Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1933


Lübeck und Lauenburg im 14. Jahrhundert.

(Ein Kapitel aus der städtischen Territorialpolitik im Mittelalter.)

Von ALBERT DÜKER.

Die mittelalterlichen Städte waren infolge der damaligen Wirtschaftsweise auf ein gewisses Gebiet eigenen Grundes angewiesen. Meist in unmittelbarer Nähe der Stadt gelegen, vor ihren Toren oder rings um ihre Mauern, war diese städtische Feldmark ein Gemeingut, das der Bevölkerung die primitiv notwendige, tägliche Nutzung an Weideland, Ackerflur, Wald und Wasser bot.

Weit über diese Grenzen hinaus geschah ein weiterer Eingriff in das umliegende flache Land dadurch, daß die mancherlei kirchlichen Korporationen und das reiche Bürgertum durch Ankauf großer Landkomplexe diese wirtschaftlich mit der Stadt verbanden.

Zu diesen beiden Dingen, Ausbildung der gemeinen Feldmark und privater Erwerb von Liegenschaften als wesentlich wirtschaftlichen Vorgängen, trat bei einer Reihe mächtigerer Städte eine dritte, politisch bestimmte Form der Ausweitung: die städtische Territorialpolitik, die Teile der benachbarten Landesherrschaften unter das Regiment der Stadt zu bringen suchte.

Schauen wir auf Lübeck! - das Muster einer echten Handelsstadt, lebend und herrschend durch den hier zentrierten Fernhandel des nördlichen Europa. Aber auch in diesem Leben und Herrschen immer bedroht, solange sein Handel fremdem Zugriff offen lag. Machiavellis Wort von dem republikanischen Staatswesen, dem "aus der Belästigung durch andere die Lust und die Notwendigkeit zu erobern" entspringt, trifft hier wirklich zu: die Notwendigkeit, für die vornehmsten Interessen der Stadt: Handel, Verkehr und ihre Sicherheit mit völlig eigener Kraft einstehen zu müssen, und die Lust (schöpferisch und böse - aber niemals zu negieren), der wirtschaftlichen und politischen Machtfülle, die dem Lübeck des späten 13. und des 14. Jahrhunderts eignete, einen sichtbarlichen Ausdruck zu schaffen, das waren die Triebfedern, die die lübische Expansion des 14. Jahrhunderts entstehen ließen.

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Es galt, eine systematische Sicherung des Handels anzubahnen durch Erwerb von Stützpunkten in den fürstlichen Territorien, die geeignet waren zum Schutz der Straßen, zum Niederhalten des Raubwesens und - nicht zum geringsten - zur Organisation des Handels selbst.

So gesehen, bildet die lübische Territorialpolitik des 14. Jahrhunderts einen zusammenhängenden Strang in der politischen Betätigung der Stadt, ist sie ein sehr planmäßig aufgebauter Teil ihrer Gesamtpolitik, der in der Größe seiner Konzeption und in der Durchführung als ganz außerordentlich zu werten ist.

Der Pfanderwerb Segebergs durch Lübeck im Jahre 1342 gab den Anstoß. Wohl geschah er noch mit einer gewissen Zufälligkeit aus einer konkreten Kriegssituation heraus, in die Lübeck und anders Städte nach dem Tode Gerhards des Großen von Holstein zu dessen Nachfolgern geraten waren. Doch war dies ein erster Schritt auf einem Wege, der in die Zukunft wies und eine politische Methode zeigte, die entfaltungsfähig war.

Und die gesamtpolitische Situation Lübecks jener Zeit ermöglichte solches Weitergehen, erforderte direkt den territorialen Erwerb als eine neue politische Methode. So richtig es ist, den Anlaß und EINE dauernde Triebkraft für diese Politik in der DEFENSIO COMMUNIS STRATE REGIE zu sehen, so muß man sie aber doch in das Gesamt der politischen Beziehungen hineinstellen und im Falle Lübecks erkennen, daß sie die Konsequenz aus dem prachtvollen wirtschaftlichen Aufstieg des letzten Halbjahrhunderts war. Hinter ihr stand ein ungemeines, konstruktiv-politisches Denken. Dabei war alles durchaus aus dem Eigenen zu entwickeln und durchzusetzen. Stand doch selbst ein so kluger Förderer der Städte in ihren Wirtschaftsinteressen wie Karl IV. einer städtischen Eigenpolitik entschieden entgegen und wies sie auf die Landfriedenspolitik.

Aber! eine wirksame Landfriedenspolitik zu treiben, bedurfte es über Einung, gelegentlichen Kriegszug und Burgenbrechen hinaus einer massiveren Unterlage. So gingen DOCH die großen wirtschaftspolitischen Wünsche Lübecks und die notwendige Landfriedenssorge eine Verbindung ein, die, um nicht beide völlig bedeutungslos verlaufen zu lassen, einen starken Machteinsatz erforderte.

Die Auswirkung war, daß Lübeck in einem Zeitraum von anderthalb Jahrzehnt zu Segeberg hinzu sich in den Besitz der verkehrspolitisch für es wichtigsten Orte und Gebiete setzte. Die Lübeck­Lüneburgische Straße wurde durch Mölln (1359) beherrscht, die Ostsee-Nordseestraße Lübeck-Hamburg durch Oldesloe und Trittau (1375), der Anfall der Herrschaft Bergedorf stand vertraglich fest (seit 1370), und das nordische Wirtschaftsgebiet war in seinem Zentrum: Schonen gepackt durch gemeinhansisches Handeln (1370).

Es scheint uns unmöglich, in diesen Geschehnissen von 1359 bis 1375 eine Summe zufällig sich ergebender Einzelaktionen zu sehen, vielmehr meinen wir, daß sie auf eine einheitliche Konzeption zurückgehen, auf einen Gesamtplan, der aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten geboren, von der Stadtregierung getragen und durchgeführt


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wurde; freilich - ohne daß es möglich wäre, diese Politik mit Sicherheit auf einzelne Männer zurückzuführen. Als Quellenmaterial haben wir nur die das jeweils Vollendete angebenden Vertragsurkunden, es fehlen uns Protokolle in der Art der Hanserezesse, die das Geschehen so lebendig im Fluß zeigen und auch die politisch Handelnden hervortreten lassen. Für die Territorialpolitik bleiben wir fast ganz in der Sphäre der Anonymität, nicht Einzelmenschen sind zu fassen, sondern der Rat als Vertreter des gesamten  Gemeinwesens erscheint als ihr Träger.


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Im Folgenden müssen wir uns auf die Auswirkung der lübischen Territorialpolitik auf das benachbarte lauenburgische Gebiet beschränken.

Die Stelle geringsten Widerstandes gegenüber einer lübischen Expansion war im 14. Jahrhundert zweifellos das Herzogtum Lauenburg.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts war es aus der Teilung des askanischen Sachsen in die beiden Linien Lauenburg und Wittenberg hervorgegangen. Nach dem Tode Johanns I. von Sachsen­Lauenburg regierten zunächst seine drei Söhne gemeinschaftlich, doch bald kam es zu Zwist und weiterer Unterteilung, wobei dem ältesten, dem blinden Johann, nur die Herrschaft Mölln und ein Anteil am Lande Hadeln verblieb, während die jüngeren Brüder zusammen das übrige Lauenburg und Hadeln behielten. Johanns einziger Sohn  war Albrecht IV., der zugleich durch seine Mutter ein Neffe Gerhards des Großen von Holstein war. Infolge einer Einmischung Gerhards wurde er sofort nach seines Vaters Tode 1320 zu einer Anspruchserhebung seinen Oheimen gegenüber gedrängt mit dem Erfolg, daß ihm vier Kirchspiele abgetreten wurden. "Das müssen die die Herrschaft Bergedorf bildenden Kirchspiele Bergedorf, Curslack, Altengamme und Geesthacht gewesen sein, die sich erst von nun an im Besitz der älteren Linie des Hauses Sachsen-Lauenburg befinden" 1). Bis zum Aussterben dieser älteren Linie im Jahre 1401 haben wir also Mölln-Bergedorf und Lauenburg-Ratzeburg im Herzogtum Lauenburg  zu unterscheiden. -

Mölln-Bergedorf war von dem holsteinischen Gerhard in hohem Grade abhängig. Dieser streckte seinem Neffen mehrfach große Summen vor und erwarb dafür, UNGEACHTET EVENTUELLER RECHTE DER RATZEBURGISCHEN LINIE  den vollen BesitzANSPRUCH auf das Mölln-Bergedorfische Territorium im Fall eines erbenlosen Todes Albrechts IV. 2).

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1) Hans Kellinghusen, Das Amt Bergedorf; Ztschr. d. V. f. hamburg. Gesch. Bd. 13 (1908) S . 218, datiert die tatsächliche Trennung auf 1295.

2) 1322 (Hasse III. 485) erhielt Albrecht IV. 6000 mr. löt. Silbers von Gerhard und verpfändete ihm dafür die Stadt Mölln und seine ganze Herrschaft to besittende unde to beholdende. 1330 (Hasse III. 716), als Gerhard neuerdings 10 000 mr. löt. Silb. als Mitgift bei der Wiederverheiratung von Albrechts Mutter Elisabeth mit König Erich von Dänemark hergab, wurde ihm nochmals ein Pfandbrief ausgestellt, diesmal auch über Bergedorf. Wären beim Tode Albrechts aber Kinder als rechte Erben vorhanden, so ne schal greve ghert unde sine erven us nicht be weren noch panden an unser herschap unde lande.

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Als dieser 1343 starb, hinterließ er aber drei Söhne, Johann III., Albrecht V. und Erich III.; ein Anfall des Landes an Holstein stand also nicht in Frage. Johann starb schon 1356, Erich III. war geistlichen Standes, hatte aber an der Regierung teil und führte sie seit 1370 allein.

Das Territorium war klein; es umfaßte die beiden Herrschaften Mölln und Bergedorf, den halben Sachsenwald und einen, praktisch geringwertigen, Anteil an Hadeln. Dabei war eine unverhältnismäßig hohe Schuldenlast zu tragen. Der bisherige Geldgeber, Holstein, war in den Jahren des politischen Anstiegs König Waldemars nicht in der Lage, weitere Mittel für eine doch nur eventuelle Gebietserweiterung im Süden anzuwenden; vielmehr können wir denken, daß es drängte, seine früher geliehenen Summen zurückzuerhalten. -

Wie stand nun der lübische Rat den lauenburgischen Verhältnissen gegenüber? In einer Urkunde Kaiser Karls IV. für Lübeck von 1367 März 12. heißt es, daß Herzog Albrecht IV. von Mölln­Bergedorf "euch befolhen hat an seinem letztem ende, daz ir die kinder vnd ir herschafft bewaren soldet". Offenbar hatte Albrecht befürchtet, daß die Schauenburger unter Hinweis auf ihre Pfandbriefe seinen jugendlichen Söhnen rigoros begegnen, ihnen ihre Herrschaft ganz oder teilweise nehmen würden und hatte dagegen Lübecks Einschreiten sich versprechen lassen. Was er aber keinesfalls vermuten konnte, war, daß gerade Lübeck, woran es die Holsteiner hindern solle, selbst auszuführen sich anschickte!

Lauenburg hatte für die Ostseestadt die Bedeutung eines ausgesprochenen Durchgangslandes. Die für den lübischen Handel so ungeheuer wichtige lüneburgische Straße ging von der Grenze der städtischen Mark bis zur Elbe hin ganz durch lauenburgisches Gebiet (beider Linien) hindurch; von Lübeck aus in südlicher Richtung über Krummesse-Gr. Berkenthin-Hollenbek-Behlendorf nach Mölln, von dort über Alt-Mölln-Breitenfelde-Woltersdorf-Hornbek-Roseburg-Siebeneichen-Pötrau-Lütau-Schnakenbek nach Artlenburg a. Elbe und jenseits des Stromes über Lüdershausen und Brietlingen nach Lüneburg. Auf dieser Straße spielte sich nicht nur der umfangreiche Verkehr zwischen Lüneburg und Lübeck ab - man denke an den Wert und die Größe allein des lüneburgischen Salzhandels mit den Ländern des Ostseeraumes -, sondern zugleich war sie Träger der gesamten lübischen Verbindungen mit dem deutschen Westen und Süden. Von Lüneburg aus ging der weitere Weg über Minden-Dortmund oder über Hannover-Hameln bzw. Göttingen nach Köln und Frankfurt und über Braunschweig-Magdeburg nach Nürnberg. Auch eine der Lübeck-Hamburg-Straßen lief teilweise durch lauenburgisches Land; zwar nicht die wichtigere, die über Oldesloe führend ganz im Holsteinischen blieb, sondern eine geringere, die vor allem im 15. Jahrhundert recht in Aufnahme kam; sie folgte bis Gr. Berkenthin der Lüneburger Straße in Lauenburg, ging dann aber über Sandesneben und Trittau auf Hamburg.

Der bedeutendste Ort in Lauenburg war an sich und auch für Lübecks Interessen das Städtchen Mölln, wichtig als Zollstelle und

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Umschlagsplatz für Massenwaren, denn hier begann bzw. endete die Stecknitzfahrt zwischen Mölln und Lübeck. Wenn die lübische Territorialpolitik die Sicherung der großen Verkehrsstraßen durch ihre Beherrschung bezweckte, dann mußte Mölln bei diesem Plan ein hervorragendes Glied sein.

Unter solchem Aspekt wandelte sich das Protektorat der Handelsstadt über die jungen Mölln-Bergedorfer Herzöge leicht um in ein Verhältnis, durch das sie die Fürsten von sich abhängig machte und ihr Territorium selbst übernehmen konnte. Es ist nicht zu ersehen, wer zur ersten Annäherung den unmittelbaren Anstoß gab, sei es, daß allgemeine Geldnot oder eine Bedrängung durch die holsteinischen Grafen die Herzöge zu Lübeck führte, sei es, daß der Rat in klarer Kenntnis der lauenburgischen Finanzverhältnisse die Zeit gekommen glaubte und seinerseits Vorschläge machte ... genug, man verhandelte und kam 1339 April 14. zur Einigung.

Das Vertragswerk besteht aus drei Urkunden. Danach verkauften die Herzöge Albrecht und Erich für 9737 1/2 mr. den. dem lübischen Rat ihre Stadt und die Herrschaft Mölln, derart, daß das ganze Gebiet in Zukunft unter Lübecks Hoheit stand. Sie übergaben es CUM OMNI IURE ET JUDICIO, verzichteten auf ihre CURIA HABITACIONIS in Mölln, auf eine Rente von 40 mr., die der möllnische Stadtrat jährlich zu leisten hatte, und auf den dortigen Zoll, der an keinem anderen Orte neu errichtet werden durfte. In alle ihre landesherrlichen Rechte trat der Rat von Lübeck ein.

Dieser reguläre Verkauf bedeutete also eine Veräußerung, die viel weitergehend in die Existenz des kleinen Herzogtums eingriff als die früher geschehenen Verpfändungen an Holstein. Nur ein Vorbehalt wurde jetzt gemacht, der aber bei der Lage der Dinge von Lübeck verhältnismäßig leichtgenommen werden durfte: die Herzöge reservierten sich das Reemptionsrecht, konnten ihr Gebiet in Teilen oder im ganzen zu jeder Zeit zurückerwerben, jedoch - und das war wieder die sichernde Klausel für Lübeck - nur für sich selbst und keinesfalls zu Nutz und Frommen einer dritten Partei. Soweit die Haupturkunde.

Die beiden anderen Abmachungen gaben noch Einzelregelungen: 1. Lübeck sollte nicht mehr als 940 mr. jährliche Hebungen aus Stadt und Vogtei Mölln für sich selbst und zur Sicherung der Straßen und des gemeinen Friedens einziehen (überhaupt geschah die ganze Aktion unter diesem Stichwort PROPTER DEFENSIONEM TERRE NOSTRE ET COMMUNIS STRATE REGIE!) 2. Kam diese Summe in einem Jahre nicht oder nur teilweise ein, so konnte der Ausfall durch erhöhte Steuern in den folgenden Jahren gedeckt werden. 3. Alle Untertanen in der Herrschaft (VASALLI IN TERRA, CIVES IN MOLNE ET RURENSES IN VILLIS) blieben in ihrem herkömmlichen Rechtsverhältnis erhalten. 4. Die Instandhaltung der Möllner Schleuse fiel den Herzögen zur Last, und an den Zolleinkünften bei der Schleuse wurden sie zur Hälfte beteiligt.

Sofort trat Lübeck sein neues Besitztum an. Schon am 25. April leistete der Möllner Stadtrat dem lübischen die Huldigung en to holdende vnd en truwe vnd holt to wesende, alse vsen rechten heren. Und im Herbst gab der in der Herrschaft ansässige Adel eine


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vorläufige Gehorsamsverpflichtung ab, die im nächsten Jahre durch eine förmliche Huldigung erweitert wurde. Die versprochene VERA OBEDIENCIA war gleich an der Bestimmung, von sich aus keine Fehden und Kriegszüge gegen irgendjemanden zu führen, zu bewähren! Auf Dienstverpflichtungen, die den adligen Herren aus ihrem Grundbesitz außerhalb der Möllner Vogtei erwuchsen, hatte Lübeck natürlich keinerlei Einfluß; ebensowenig war nun etwa die lehnsrechtliche Bindung an die lauenburgischen Herzoge fortgefallen, vielmehr trat deren Lehnsherrlichkeit auch jetzt noch in ihren Konsenserklärungen bei allen Landveräußerungen Adliger hervor.

Es ist noch der Umfang des neuen lübischen Territoriums, der Herrschaft und Vogtei Mölln, DOMINIUM ET ADVOCATIA QUE AD OPIDUM MOLNE PERTINENT,
klarzustellen. In dem langwierigen Prozeß Lauenburg contra Lübeck über die Rückgabe der Vogtei, der sich vom 16. bis ins 18. Jahrhundert hinschleppte, stiftete die Unsicherheit über diesen Punkt erhebliche Verwirrung. 1667 war Lübeck vom Reichskammergericht zur Herausgabe der STADT Mölln gegen Erstattung der Pfandsumme durch den Herzog von Lauenburg verurteilt; als dies 1683 erfolgt war, beanspruchte man aber weiter die ADVOCATIA und das DOMINIUM. Eine stattliche Zahl von Streitschriften 3) suchte die Standpunkte beider Parteien zu verteidigen. In den lauenburgischen Schriftstücken wurden mehrfach die als zur Vogtei Mölln gehörig beanspruchten Dörfer  zusammengestellt; wenn ihre Zahl im einzelnen auch differiert, so wird doch deutlich, daß man eine klare Vorstellung von der Größe des 1359 an Lübeck gekommenen Gebiets nicht mehr hatte, vielmehr so ziemlich allen lübeckischen Besitz in Lauenburg zu Mölln gehörig glaubte. Tatsächlich ist dadurch, daß zwischen dem Erwerb der Hoheit über die Vogtei und den besonderen Landkäufen lübischer Bürger und des Rates - teilweise in Gegenden, die nicht zur ursprünglichen Herrschaft Mölln gehörten! - zu unterscheiden ist und infolge der späteren verwaltungsmäßigen Zusammenfassung der Gebiete durch Lübeck, eine solche Unklarheit leicht möglich. Doch läßt sich noch aus den Verhältnissen des 14. Jahrhunderts ziemlich genau der Umfang des 1359 übernommenen Gebietes rekonstruieren.

Es grenzte im Süden und Osten an das Territorium der ratzeburgischen Linie, im Westen an die Grafschaft Holstein und erstreckte sich von Mölln aus nordwärts bis an die Lübecker Landwehr. Kronsforde (a. d. Stecknitz) war der nördlichste Punkt. Die Grenze gegen Holstein ging von Trenthorst in südlicher Richtung über Wulmenau-Steinhorst-Sandesneben, so daß Schenkenberg, Grinau, Siebenbäumen, Kastorf, Klinkrade, Labenz und Lüchow noch zur Möllner Herrschaft gehörten. Die Abgrenzung gegen das übrige Lauenburg (Ratzeburg) läßt sich mit Hilfe der fürstlichen Verkaufs- und Konsensurkunden in dem Zeitraum, wo ratzeburgische und möllnische Linien nebeneinander bestanden, feststellen. Da zeigt sich, daß von Mölln
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3) Verzeichnis der sämtlichen Streitschriften, welche lauenburgischer und lübecker Seits in den beiden Prozessen wegen Mölln und Bergedorf von 1670 an im Druck erschienen sind ... in: Arch. d. V. f. d. Gesch. d. Herzogtums Lauenburg, 6. Bd. 1899, S . 47-88.


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nordwärts bis Lübeck der Stecknitzfluß die Grenze bildete. Der ganze Landstreifen zwischen dem Ratzeburger See und der Stecknitz gehörte zur Herrschaft Ratzeburg. So erscheinen unter der Hoheit Erichs IV. von Ratzeburg-Lauenburg stehend: 1392: Behlendorf, Giesensdorf und Anker, ebenso Berkenthin; 1382: Albsfelde; 1383:
Harmsdorf; 1391: Gr. Sarau; daß auch Niemark, Beidendorf und ein Teil von Krummesse hierhin gehörten, beweist der Umstand, daß lübeckische Ratmänner, als sie diese Dörfer gekauft hatten, keinen fürstlichen Konsens erhielten: Erich III. von Mölln-Bergedorf, der sonst damit nicht zögerte, KONNTE ihn nicht erteilen, und Erich IV. von Ratzeburg-Lauenburg WOLLTE es nicht. Weiter südlich als Mölln reichte die Vogtei entweder gar nicht oder nur sehr gering, das zeigen die Verhandlungen über den Delvenau-Kanalbau um 1390, die mit Erich IV. geführt wurden.


(Fortsetzung folgt.)


 



 

 

 

 

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