Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1937


Kuß und Kägel - alte Tänze.
 

Was ist ein 'Kägel'? Der Kegel gehört in eine Reihe mit Kuntra, Kuntrasöbenstern, Hopser und Rupser, Schottsquadrillj, Plummenschürrer, Tampet und auch dem Kußtanz. Das sind jene bunten Tänze, wie sie im alten Lauenburg jedes Volksfest zierten - Augenweide der Alten, Lebensfreude der Jungen. Lassen wir uns erzählen, wie es beim Kegel zuging!

Waren die Tänzer warm geworden, dann warf wohl ein Jungkerl einen Taler auf den Musikantentisch, und alsbald schmetterten die Bläser los, daß es zitterte. Die Tänzer stellten sich in Gruppen zu je 4 Paaren (auch wohl zu acht) im Kreise auf. In der Mitte stand der Bursche, der die Rolle des Kegels tanzte.

Das laute Geschmetter hörte auf, nur noch die Violine spielte, und nun 'nahm' der Kegel die oberste Tänzerin (die böwelste Dian) und tanzte mit ihr, indem er sie einhakte und sich mit ihr herumschwang. Seine Kunst bestand darin, sich und die Dian immer auf derselben Stelle zu halten. Danach 'nahm' er ebenso die gegenüberstehende und dritte und vierte Dian nacheinander zum Tanz. Alle schauten auf das hübsche Bild des wirbelnden Kegels in der Mitte: die Tänzerin im schwarzen Samtmieder, im roten, schwarzbelitzten Rock über weißen oder blauen Strümpfen; der Bursche in wildledernen Hosen, weißen Strümpfen, mit zweireihiger Weste und in Hemdsmoken. Alles in der Dämmerbeleuchtung der alten Bauerndiele bei der schrillen Melodie der Fiedel.

Ein Kettengehen der Paare Hand in Hand ordnete wieder die Paare, bis sie in ihrer Ausgangsstellung waren. Es tanzte nun jedes Paar der Reihe nach einzeln im Kreise. Darauf bildeten die Tänzerinnen einen Ring und schritten im Kreise herum und nach ihnen die Burschen ebenso.

Den Schluß machte der Kegel; er nahm wieder die oberste Tänzerin und zeigte mit ihr in einem Walzer vor dem Musikantentisch noch einmal seine Kunst, ein Mädchen schwenken zu können - und zwar auf der Stelle. War während des Tanzes etwa ein Paar an den Musikantentisch gekommen, so mußte der Kegel seine mangelhafte
Geschicklichkeit mit einer Runde heißen Getränks bezahlen.

Ohne Kritik am Kegel ging es nicht ab, wie denn überhaupt geurteilt wurde, besonders über die jungen Schönen. Dei ein danzt, dat

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feddert öllig; bei anner geht as bei Wind; dei drüdd is all Hack un Tehn. Dei ein kann nicht öllig ümwenn; dei anner perrt mit'n Gluptog tau. "Öwer dua klimmt min, dei geht rüm as'n Kägel: rund is dei Welt!"
 
Noch vor zwei Menschenaltern um 1880 herum wurden die bunten Tänze 'aufgeführt'. Unter ihnen gab es auch den Kußtanz *). In einem Gasthause Lauenburgs hängt ein Gedicht an der Wand, das einen Jagdball verherrlicht. Nach dem ersten steifen Benehmen beim Beginnen des Festes kommen langsam alle 'in'n Zwung'. Die bunten Tänze sind dran, und nun heißt es: "Dei Frungs dei kiekt dei Mannslüd an: Wanneier fangt denn dei Kußdanz an? Ub einmal geht dat Licht denn ut, un ut Versein küßt man dei Snut." So zwischen Hell und Dunkel, im Halblicht der modernen Zeit erscheint der Tanz in seiner Entartung und im Untergang. Einstmals war er feierlicher. Eine Alte erzählt darüber aus ihrer Jugend. Sie hat zwar die Melodie aus ihrem Ohr verloren; sie weiß aber noch die einzelnen Touren.

Die Paare stellten sich in Gruppen auf, so daß je 4 Paare einander im Viereck gegenüberstanden. Jede Gruppe tanzte für sich.

1. Alle Paare reichten sich die Hände: Schreiten im Kreise, rechts herum, links herum, Ausgangsstellung.

2. Zeichen der Musik! Jeder Tänzer küßte seine Tänzerin.

3. Alle Paare tanzten einen Walzer - nicht aus dem Viereck heraus - sondern auf der Stelle.

4. Kreisgang der Tänzer und Tänzerinnen mit Durchschlängeln.

5. Schreiten im Kreise wie bei 1.

Den Höhepunkt kündete die Musik an, wenn der Kuß gegeben werden sollte. Dabei hatte jeder Jungkerl seine eigene Art. Für die Jungdians gab es nur ein Gesetz: Sich nicht rühren! "Jere harr duarbi sin eigen Uat; ÖWER RÖÖGEN KÜNN WI UNS NICHT", sagte die Alte.

Man sieht, die Schönen vergönnten wohl ihre Gunst - aber alles sehr in Züchten. "Schön durch und stolz!" das war alte Regel.    Sch.
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*) Über den Kußtanz in Warnemünde berichtet Lauffer, Land und Leute in Niederdeutschland, 1934. S. 264. Der Kußtanz in der Probstei hieß 'Dütjendans'. Einen alten Namen habe ich bei uns nicht gefunden. Für Nachforschung auf meine Anregung habe ich den Herren Trost in Lütau und Prange-Dechow zu danken.
 


 


 


 

 

 

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