Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1939


Der Erbhof Basedow in Basedow.

Von Kreisschulrat i. R. SCHEELE.
 

Eine Stunde Weges von Lauenburg liegt am Rande des Stecknitz-Urtales das Dorf Basedow. Mit seinen fruchtbaren Gärten sieht es sich nach drei Seiten von niedrigen Höhen umschlossen; der kleine Dorfbach verschaffte allzeit jeder Hausstelle einen Tränkplatz. Wer vor 150 Jahren von der hohen Poststraße her das Dorf aufsuchte, fand die kleinen um die Dorfschaft liegenden Koppeln von Steinwällen oder
lebenden Hecken eingefaßt. Gartenfrüchte und Futterkräuter, besonders Klee, wurden in diesem engeren Kulturraum angebaut. Der sandige Lehm der höheren Ackerböden gab gute Roggenerträge und ließ bei guter Düngung auch Weizen und Gerste gedeihen. Der ruhende Acker erzeugte allerdings wenig Gras, und die Wiesen auf dem moorigen Grunde über den Sandschichten des Stromtales gestatteten selbst bei Düngung nur einen einmaligen Schnitt. Vielerorts war der Wiesenboden so wertlos, daß er eigentlich zu nichts nützen konnte. Dort hatten die Anlieger durch Begrabung manches Stück als privates Eigentum an sich gezogen, um ihren Raum für die Nachweide des Viehes zu vergrößern. Die zugehörigen Waldgebiete, in denen die Bauern das Recht der Holzweide und des Plaggenmatts genossen, boten weitere notwendige Aushilfe im Wirtschaftsbetriebe.

Zwölf Hufner und drei Kötner waren damals die Besitzer im Dorf. Ihre Wirtschaftsweise war nicht die beste. Die 7 Schläge trugen nacheinander Buchweizen, fetten Roggen, magern Roggen, Hafer und lagen dann 3 Jahr zur Weide; eine regelmäßige Brache kannte man nicht. Die ungleichmäßige Größe der Besitze und auch der einzelnen Schläge, wie die Nötigung, zu gleicher Zeit säen und ernten zu
müssen, ließen den Haushalt der Bauern schwanken. So war denn auch der Vermögensstand der Einwohner nicht aufs beste bestellt. Dem
Dorf war, wie manchem andern Geestdorf auch, schon zu Zeiten des Herzogs Julius Franz die Hälfte der Korngefälle erlassen.

Das wertvollste Gehöft im Dorf war das des Bauervogts. Es umfaßte 438 Morgen, mehr als das Doppelte der übrigen 11 Hufner. Der Anteil an den Gemeinheiten betrug allein das Dreifache der sonstigen Teilnehmer. Die Wiesen waren zum Teil mit Knicks und mit

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Gräben zum Ablauf des plötzlichen Regenfalls versehen. Der Viehstapel mit 8 Kühen, 12 Stück Güstvieh, 4 Ochsen, 70 Schafen war der größte im Dorf; an der Zahl der Pferde wiederum - man hielt neun - konnte man sparen, da kein Hofdienst zu leisten war. Der Hof hielt auch die Wuchertiere; der Bullenteil, ein Waldstück, faßte 17 Morgen. Er lag in einer schönen Hainbuchenhölzung, Manrade genannt, die zum Kropfen diente. Von ihren 128 Morgen gehörten allein 36 zum Besitz des Bauervogts.

So stellte sich das Gehöft um 1780 als eine gute Doppelhufe dar und rechnete dennoch nur als Einzelhufe. Was Wunder, wenn bei der Verkoppelung, die in den folgenden Jahren durchgeführt werden sollte, die Bauern nach dem maßgebenden Grundsatz der Egalisierung es Rechtens fanden, daß auch die Bauervogtsstelle auf den wahren Stand einer Einzelhufe gesetzt würde! Die Überlieferung in der Familie sagt, daß der damalige Bauervogt Franz Hinrich Basedau - ein sehr stiller Mann - schon dem Streben der übrigen Hufner in einer Dorfversammlung nachgegeben hatte. Aber die Bäuerin, aufs lebhafteste von ihrem Rechtsgefühl bewegt, willigte keineswegs in die drohende Verringerung ihrer Scholle. Am nächsten Morgen in aller Frühe ließ sie den schwarzen Hengst satteln und machte sich auf, den weiten Weg nach Bleckede jenseits der Elbe zurückzulegen, um dem Kommissar von ihren Rechten zu sprechen. Es war nicht umsonst. Der Kommissar - es kann niemand anders gewesen sein als der Landrat und Drost von Schrader - hat im Gefolge des entschlossenen Auftretens der Bäuerin die Sache gründlich untersucht, und die Stelle blieb eine Doppelhufe. Die Begründung für die Entscheidung wird in den Akten gegeben.

Ältere Nachrichten über die Stelle lägen nicht vor. Im Landbuch von 1618 sei sie schon unter den 12 Hufen als Einzelhufe eingetragen,
und da bislang wie vormals 12 Hufen vorhanden wären, könne man nicht einsehen, woher die Stelle noch eine zweite Hufe solle erworben
haben. Die Überlieferung auf der Stelle besage außerdem, daß schon vor Verfertigung des Landbuches von 1618 noch eine Hufe im Dorfe
gewesen sei, die Becker in Kultur gehabt hätte und wüste geworden wäre. Danach würden noch immer die vormalige Hausstelle 'Beckers
Hof' und eine große Wiese 'Beckers Wiese' genannt. Diese wüste Stelle müßte also dem Bauervogt zugelegt sein, was vermutlich aus
der Gnade der Herzöge geschehen sei. Im übrigen genössen auch andere Bauervögte ähnliche Vorteile in der Vergrößerung ihrer Besitzungen, und wie den Vögten in Johannwarde und Worth 1 1/2 Hufen zugebilligt seien, müsse auch der Bauermeister in Basedow sein Quantum behalten.

Über diese Kundgabe in den Akten hinaus läßt sich noch folgendes sagen. Das Dorf Basdowe wird zuerst 1230 im Zehntregister mit 8 Hufen aufgeführt. Die umliegenden Dörfer werden ebenso mit ihrer Hufenzahl genannt: Wutsetze (20), Dalthorp (8), Wizoc (5), Lutowe (23). Das Geldheberegister von 1525 nun führt das Dorf Wizok nicht mehr auf, da es eingegangen ist. Es hatte wie die übrigen Geestdörfer seine Wiesen im Delvenautal gehabt; der heutige Zockerbrook (Saukerbrauk) bei Lanze erinnert daran. Das Zuckerholz (Zockerhulln), das jetzt zwischen Lütau und Basedow geteilt ist, bildet den Rest seiner Waldungen. Die hochgelegene Flur von Wizok (= Hohenau) mit den 5 Hufen muß

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vor 1525 zum größten Teil zu Basedow gekommen sein 1); denn in dem Register von 1525 erscheint die alte Hufenzahl der aufgeführten Dörfer fast ungestört wieder, während in Basedow 12 Hufen, also 4 mehr, mit ihren Besitzern aufgezählt werden, darunter die Bauermeisterhufe als Einzelhufe gerechnet. Die Zusammenlegung der beiden Dörfer mit 8 und 5 Hufen erklärt vielleicht, daß man in Basedow ab 1525 unter 12 Hufen eine Doppelhufe hatte. Der Bauervogt hieß damals Bernt Burmester, ebenso noch 1544. Die 7. Stelle in der Reihe hatte Heine Basedau.

Im Landbuch von 1618 werden wieder die 12 Hufen aufgezählt, die Bauermeisterstelle als Einzelhufe (allerdings mit doppelter Michaelispacht). Der Bauermeister hieß damals Schmalejohann. Er war wohl ein Interimswirt: denn 1649 ward Paul Burmeister nach abgelegtem Bauermeistereid in die vollständige POSSESSION gesetzt mit solcher ANNEXION, daß er sich gerichtlich mit seinen Eltern vergleichen solle (Stiefvater?), damit hinfüro kein Streit vorgehe. Diese Irrungen sind möglicherweise aus einem elenden Zustand des Gehöfts und Hauses entstanden: denn Schmalejohann hatte die Zeit des dreißigjährigen Krieges zu überstehen gehabt, und schon 1627 hatte Kriegsbrand 3 Höfe in Basedow wüste gelegt. Da mochte weiterhin das Kriegswesen auch das wohlhabende Bauervogtshaus zerstört haben. Jedenfalls war das alte, hier abgebildete Haus zwischen 1640 und 50 erbaut; die Balkeninschrift besagte 164 mit nicht erkennbarer vierter Ziffer. Wie aber nach jedem Krieg das Geld knapp, das Material teuer, das Bauholz nicht reichlich, die Arbeitskraft erschöpft ist, so war es auch damals, als der Herzog durch Kanzelaufruf und öffentlichen Anschlag zur Neuerbauung der Wüstungen auffordern ließ und Bauholz und andere Notwendigkeiten zur Beihilfe versprach. Und Mangelhaftigkeit des Bauholzes mag ein Grund mit gewesen sein, daß das neue Haus des Bauervogts nur wenig über 200 Jahre dem Sturm der Zeit standhielt.

Die Burmester stellten wohl die alte Linie der Bauervögte dar. Doch noch im selben Jahrhundert sitzen die Basedaus nicht nur wie bisher auf der 7. Stelle, sondern sie haben auch die Bauervogtsstelle inne und bleiben fortan darauf. Vor 1693 hieß der Bauermeister Jochim Basedau. 1723 war es Paul Basedau, zu dessen Zeit der Besitz mit 438 Morgen ausgemessen wurde. Der Enkel jenes Paul, der Bv. Franz Hinrich Basedau, erlebte dann die Verkoppelung. War er auch ein stiller Mann, so kämpfte er bis zuletzt hartnäckig darum, daß ihm die Dreeschkoppeln bei seinem Hause, die kultivierten Wiesen, in denen die Arbeit der Väter steckte, und der 'Große Teil' im Manrade bei dem Verfahren nicht ausgetauscht wurden. Und in einer letzten Verhandlung vor Schrader siegte er denn auch.

Angesichts solch zähen Sträubens gegen die Egalisierung und Austauschung seiner Ländereien, der sich doch alle andern Hufner
unterwerfen mußten, kann man schon fragen, mit welchem innern Rechte wagte der Bv., gegen die 11 Hufner aufzutreten, die Verkoppelung immer weiter hinauszuschieben und sich schließlich der dringend geforderten Gleichheit zu widersetzen. Da muß man sich vor Augen halten, daß es sich um ein Amtslehen handelte. Der Bauervogt war der Vertreter der Dorfgemeinde, als solcher sogar in manchem persönlich haftbar; er hatte eine gewisse Gerichtsbarkeit und gerichtliche Gewalt; er übte Aufsichtsrechte aus und bearbeitete das Abgabewesen. Darüber hinaus mußte er zur Tag- und Nachtzeit seinem Herzog auf Erfordern mit einem tüchtigen, reisigen Pferde und behörigen
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1) Der beste Kenner der besprochenen Flur, Lehrer Eggers in Lütau, hat sich schon vor Jahren aus eindringlichem Studium der Landschaft und der Flurkarten dieses Urteil gebildet und es auch vorgetragen.

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Gewehr aufwarten und sich gehorsam und willig dorthin schicken lassen, wo der Herzog ihn benötigte. Statt einer Besoldung für sein Amt hatte er eben den mit manchen Freiheiten ausgestatteten Hof als Amtslehngut, als erbliches Schulzenlehen. Und dieses Verhältnis war nun mannigfach umstritten, von unten wie von oben, von den Bauern und auch vom Amt. Grade der letztgenannte Basedau mußte es erleben, daß seine Dorfschaft ab 1783 mit andern Dorfschaften zusammen den Bauervögten die Freiheit von Kriegsfuhren in einem langen Prozeß (bis 1800) bestritt. Die Dorfschaft unterlag, der Bauervogt blieb frei.

Der Bv. Basedau von 1740 hatte noch anderes erlebt. Derzeit suchte das Amt die Erbgerechtigkeit der Bauermeistereien zu brechen. Unter Führung von Behrling-Büchen haben damals die Bauervögte des Amtes, unter ihnen Basedau, den Versuch in langem Prozeß abgewehrt. Das Hofgericht entschied am 24. August 1746, daß die gedachten Bauermeistereien "erbliche Schulzenlehne" seien, und wiederum am 17. August 1839, daß solches Erblehen nur dem rechten Lehensnachfolger zu gewähren sei. Mit niedersächsischer Zähigkeit kämpfte der Bauervogtsstand um sein Recht. Das innere Recht lag in seinem großen Pflichtenkreis. Von daher muß man auch das Verhalten Fr. H. Basedows verstehen. Rechtsgefühl und Liebe zu der von den Vätern bearbeiteten Scholle haben ihn stark gemacht.

Der Ursprung der Erbschulzenlehen führt in die erste Sicdlungszeit zurück. Damals haben deutsche Männer mit deutschen Bauern die Reste der altsächsischen Volksgruppen in der alten Sadelbande neu aufgefüllt. Slawisch überwucherte Dörfer wurden besetzt oder erweitert, und auf Rodeland wurden deutsche Dörfer neu geschaffen. Die Siedelungsunternehmer (Lokatoren) fanden sich vom Landesherrn mit dem Schulzenamt und dem zugehörigen Freiland belohnt und belehnt. Die Erinnerung an den ersten Gründer lebt bei einigen Dörfern in deren Namen fort; umgekehrt haben andere Unternehmer den Namen ihres Dorfes angenommen. Sehr oft blieb der Sippe eines bäuerlichen Gründers, wenn sie auf der Vogtsstelle verblieb, der Name 'Burmester' als dauernder Familienname, der sie von andern Zweigen der Sippe zu unterscheiden vermochte. Alles dies hat für unsern Fall einiges Interesse wegen der Übereinstimmung des Dorf- und Sippennamens Basedow. Kann man etwas über den Zusammenhang beider sagen, da sie ohne Zweifel zueinander in Beziehung stehen? Bei der Entscheidung darüber ist zu bedenken, daß die Sippe der Basedows zwischen 1300 und 1540 in einem Umkreis um Basedow in 8 Dörfern sitzt, daß es im übrigen auch drei Ortsnamen dieser Form gibt, neben unserm Dorf noch Basedow b. Malchin und das Rittergut Basedow b. Prenzlau. Fügen wir noch hinzu, daß es auch ein ritterliches Geschlecht der Basedows gegeben haben muß (Reineke de Bassedoue 1249), so haben wir den Tatsachenstoff zur Hand, aus dem die Lösung erfolgen müßte, wenn sie möglich wäre. Hätte die Überlieferung in der Familie recht, daß die Basedows von Osten gekommen seien, dann müßte die alte Linie der 'Burmester' schon zu den Basedows


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Lichtbild Siemsen.
Der Erbhof Basedow in Basedow um 1862.


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gehört haben, was nach der oben gegebenen Darstellung möglich ist. Und über ein 'möglich' wird man kaum je hinauskommen.

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Kehren wir zum Schluß auf festeren Boden zurück und werfen wir einen Blick auf das Bild des alten Bauervogtshauses, wie es 1864 vor seinem Abbruch in einer mit Wasserfarben getönten Zeichnung festgehalten wurde! (S. Tafel!) Vor dem ziegelbraun getünchten Flügel der großen Dielentür sehen wir den jungen Bauern, den Vater des jetzigen Altbauern. In langer, weißer Schlethose und blauer Jacke, mit der Harke über der Schulter, ist er wohl von der Heuarbeit gekommen. Neben ihm die Bäuerin mit der Wassertracht über den Schultern, in rotgestreiftem Kleid mit kurzen Ärmeln, erscheint schlank und geschmeidig. Beide haben es auf 92 und 82 Jahre gebracht. Über den Hof treibt der Großvater die Kühe zur Tränke an den von Ellern und Eichen überschatteten Teich. Von ihm erzählt man noch, wie unruhig er in seinem Alter gewesen, daß das Haus abgebrochen werden und ein neues oben an der hohen Landstraße entstehen sollte. Er habe sich auch nicht mehr damit abgefunden, sondern seine letzten Tage unten im Dorf nahe der alten Hausstelle im Altenteil verlebt. In der Ecke rechts spielt der heutige Altbauer als Zweijähriger neben einer Karre. In unserer farblosen Wiedergabe ist er in seinem roten, schottisch gemusterten Kleidchen, einer sogen. Pie, kaum zu erkennen. So sind drei Geschlechter des Hofes in diesem Bildchen bewahrt, das damit zu einem kostbaren Erbstück der Sippe geworden ist. Gern erzählt der heutige Altbauer noch aus seiner Erinnerung dazu. An beiden Seiten des Hauses trugen Obstbäume ihre Frucht, und links vor dem Hause standen zwei 'Rotbeerbäume', die die Großmutter immer gern hatte; es waren IHRE Bäume. Der Schatten der Bäume wanderte über die kleinen Scheiben der Fenster und fiel durch die große Tür auf die Diele. Es war eine Durchfahrtsdiele, auf der noch Kreuzbaum und Schwibbogen und Butzen vorhanden waren. Am andern Ende, dem 'neddelsten Enn', fuhren die Wagen wieder hinaus, und die Senke an diesem Ende, wie die Lage am quelligen Anberg soll als Grund für die Baufälligkeit des Hauses angesehen worden sein.

Eindringlicher noch wirkt ein Gang mit dem alten Bauervogt durch die Fluren seines Hofes. Aus der bedächtigen Erzählung redet Fleiß und Mühe eines Lebens. Jede Flur hat ihre Geschichte, hinter jeder steht eine Gestalt des Geschlechts, die mit eigener Arbeit das Erbe förderte. Während die Worte langsam und ruhig fallen, fühlen wir hinter ihrer Verhaltenheit die innere Bindung an die ererbte Scholle und die Genugtuung über die eigene Sippe. Aus dem nachdenklichen Sinnen über die unermüdliche Arbeit der Voreltern, ihre ehrenfeste Eigenart und ihre Schicksale spricht die stille Treue des niedersächsischen Blutes.


 

 
 

 

 

 

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