Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1938


Neues über Lauenburgs Boden

Von Prof. Karl Gripp.
 

Zur Zeit arbeitet die Reichsbodenschätzung im Lande. Wenn sich ein Grundbesitzer das Ergebnis von deren Untersuchung ansieht, so wird er nicht selten erstaunt sein über den so häufigen Wechsel in der Beschaffenheit des Bodens. Zum Teil beruht dieser auf Unterschieden des Feuchtigkeitgehaltes, zum Teil auf Anreicherung von Muttererde, die von höherem Gelände herbeigespült wurde; aber auch organische Beimengungen (anmooriger Boden) können den Wechsel bedingen. Die größten und wichtigsten Unterschiede jedoch beruhen auf dem wechselnden Gehalt von Ton und Sand. Zwischen schwerem Ton- oder Lehmboden und wasserdurchlässigem kiesigen Sand kommen im Lande die mannigfachsten Übergänge vor. Auch Überlagerungen verschiedener Bodenarten sind nicht selten.

Manch einer wird sich fragen, woher diese Mannigfaltigkeit stammen mag. Die Antwort lautet: diese Unterschiede sind entstanden, als sich unser Boden erstmalig bildete. Das war während der Eiszeit, und zwar für den größten Teil des Kreises der letzte große Eisvorstoß, der in der Zeit vor rund 50 000-25 000 Jahren stattfand. Das damals von den Höhen Skandinaviens durch das Senkungsgebiet der späteren Ostsee herbeiströmende Eis gelangte bis mitten nach Lauenburg hinein, bis an die Linie Basthorst, Talkau, Tramm, Gudow, Segrahn, Lüttow, Zarrentin.

Aus dieser Lage des Höchststandes wurde der Eisrand allmählich gegen Norden zurückverlagert. Das geschah aber nicht, wie man lange annahm, regelmäßig, unter Hinterlassen von Schuttgirlanden an Orten, an denen der Eisrand länger stillgelegen haben sollte. Wir wissen heute, daß es solche Stillstandslagen nicht gegeben hat und daß die Schuttgürtel nicht dem Stillstand, sondern im Gegenteil Vorstößen des Eisrandes ihre Entstehung verdanken.

Der Rand eines solchen Inlandeises ist eine starre, ruhige Masse nur für denjenigen, der nach dem Bild urteilt, das er im Laufe weniger Wochen oder einiger Jahre sich machen kann. Über Jahrtausende hin betrachtet, etwa derart, daß wir die im Laufe von Jahrtausenden eingetretenen Veränderungen gleichsam in einen Film von 1 bis 2 Stunden

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Vorführungsdauer zusammenraffen könnten, erhalten wir das Bild eines Eisstromes, der bald anschwillt, bald wieder dünner wird, bald schneller, bald langsamer fließt, zudem mit seinem äußeren Rand ständig hin- und herschwankt.

Ein Inlandeis fließt ununterbrochen nach. Ist es aber in der Außenzone dünn, oder war das Klima einige Jahre lang ein wenig wärmer, so siegt die Wärme, d. h. das Eis schwindet früher, und so kommt der Eisrand weiter rückwärts zu liegen. Kommt aber viel Eis oder folgten einige kühle Sommer aufeinander, so kann das Eis nicht so schnell schmelzen, und infolgedessen rückt der Eisrand wieder vor. Der Eisrand ist also eine Gleichgewichtsgrenze schwankender Lage.

Das Vorrücken des Eisrandes geschieht zunächst mit steiler Stirn, d. h. eine 50-100 m hohe Eismasse schiebt sich in das Land vor. Infolge ihres riesigen Gewichtes wühlt sie sich dort, wo der Untergrund weniger fest ist, ein und kann so bei ihrem Vordringen den Boden vor sich zusammenschieben. Dadurch entstehen dann Höhenzüge, 30, 60, 80 in hoch. In ihnen liegen jene Schichten, die ursprünglich von den Schmelzwässern vor dem Eise horizontal ausgebreitet, dann zusammengefaltet oder zum mindesten schräg aufgerichtet wurden.

Da die Schuttlagen vor dem Rand des Eises Endmoränen genannt werden, nennt man jene vom Eise zusammengeschobenen Wälle Stauchendmoränen (Abb. 1, 2). Ein gutes Beispiel hierfür sind die Segrahner Berge, die gerade jetzt in den Kiesgruben die schönsten Stauchungserscheinungen aufweisen. Aber auch sonst kann man solche Störungen durch Eisdruck weit verbreitet bei uns antreffen.

Das Eis aber wühlt nicht nur den Untergrund auf, es bringt auch selber bodenbildendes Material herbei. Auf seiner langen Reise, von Finnland oder Schweden her, hat es den lockeren Gesteinsschutt, den es auf seiner Unterlage vorfand, in großen Mengen in sich ausgenommen. Die tiefsten Lagen des Eises sind daher meistens schmutziggrau, von Ton oder richtiger Gesteinsmehl, Sand, Kies und Steinen, die auch Geschiebe genannt werden, erfüllt. Bei der Art, wie das Eis sich bewegt - auf Scherflächen gleitet es über die jeweils tieferen Lagen dahin - scheuern und kratzen sich die eingeschlossenen Schuttmassen und liefern so neues Gesteinsmehl.

Am äußersten Rand des Eises wird dieser Schutt, auch Grundmoräne genannt, frei. Er wird meistens gleich von den Eisschmelzwässern zerspült d. h. bis auf die größeren Steine fortgeschafft. Schutthaufen von nennenswerter Höhe entstehen dort nicht.

Wenn aber größere Teile der Randzone des Inlandeises aus der Bewegung ausgeschieden sind dadurch, daß neue Scherflächen nicht mehr dem Boden parallel, sondern, dem kürzeren Weg folgend, gewölbt nach oben hin aufrissen, dann blieb von einem sogenannten Toteisfeld nach dem Schwinden des Eises der ganze Schuttinhalt als mehrere Meter dicke Geschiebemergeldecke *) auf der Erdoberfläche liegen. Solche Geschiebemergel-Landschaften weisen meistens eine un-
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*) Dieser Rückstand des Eises ist bei uns kalkhaltig und wird daher Geschiebemergel genannt; ist später der Kalkgehalt von Pflanzen und durchsickerndem Wasser fortgelöst, spricht man von Geschiebelehm.

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Abb. 1. Rechts schuttbedecktes Eis.
Davor Stauchendmoräne mit aufgerichteten Schichten.





Abb. 2. Stauchendmoräne, Tal 4,5 km breit.


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Abb. 3. Schmelzwassersandebene vor dem grönländischen
Inlandeis, 6 km vom Inlandeis.






Abb. 4. Schmelzwasserfluß, 75 m breit, bricht unter schuttbedecktem Eis hervor.

4 Aufnahmen aus dem Bilderarchiv des Verfassers.

 

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ruhige, kleinkuppige Oberfläche auf. Als Beispiel sei genannt das Gebiet Sophienthal, Sterley, Hollenbek, Kogel.

Neben den hochgepreßten Stauchendmoränen, der kleinkuppigen Grundmoränen- oder Geschiebemergel-Landschaft sind als dritte eisbedingte Grundform Lauenburgs zu nennen die Schmelzwassersandebenen (Abb. 3). Am großartigsten sind sie südlich vom Ratzeburger See und südlich vom Schaalsee aufgeschüttet worden. Die am Südende der genannten Seen unter dem Inlandeis herausquellenden riesigen Schmelzwasserströme (Abb. 4) spülten das flache Sandgebiet zwischen Delvenau und Boize mit den Orten Horst, Zweedorf, Büchen, Langenlehsten, Göttin, Grambek, Möllner Seengebiet und weiter, bis zum Küchensee nach Norden reichend, auf.

Aus diesen drei Grundformen baut sich das Landschaftsbild Lauenburgs im wesentlichen auf. Allerdings wußte man bisher nicht im einzelnen, wie sich Rückzüge und Vorstöße des Eisrandes abgespielt hatten. Man kannte auch nicht den Verlauf, den der Eisrand zu den verschiedenen Zeiten innegehabt hatte.

Zwar ist Lauenburg ein bevorzugtes Land insofern, als es eines der wenigen Gebiete Nordwestdeutschlands ist, das von der Preußischen Geologischen Landesanstalt im Maßstabe 1:25 000 geologisch kartiert wurde. Die Karten liegen gedruckt vor. Als in den Jahren bald nach 1900 die Aufnahmen gemacht wurden, da war der Begriff der Schwankungen des Eisrandes noch nicht in seiner vollen Bedeutung erkannt. Auch wußte man nichts von der Rolle des Toteises; man war sich sogar noch uneins, ob Norddeutschland einmal oder mehrfach vom Eise bedeckt gewesen war. Ganz unbekannt war, daß quer durch Lauenburg die äußerste Grenze des letzten Eisvorstoßes verlief. Dies alles macht verständlich, daß die Übersichtskarte, die dem Erläuterungsheft der geologischen Karten damals beigegeben wurde, schon seit langem nicht mehr befriedigt. Sie gab nicht nur kein anschauliches, sondern sogar ein sehr irreführendes Bild von den Eisrandlagen.

Wie aber zu etwas besserem kommen? Spezialforscher studierten die Oberflächenformen und konnten daraus den Verlauf des Eisrandes erheblich genauer erkennen. Doch auch hierbei verblieben Lücken. Wie waren die Grenzen und damit der Verlauf der einzelnen Eisrandlagen anzunehmen, wenn, wie nicht selten, zwei oder mehr Höhenzüge miteinander verschmelzen? Und wo mochte der Eisrand verlaufen sein, wenn das Eis nicht gestaucht hatte und daher überhaupt kein Höhenzug ausgebildet worden war?

Erst seit kurzem hat man gelernt, auch in solchem Falle noch trennen und erkennen zu können, was zu den verschiedenen nacheinander aufgetretenen Eiszungen gehört hat. Seit einigen Jahren betreiben dänische und deutsche Geologen statistische Untersuchungen des Gesteinsinhaltes der Eisabsätze. Man zählt, wie viele Gesteine aus Finnland, wie viele aus Ostschweden und wie viele aus Südschweden stammen. Diese bisher nur für große Gebiete benutzte Kennzeichnung der Eisabsätze hat Dr. W. G. Simon erstmalig in Stormarn angewandt, um dort noch Unterschiede und Grenzen aufzuweisen, wo alle anderen Methoden, auch die Betrachtung der Oberflächenformen, versagten.
 

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Die Erfolge in Stormarn legten nahe, die ein überraschend klares Bild liefernden Untersuchungen auf den Kreis Herzogtum Lauenburg auszudehnen.

Eine großzügige Unterstützung des Herrn Landrates und des Kreisausschusses, die von Herrn Schulrat Scheele vermittelt wurde, setzten Herrn Dr. Simon in die Lage, den Kreis geschiebezählerisch aufzunehmen. Über die dabei gewonnenen Erkenntnisse berichtet Herr Dr. Simon auf den folgenden Seiten dieses Heftes. Die Karte Simons zeigt ein völlig neues Bild von der Entstehung der Oberflächenformen des Kreises.
 


[Karten-Beilage, unpaginiert. Volle Größe_
9 MegaByte, daher längere Ladezeit möglich!]




Geschiebezählung, jungeiszeitliche Eisrandlagen
und Schmelzwassersandebenen im Kreis Herzogtum Lauenburg
Von Dr. W. G. Simon 1937.


 


 


 

 

 

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