn die Herren Dänen diesen Consens nicht auszuwirken vermöchten, so müßte von Mecklenburgischer Seite darum angehalten werden.

Den 26. 8. Nachmittags ist abermals ein dänischer Tambour mit einem Brief von Herrn de Cormaillon an unsern Herrn Generalleutnant eingesandt, des Inhalts, daß der Waffenstillstand bis den 27. inclusive prolongieret wäre; wenn wir inzwischen nach Lüneburg schreiben oder Jemand schicken wollten, stünde es uns frei, worauf ein Paß für einen Offizier von uns verlanget und erhalten worden, mittels welchem der Herr Oberstleutnant v. Frechapelle den 27. 8. Nachmittags abgefahren ist, wobei zu merken, daß die Dänen ihm nicht vergönnen wollten, mit seinem Wagen und Pferden nach Ihrer Durchlaucht zu reisen, aus Ursache, weil man dasselbe nicht verlanget und im Paß exprimieret wäre. Sind ihm denhero vom Herrn Feldmarschall von Wedell zwei Pferde bis Mölln und folglich vom Herrn de Cormaillon ein Wagen bis Lüneburg gegeben worden.

Den 28. 8. hat man auch auf Ansuchen einen Paß für den Hauptmann Strauß und Sekretär Jarchau aus dem dänischen Lager herausgeschickt, wobei zugleich der Herr General de Cormaillon an unsern Herrn Generalleutnant geschrieben, daß die Sache in Traktaten begriffen sei und der Stillstand bis zum 1. 9. prolongieret wäre. Inzwischen hoffe man, es würde zum gütlichen Vergleich kommen, weil der König alle billigen Vorschläge annehmen würde." (Mardefelt.)
Beides war Schwindel. Die Dänen bereuten, nicht im Anschluß an

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das Bombardement gestürmt zu haben, aber da hatte Wedell einen Gichtanfall gehabt. Als Friedensbedingung verlangte der König gänzliche Räumung des Herzogtums samt Festung und 2 Millionen Taler Entschädigung für seine Kriegskosten. Georg-Wilhelm hatte keine Veranlassung, auf diese Forderung einzugehen. Frechapelle konnte ihm melden, daß man in Ratzeburg gutes Muts sei, und Strauß, der über Lübeck nach Harburg ging, berichtete, an Lebensmitteln sei noch 16 Wochen Brotvorrat und für 8-10 Wochen Branntwein, Speck, Butter, Erbsen und Grütze vorhanden. Unter dem mangelnden Schutz gegen "Schlacker und Regen" litte besonders die Miliz, die keine Mäntel hatte. Immerhin hatten die Leute auf dem Domkirchhof sich Unterstände gebaut, die Riecken mit Türen und Fenstern "artig" fand. Man hatte auch, ebenso wie die Dänen, ruhig weiter geschanzt und eine neue Batterie auf dem Domhof zwischen der herzoglichen Kirche und dem Altfrauenhaus fertiggestellt, die am 3. 9. mit 2 Mörsern bestückt wurde. Sie sollte in Richtung der Pfaffenmühle wirken, wo man feindliche Übersetzabsichten vermutete, denn von den Pallisaden war nicht mehr viel übrig. -

"Den 29. 8. ist ein dänischer Dragonerkapitän, namens Sprengell, mit einem Tambour angekommen, mit dem Anbringen, daß weilen bei währendem treves es nicht Kriegsgebrauch wäre, an den Werken etwas zu reparieren und zu arbeiten, also hätte der Feldmarschall v. Wedell von seinem König ordre, wenn wir mit der Arbeit nicht einhalten würden, von neuem Feuer auf uns zu geben, wollte dennoch sich mittels diesem sich deswegen melden und wegen künftiger, daraus entstehender Verantwortung protestieren. Darauf ist dem Herrn Kapitän die Antwort gegeben, daß, ob man zwar nicht nötig hätte, mit der Arbeit einzuhalten, weil sie mit der Arbeit bis dahin nicht angestanden, so wollte man doch, wenn sie desgleichen tun wollten, künftig die Arbeit bleiben lassen.

30. 8. ist von beiden Seiten nichts passiert, sondern es sind unter der Hand die Werke repariert worden. (!)

Den 31. 8. ist der Sekretär Jarchau mit eingekauften Viktualien vor dem Herrn Generalleutnant von Lübeck wiedergekommen und hat die am 15. zu Fredeburg arrivierten Celler Briefe von Lübeck mitgebracht.

Den 1. 9. Mittags 12 Uhr ist der Herr Oberst de Frechapelle von unserm gnädigsten Herrn zurück anhero gekommen, die von Sr. Durchlaucht demselben mitgegebenen vivres als 4 Kälber, 8 Schafe, 12 Gänse, 24 Hühner und andere Sachen aber haben die Dänen angehalten, nicht wissend, aus wes Ursache.

Den 2. 9 ist ein Schreiben von Herrn Gramann ins Lager gesandt, um zu vernehmen ob die mecklenburger Leute und Sachen passiert werden könnten, demselben aber ist keine Antwort geworden. Dito morgens um 8 Uhr hat der Konstabler Heinrich Janßen eine feindliche Bombe reinigen wollen, selbige aber ist krepiret und hat ihn derogestalt geschlagen, daß er des anderen Morgens frühe gestorben.

Den 3. 9. ist beim Rathause eine feindliche Bombe von selbsten krepiret, weil sie vermutlich in einem Keller gelegen, da noch Feuer in geschwelet. Sie hat aber keinen Schaden getan.

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Den 4. 9. ist nichts Merkwürdiges passiert.

Den 5. 9. ist auch noch alles still gewesen.

Den 6. 9. hat der Geheimrat v. Grote den Kanzlisten Hojer mit einem Tambour ins Lager gesandt und denselben über einige Posten vernehmen lassen wollen, man hat den Kanzlisten aber auf dem Wasser halten und gegen Abend den Hauptmann Sprengell geschickt, der das Gewerbe von dem Kanzlisten angenommen und dagegen
versichert, daß des folgenden Tages eine Antwort erfolgen würde, so aber ausgeblieben. In dieser Nacht ist auch die Batterie auf dem Thumb bei der Druckerei, von 5 Stücken, fertig geworden, um die vom Feind uns entgegengemachte Batterie von 10 Scharten zu beschießen.

Den 7. 9. hat der Herr Generalleutnant mit dem Hauptmann Stracknitz und dem Minierleutnant sich besprochen, ob es nicht tunlich wäre, DASZ MAN DEN THURM GESPRENGT HÄTTE. Es ist ihm aber zur Antwort worden, daß, wenn solches geschehen müßte, unser ganzer Vorrat an Pulver dazu schwerlich zureichen würde.

Dito Morgens hat der Herr Geheimrat auf Permission des Herrn Generalleutnants durch einen Tambour von dem Feldmarschall v. Wedell vernehmen lassen, ob eine Antwort erfolgen würde, als ihm nun der Bescheid erteilt, daß morgen dieselbe einkommen sollte, so ist sie jedennoch ausgeblieben.

Den 8. 9. ist ganz Nichtes passiert als daß man bei der Altfrauen Hause eine neue Batterie von 4 Schießscharten angeleget, welche sich der dänischen bei der Papenmühle opponieren sollte.

Den 9. 9. hat der Herr Generalleutnant auf Ansuchen des Rats Gramann einen gefreiten Korporal mit einem Tambour dem Aktuar Riecken zugegeben, welch letzterer vernehmen wollte, wessen der Feldmarschall wegen Herauslassung ihrer Leute und Möbel resolviert. Man hat aber den Aktuarius nebst dem gefreiten Korporal und einem Schiffer aus Lüneburg in Arrest genommen und durch den Tambour zurücksagen lassen, man wollte die Leute behalten bis auf weiteren Bescheid und wäre es keine Manier, daß man ganze Schiffe voll Leute und überdem Bürger herausschickte, meinend, der Schiffer aus Lüneburg sei ein Bürger aus Ratzeburg." (Mardefelt.)

In Wahrheit hatten die Dänen um diese Zeit, unzufrieden mit dem Gang der Verhandlungen in Hamburg, einen neuen Plan gefaßt, Ratzeburg in ihre Hand zu bekommen. Zu zerschießen war nichts mehr, die Werke hatten die schwersten Bomben "praf" ausgehalten, die Verteidiger sich gegen das Mecklenburger Ufer mit neuen Batterien stark gemacht, also schien ein zweites Bombardement zwecklos. Ebensowenig hatte ein Aushungerungsversuch Aussicht. Die auf der Insel herumlaufenden Viehherden waren nicht nur dem Auge erkennbar, dänische Schwimmer hatten auch nachts einem Ochsen, der außerhalb der Pallisaden weidete, den Schwanz abgeschnitten und mitgebracht. Blieb nur ein Sturm als letztes Mittel. Hierzu war eine größere Anzahl Schiffe nötig neben den Kupferpontons der Dänen. Mit Güte oder Gewalt waren sie von Lübeck zu bekommen. Vermehren kam aber schnell dahinter und konnte schon am 6. 9. die dänische Absicht melden. Es wurden sowohl bei Lübeck aus der

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Trave in die Wakenitz wie bei Mölln aus der Steckenitz in den Ratzeburger See bei Farchau Schiffe mit Pferden über Land gezogen. Wie vorauszusehen, hatte der Senat erklärt, wenn die Dänen diese Verletzung lübischer Neutralität mit Gewalt unternehmen wollten, könnte er es nicht hindern. 90 Pferde waren nötig, um einen Schiffskörper über die Landzunge vor dem Burgtor zu schleppen. In Mölln wurden Salzschiffe beschlagnahmt, 36 an der Zahl, von denen täglich 2 bis zur Papiermühle fahren konnten. Sie wurden dort paarweise zusammengekoppelt und mit einer Holzbrustwehr versehen. 100-200 Mann trug solcher Prahm. Gleichzeitig ging von Holstein ein neuer Transport schwerer Artillerie zum Belagerungsheer ab. Er umfaßte 9 schwere Stücke, 6 kleine und 3 Mörser von größerem Kaliber, als die bisher vor Ratzeburg eingesetzten, und war der Festung Glückstadt entnommen. Schon vor seinem Eintreffen eröffneten die Dänen die Beschießung wieder. -

"Den 10. 9. Nachmittags haben die Dänen 2 Kanonenschüsse von der Vogelstange auf unsere Zimmerleute getan, aber keinen Menschen getroffen und ist ihnen von unserer Seite mit 2 Kanonen wieder geantwortet worden, in Meinung, sie würden weiter continuiren. Sie haben aber den ganzen Tag still geschwiegen. Selbigen Abends um 9 Uhr hat man einen Soldaten von Major Schwarzen Kompagnie, welcher sich obligieret, eine Meile Weges zu schwimmen, mit Briefen an seine Durchlaucht abgeschickt, derselbe ist auch in einem leinenen, expresse gemachten Kleide im Gesichte des Herrn Major Schwarzen mitten im See umb den Schwalkenberg weggeschwommen, ob er aber reüssiert wird die Folgezeit lehren müssen." (M.) Vermehren meldete, daß der Schwimmer von den Dänen abgefangen sei. Der Brief an den Herzog war chiffriert, daneben hatte er noch einen an Herrn v. Grotes "Liebste" mit.

"Den 11. 9. morgens haben wir auf die Dänen, so die Mühle überm St. Jürgen Berge abgebrochen, mit einem Stück Feuer gegeben, worauf sie den ganzen Tag stille geschwiegen und nicht wieder geantwortet. Den 12. und 13. 9. ist nichts passiert.

Den 14. 9. morgens um 7 Uhr ist von unserer Seite auf die dänischen Arbeiter vor dem Lüneburger Tor, woselbst sie eine neue Linie, den Kirchhof herunter gemacht, mit einem Stück gefeuert worden worauf dieselben um 9 Uhr von der Vogelstange wieder geschossen, aber keinen Schaden getan, von unserer Seite sind selbigen Tages über 10 Schuß auf die dänischen Arbeiter gemacht. Des Abends um 10 Uhr haben die Dänen 2 Schuß auf unsere Zimmerleute, welche noch einige Joch von der Langen Brücke abwerfen sollten, getan, aber ohne Schaden. Darauf haben sie fort 3 Raketen steigen lassen, nm ihren Leuten damit ein Signal zu geben, auf ihrer Hut zu sein, weil sie vermeinet, daß man etwa einen Ausfall über die Lange Brücke tentieren würde.

Den 15. 9. morgens um 8 Uhr haben wir wieder auf die dänischen Arbeiter gefeuert. Worauf sie erst 7 Bomben ohne Effekt hineingeworfen, und ist folglich von beiden Seiten verschiedentlich geschossen worden, aber ohne Schaden.
 

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Den 16. 9. haben unsere Leute mit Kanonen auf die dänischen Arbeiter, so gegen der "Tête" (der Ravelin vor dem Lüneburger Tor) approchieret, stark gefeuert, die Dänen aber haben den ganzen Tag nicht geantwortet. Nachmittags aber haben sie wohl 10 Schuß auf uns getan, aber ohne den geringsten Schaden.

Den 17. 9. haben unsere Leute von Mitternacht an stark auf ihre Arbeiter kanoniert; item die ganze Nacht desgleichen getan.

Den 18. 9. haben wir mit Kanonieren stark kontinuiert.

Den 19. 9. haben wir wie den vorigen Tag sowohl Tages als Nachts mit Kanonieren stark kontinuiert, die Dänen aber haben nur 2 Schüsse geantwortet. Selbigen Morgen ist der beste Feldscher vom Lamotteschen Regiment, namens Siegmann, gestorben.

Den 20. 9. hat man auf beiden Seiten wieder stark kanoniert, die Dänen aber haben nur von der Vogelstange vier Kanonenschüsse getan.

Den 21. 9. haben wir wieder auf die Arbeiter geschossen, wiewohl etwas sparsamer als gestern." (M.)

Das Feuer der Festung zerstörte immer wieder die bei der Sandmühle neu gebaute Batterie, so daß die Dänen ihre inzwischen angekommene Artillerieverstärkung nicht einsehen konnte. Man sieht, wie groß die Aussichten waren, das Bombardement ganz zu verhindern, wenn Boisdavid durch Feuer den Ball der ersten Batterien ebenso unterbunden hätte. Nebenbei hatten die Dänen 6 Pontons verloren. Mit dem Überlandtransport der lübischen Schiffe ging es auch nicht nach Wunsch. Eins blieb trotz Vorspann von 100 Pferden zwischen Trave und Wakenitz stecken. Von Mölln waren erst 4 Schiffe im Küchensee, am 25. waren es 11. Der Schütze Christian, der diese Feststellungen machte, fand seine grüne Hofuniform dabei zu auffallend und bat um Lieferung einer graugrünen. Dieser Wunsch mußte aber erst dem Herzog unterbreitet werden, so daß es wohl zur Ausführung nicht mehr gekommen ist. Mit fortschreitendem Herbst litt das dänische Heer stark an der roten Ruhr. Vermehren meinte, mit 5000 Mann könne die Festung entsetzt werden. Die waren aber nicht aufzubringen. Ein kleines brandenburgisches Hilfskorps sammelte sich bei Lenzen und Kurfürst Ernst-August hatte seinem Bruder den Marschall v. Podewils mit einigen Truppen geliehen, mochte aber diese nicht an ein so gefährliches Unternehmen wagen. So blieb man links der Elbe stehen. Die Aussichten eines dänischen Sturmes waren andererseits gegenüber der noch ganz intakten Ratzeburger Artillerie nicht allzu groß. Man gedachte am Dom und an der Lange Brücke zu stürmen, wo der Wasserweg am kürzesten und die Befestigung am schwächsten war. Aber den mannestief unter Wasser gesetzten Schloßplatz gegen die modernen Werke der Westfront anzulaufen, war Wahnsinn. Die Kampfkraft der Infanterie des Verteidigers war weniger zu fürchten. Die Miliz und die neu gebildeten Hannoverschen Kompanien Diedens konnten als voll nicht gerechnet werden. Die wenigen cellischen Kerntruppen reichten für den Umfang der Festung nicht aus. So wogen beide Kriegführenden ihre Gewinn- und Verlustmöglichkeiten und kamen zu dem Entschluß, einen mageren Vergleich vorzuziehen. -

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"Den 22. 9. hat man von beiden Seiten mit Kanonieren ganz eingehalten.

Den 23. 9. ist es gleichfalls stille geblieben. -

Den 24. 9. Nachmittags haben die Dänen 3 Schüsse von der Vogelstange getan. Wir haben aber nur mit 2 Stücken geantwortet, weil man keinen Menschen arbeiten gesehen.

Den 25. 9. ist von beiden Seiten gefeiert worden.

Den 26. 9. ist es gleichfalls ganz stille geblieben, bis gegen Abend um 6 Uhr, zur selbigen Zeit aber haben die Dänen aus den vor dem Lüneburger Tor gebauten Approchen 6 Granaten hereingeworfen. Nachdem wir aber von unsern Contregarden 4 Granaten wieder hinausgeworfen, haben sie stille geschwiegen. Selbigen Nachmittag umb 2 Uhr aben die Dänen durch einen Tambour einen Brief der Frau Geheimrätin Grothe hineingeschickt, welcher von dem Herrn Geheimen Rat sofort wieder beantwortet worden. Der meiste Inhalt der Frau Geheimrätin Schreiben war, daß sie gehört, ob wäre der Herr Geheime Rat tötlich krank. Nachdem hat sie notifiziert, daß Herr Direktor Spörken gestorben (er hatte 1689 in Lauenburg für Georg-Wilhelm "Possession" ergriffen) und daß der bei dem Schwimmer abgeschickte Brief v. 9. dss. deroselben wohl eingelauffen wäre.

Den 27. 9. ist von beiden Seiten nichts vorgenommen worden.

Den 28. 9. ist auch alles ruhig geblieben.

Den 29. 9. ist gleichfalls von beiden Seiten nichts Feindliches vorgenommen worden. Wir haben gegen Mittag einen Tambour herausgeschickt, um durch ein Schreiben vom Geheimen Rat Grothe fragen zu lassen, ob nicht vergönnt werden könnte, daß er selbst sich beim Feldmarschall einfinden und ein anderes sondierte; es ist ihm aber keine Antwort geworden.

Den 30. 9. Nachmittags um 3 Uhr ist vom Herrn Kanzler Fabricius ein Kourier aus Hamburg anhero gesandt, welcher mitgebracht, daß die Sache zwischen Ihrer Majestät von Dänemark und Seiner Durchlaucht unserm gnädigsten Herrn folgendergestalt verglichen wäre, daß Ihre Durchlaucht zwar das Land und den Ort Ratzeburg behalten, aber die Västung Ratzeburg rasieren müßten, wozu sich Ihre Durchlaucht erkläret und dero Behuf Ratzeburg zu rasieren Ordre erteilt, mit dem angehängten Befehl, daß die Regierung, weil der Ort ganz ruiniert, nach Mölln transferiert werden sollte.

Den 1. 10. hat man einen Tambour hinausgesandt und vernehmen lassen, ob die Auswechslung der Ratifikationen noch nicht geschehen. Weil nun der Feldmarschall nach Mölln zum König gewesen, ist des Abends allererst ein Tambour von den Dänen hereingesandt und berichtet worden, daß morgen eine vergnügte (d. h. genügende) Antwort erfolgen würde.

Den 2. 10. haben die Dänen den Hauptmann Sprengell, so als Generaladjutant Dienste tut, hereingeschickt und durch denselben sagen lassen, daß nunmehr die ganze Sache richtig und daß wir aus der Stadt aus- und eingehen, auch nach Belieben reisen möchten, weil die Ratifikationen von beiden Seiten ausgewechselt wären. Selbigen Nachmittag ist der Generalmajor de Cormaillon und der junge Baron

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v. Wedell herein zu unserm Herrn Generalleutnant gekommen, samt unterschiedlichen dänischen Offizieren; man hat auch von allen dänischen Werken die Stücke abermals gelöset und alle Feuermörser ausgefeuert, deren insgesamt 62 gezählt worden.

Den 3. 10. haben die Dänen einige Bataillone abmarschieren lassen. Haben auch ihre Werke zu rasieren angefangen, dergleichen wir auch mit dem Ravelin zuerst getan und die Tore geöffnet. (Sie waren während der Belagerung vermauert.)" (Mardefelt.)

3. Ausmarsch der beiderseitigen Truppen.

Nach dem Hamburger Vertrag vom 29. 9. sollte Ratzeburg binnen 3 Wochen geschleift, die Truppen, bis auf 200 Mann, und die gesamte Artillerie über die Elbe gezogen werden. Die Dänen sollten innerhalb 4 Tagen abrücken bis auf 6 Regimenter zu Pferde und 6 Bataillone zur Bedeckung der Belagerungsartillerie, die aber auch spätestens nach 14 Tagen das Land geräumt haben mußten. Solange durften sie nur Rauhfutter beanspruchen. Die Artillerie solle sogleich auf 1/2 Meile von Ratzeburg weggezogen werden. Weitere Geldforderungen seitens der Truppenbefehlshaber waren bei Strafe verboten. Dänemark versprach, sich nicht weiter in die Lauenburgische Erbfolgefrage zu mischen. Der Kaiser, England und Schweden garantierten den Vertrag.

Die von den dänischen Inseln gekommene Artillerie ging die Wakenitz herunter zur Trave und auf die Transportflotte. Die aus Glückstadt nachgelieferten Geschütze fuhren von Lauenburg elbabwärts. An die Fristen und an das Verbot des Requirierens von Verpflegung und Geld hielten sich die dänischen Führer nicht. Kontribution wurde bis Ostern im voraus eingetrieben. Die Kavallerie ließ sich im Amt Schwarzenbek die Ouartierforderung für 4 Regimenter durch ein Geldgeschenk abkaufen. Sie lagen dann einige Tage im Amt Lauenburg und "taten den Untertanen sehr wehe". Wedell beantwortete eine Beschwerde hierüber mit Gegenklagen wegen ungenügender Demolierung Ratzeburgs.

Am 2. 10. gingen erst die letzten Regimenter aus dem Lager bei Schwarzenbek in die Dörfer. Das Leib-Regiment zu Pferde lag bis zum 7. 10. in Juliusburg, Krukow und Lütau Und marschierte am 8. über Grande nach Holstein. Regiment Brockdorff zu Pferde lag in Wangelau, Witzeeze und Dalldorf bis zum 6. Zu gleicher Zeit zog Regiment Prehn zu Pferde aus Basedow, Buchhorst, Lanze und Krützen, sowie Regiment Basse zu Pferde aus Pötrau, Büchen, Fitzen und Bröthen ab. 4 Kompanien Aderkas-Dragoner lagen bis zum 2. Oktober in Lauenburg und 2 Kompanien vom 7. ab in Pötrau. Büchen hatte außerdem am 7. 10. den Glückstädter Artillerietransport mit 716 Pferden, 140 Mann unterzubringen.

Aus Stadt Lauenburg sollte am 30. 9. der Oberst Tramp mit seinem Infanterie-Regiment abziehen, blieb aber bis zum 1. 10., weil er noch 200 Taler von der Bürgerschaft erpreßte, die nicht eher

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zusammengebracht werden konnten. Übrigens schickte er von seinem nächsten Quartier Göttin die 36 vierspännigen Wagen für sein Gepäck nicht zurück.

Am 16. 10. war das ganze Land frei, bis auf Amt Lauenburg, wo noch zwei Dragonerkompanien bis zum 20. 10. blieben. Das Amt hatte im ganzen 13135 Taler Kosten gehabt und 300 Wagen stellen müssen. Neuhaus mußte 4466 Tonnen Hafer, 1486 Fuder Heu, 70263 Pfund Brot und 6887 Taler bar aufbringen. Für das ganze
Land stellte sich der Wert der Lieferungen und Leistungen an die Dänen auf 140 000 Taler. -

Bleibt noch die Demolierung Ratzeburgs und die Räumung durch die verbündeten Truppen zu erzählen. Hannover und Wolfenbüttel forderten sogleich dringend ihre Mannschaft und Material zurück. Am 4. 10. zogen sie ab. Mit den Ausschußkompanien war auch nichts mehr zu machen. Sie waren krank und erschöpft und durften zudem nach dem Frieden nicht mehr zurückgehalten werden. Die wenigen cellischen Stammtruppen legten die Befestigungen mehr schlecht als recht nieder. Am 22. 10. besichtigten Minister Bernstorff und Boisdavid die beendete Arbeit. Die Artillerie wurde zum Teil zu Wasser nach Lübeck gebracht, zum Teil auf beschlagnahmten Lübecker Salzschiffen durch den Steckenitzkanal nach Lüneburg. Die letzten Kähne froren schon ein. Am 9. 11. rückte die letzte Infanterie ab. Der neue Kommandant Hauptmann v. Knebel mit 2 Kompanien Lamotte räumte am 11. 11. den Domhof und belegte die Gewölbe und Unterstände in der Stadt. Die Regierung war erst am 20. 10. nach Mölln gegangen, wo der Rat sogleich gegen die Benutzung seines Rathauses Einspruch erhob. -

Am unzufriedensten mit dem Ausgang war der Kurfürst von Sachsen, der nun einsehen mußte, daß seine Ansprüche auf das Herzogtum aussichtslos waren, seit so mächtige Staaten dem Welfen den Besitz gewährleisteten. Schließlich schlug er wenigstens eine ansehnliche Geldzahlung für seinen Verzicht heraus. Auch Mecklenburg erlangte für die Schäden auf dem Domhof eine "Satisfaktion".

Man kann nicht sagen, daß sich für das Welfenhaus die Befestigung von Ratzeburg nicht gelohnt hätte. Das alte Schloß wäre freilich in kurzer Zeit in Trümmer gelegt. So aber wahrten die modernen Werke den Besitz eines Bruchteils Lauenburger Bodens solange, bis der dänische Eindringling mürbe geworden war. Andernfalls hätte einer Annexion durch ihn nichts im Wege gestanden, sobald das ganze Land in seinen Händen war. Was die Einwohnerschaft, insbesondere die bedauernswerten Bürger Ratzeburgs, betraf, so hatte sie gewiß keinen Grund zur Freude. Die neue Landesherrschaft hat erst sehr allmählich wieder gut gemacht, was ihr Zugriff dem Lande geschadet hatte.


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