Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1933


Das älteste Ratzeburger Stadtbild.

Von DR. PHIL. HANS BERNHÖFT.
 

Hellwig bezeichnet in der Chronik der Stadt Ratzeburg (Lauenburgischer Heimatverlag 1929, S. 25) die abgebildete Kupferradierung, die Ratzeburg aus der Vogelperspektive von Westen her zeigt, einen "für die Stadtgeschichte ... recht beneidenswerten Schatz". In der Tat ist Ratzeburg die einzige Stadt des damaligen "Niedersachsens", d. h. des herzoglich-lauenburgischen Gebietes, die in der weltberühmten Kölner Kosmographie, einer Sammlung von annähernd 400 Tafeln mit rund 500 Städtebildern der damals bekannten 4 Erdteile, Aufnahme fand. Dieses einzigartige Werk (CIVITATES ORBIS TERRARUM) wurde mit kaiserlicher Privilegierung 1572 von Braun und Hogenberg begonnen und 1617 mit dem 6. Bande beschlossen.

Der Herausgeber war der Kölner Geistliche, der Dechant an St. Maria ad gradus, Georg Braun (1542-1622); er besorgte die textliche Ausstattung, und was noch wesentlicher ist, die nicht immer leichte Beschaffung der Ansichten; so wissen wir durch die Veröffentlichung von Bertheau über "Heinrich Rantzau als Geschichtsforscher"
(Zeitschrift der Gesellschaft für Schlesw.-Holst.-Lauenburgische Geschichte, Bd. 21 (1891) S. 309/313), daß Braun wegen der Erwerbung geeigneter Aufnahmen in einen Briefwechsel mit Heinrich Rantzau, dem PRODUX CIMBRAE, dem schleswigschen Statthalter, trat und bei dem hervorragenden Kunstfreund und Historiker beste und
bereitwilligste Unterstützung für die Sammlung dänischer, schleswig­holsteinischer und mecklenburgischer Städtebilder fand. (Bertheau a. a. O. S. 311. "Am 4. Juni 1585 schreibt er (Braun), daß er die Bilder von Segeberg und Kiel auf einer kupfernen Platte dargestellt erhalten hat und rühmt Rantzaus Eifer bei der Verherrlichung seines Vaterlandes, einen Eifer, wie er ihn bei keinem der "DYNASTAE ET HEROES", deren so viele ihm persönlich bekannt sind, gefunden hat.") Nicht zuletzt dem großen Mäzen des Nordens haben

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wir es zu verdanken, daß wir in der prächtigen Bildersammlung eine im Verhältnis zu den übrigen abgebildeten Gegenden der Welt ungewöhnlich hohe Zahl schleswig-holsteinischer Ansichten finden, und zwar im 4. Bande (1588) 6 Tafeln (Itzehoe-Flensburg, Schleswig, Segeberg, Husum-Hadersleben, Kiel, Krempe-Rendsburg), im 3. Bande (1597) 7 Tafeln (Eckernförde, Tondern-Eutin, Eiderstedt-Husum, Plön, Dithmarscher Trachtenbilder, Heide-Meldorf, RATZEBURG).

Die Bildausstattung des gewaltigen Sammelwerkes besorgte vornehmlich der berühmte Kupferstecher Franz Hogenberg. Ältere und zeitgenössische Darstellungen wurden von ihm für das dem Werke eigentümliche Großfolioformat neu gestochen. Da ist es sehr lehrreich, daß zwar die älteste Ansicht von Ratzeburg, wie F. Bachmann ("Die ältern mecklenburgischen Städteansichten" in den Jahrbüchern des Vereins f. meckl. Geschichte, Jahrgang LXXXVIII (1924), S. 17 u. 61) festgestellt hat, wohl "durch Gerdt Hane 1588 gezeichnet", aber dann nochmals "wohl sicher von Franz Hogenberg" in der vorliegenden Form auf die Kupferplatte gebracht worden ist.



Der Ratzeburger Stich Hogenbergs (33:40 cm) ist als die dreiundvierzigste von 69 Doppeltafeln im 5. Bande, Köln, 1597 in erster Auflage erschienen. Dieser Band wie das gesamte Werk ist in der Folgezeit, schwarz wie koloriert, in lateinischer, französischer und deutscher Fassung, immer wieder neu und verbessert aufgelegt worden. Aus dem deutschen Werk "Contrafactür und Beschreibung von den vornembsten Stetten der Welt" stammt der folgende, auf der Außenseite der 43. Tafel stehende Text:

RATZEBURG ist eine alte Statt in Sachsen / sampt einem Schloß / ligt von Hamburg sieben meilen / Luneburg auch so viell / von Lubeck zwo / Schwerin sechs / Schoneburg zwo / Mulheim ein / an einem gar bequemen ortt / allenthalben mit dem Meer umbgeben / welchs sich in drey meill / biß gehn


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Lubeck erstreckt / an etlichen örtten ist es ein halbe meill / ins gemein aber ein viertheil breit. Von dieser Statt aber gelegenheit schreibt Dauid Chyträus / im ersten theil seiner Historien / folgender gestalt.

Daß Bisthumbt in des Hertzogen zu Sachsen Statt Ratzeburg / hatt erstlich der Ertzbischoff Albert von Bremen zu zeyten Keyser Henrichs des 4. gestifft / zwar an einem lustigen ortt. Dann die Statt liegt gleichsam einer Insel rings umbher mit einem Hügell umbfasset / das euserste gestadt: daran das Meer stößet / ist mit hohen Hügelln / und lustigen Beumen besetzt. Auff der Insulln / an der Nortseiten von der statt / stehet die Thummkirch / neben der Thumbherrn Haeuser. Gegen Mittag an der statt liegt des Fürsten Schloß / mit vieler gebewen gezieret / mawren / Wällen / un Pasteyn befestigt allenthalben mit Wasser umbgeben / an welcher seiten man allein mit Kutschenn / oder zu pferdt uber ein Bruck in die statt kommen kan. Daselbst hatt Henrich der Lew / das Bisthuemb / so durch der heneter staettiges streuffen / gantz zu grundt gangen / wider auffgerichtet. Welches im jahr 1500 Johan auß dem Edlen geschlecht der Barckentin / besessen / von Euermodo an / in der zall der 26. von obgemelten Henrichen dem Lewen auß der Magdeburgischen Kirchen dahin beruffen / vorhin Premonstratenser Ordens / den Er auch zu Ratzenburg unter seinen mitbruedern auffgerichtet. Welche erstlich zu der zeit under Johanne / auß Zulassung Hertzog Magni / und uberredung seines Cantzlers Heinrich Bergmeiers / mit Päbstlicher erlaeubung / weltliche Thumbherrn worden. Biß daran Chytraeus.

Das Capitell / und Statt Ratzenburg / haben verscheidene Jurisdiction / und Oberigkeits gewalt / so allenthalben auff dem feldt mit steinen abgetheilt / und underscheiden ist / denen folgende wortt / mit großen Buechstaben eingehawen sein:

Zu den zeiten König Conradts / und Hertzog Heinrichs von Saxen / ist kommen Graff Heinrich von Ratzenburg / und hatt erstlich den Christlichen glauben auffgericht: Dessen Seel ruhe im frieden Amen.

Im jahr 1154 under Pabst Hadrian / bey herschung des durchleuchtigsten Keyser Friederichen des ersten / ist die Thumbkirch zu Ratzenburg gestifftet / von den durchleuchtigen un hochgebornen Fürsten / un Herrn / Herrn Heinrichen mit dem zunamen Lewen / Heinrichen des ersten hertzogen in Saxen und Bayern Sohn: Welcher sie reichlich begifftigt mit dem Ländtlein Boythin / und andern Höffen / sampt dem gantzen Zehndten / desselben Stiffts den Meyerhoff Potrawe aber / neben dem Zeins / Zehndten / und Oberherrschaft / hatt Er derselben Kirchen zu Ratzeburg geben / mit hulff Hardwigs Ertzbischoffen zu Bremen derhalben / dwiell Er mit seinem Kriegsherr uber die Elb gesetzt / unnd die erste nacht auff des Feindts boden in einer Zälten geschlafen. Er hatt auch die Grafschaft Ratzeburg auffgeirichtet / und zum ersten Grafen gesetzt / den gestrengen und Mannhaften Heinrichen Bothwede / oder wie andere schreiben / Heinrichen von Badaewide.

Demnach aber der gantzer Zehndte des Stiffts / dem Bischof allein zustendig ware / ist durch gemelten Hertzogen vertragen / das der Graff den halben Zehndt der Ampter unnd Herrschaft / auch der gantzen Grafschaft Ratzeburg Gadebusch / und Winterburg / von dem Bischofs zu Lehn haben / unnd empfangen / die andere halbscheidt beim Stifft verpleiben solt. Doch der gestalt / das in mangel mänlicher Erben / vermög des Lehnrechtes / alle Zehndt  / wider dem Bischoff heimfallen solten. Als aber der Gottsfrüchtiger Stiffter / von des Richs Stenden beklagt wardt / was massen Er dergestalt die Bischoffen im Reich zu belehnen unterstunde / hatt Er sein Erbtheill / so Er von Welpone in Schwaben und Beyern hatte / dem Reich freywillig auffgetragen. Wegen belehnung der dryen Bisthumben / hatt Er seine lebtag diese erstattung erhalten / das die Keyseriliche gnadt unnd bewilligung / der Kirchen mit nichten schädtlich / auch seine Erben und Nachkömling im Hertzogthumb / deßhalben sich keiner gerechtigkeit anmaßen solten. Wie ferner in den Priuilegien des Stiffts Ratzeburg / begrieffen. Obgemelter Stiffter / hatt auch die Kirch daselbst mit vielen freyheiten / und Heilthumb / auß der zerstörten Statt Bardowyck / herlich geziert.

Am Kirchenthurn wirdt dies vberschrift gelesen. Im jahr vnsers Herrn M. C. L. III am eilfften tag Augustmonats / ist dies Thumbkirch zu Ratzeburg

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gestifftet und eingeweihet von dem durchluechtigen Fürsten / Hertzog Heinrichen in Bayern und Saxen. Welcher gestorben im jahr M. C. X C V. Bitt vor jhn.

Umb das jahr 1066.
[sic!] under Keyser Heinrichen dem vierten / haben die Wandalen in Saxen die Christen mit grewlicher Verfolgung geplagt: Zu Hamburg / unnd in die umbliegende örtter sein sie eingefallen / unnd haben alle Klöster / Kirchen un Schulen verwüstet / un die gantze Gegendt mit Fewr un Schwerdt heimgesucht / die Prediger Goettliches worts mehrentheils umbracht / und under andern andaechtigen und heiligen Leutten / den Erwurdigen und Edlen Ansuerum Abten zu Ratzeburg / neben achzehen seiner mitbrüdern / gesteinigt. Dessen gedegnuß / ist am selben ortt zwischen Lübeck / und Ratzeburg ein stein / mit einem eingehawen Crucefix auffgericht. Von dieser unsinnigkeit der Wandalen / besehe Albert Crantz / in seiner Wandalischen beschreibung / im 3. Buech / am 4. cap. und in seiner Haeuptstatt im 3. buech / am 3. unnd 43. Capittell.

Mehr / fast seltzame / und wunderbare zerstörungen der Kirchen zu Ratzeburg / werden hierunder im Register weidtleuffiger beschrieben.

 


 

 
 

 

 

 

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